Thomas Salz, Salz Montage-Service, Biebern vs. SOKA-Bau

Existenzvernichtung durch eine Sozialkasse – ein weiteres Beispiel aus der Praxis

Thomas Salz betreibt seit 1994 die Firma „Salz Montage-Service“ im rheinland-pfälzischen Biebern. Das Unternehmen bietet die Montage von Garten-, Geräte- und Gewächshäusern sowie Saunen, Pergolen, Carports und Zaunanlagen an. Die Auftragslage wurde von Anfang an nahezu ausschließlich durch die Montage von Fertigbauteilen von Gartenhäusern und Saunen in Baumärkten bestimmt. Bis zum 31.10.2010 beschäftigte Herr Salz 14 Mitarbeiter.

Im Jahr 1997 beantragte Herr Salz über die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld für seine Mitarbeiter, um deren Entlassung aufgrund von saisonalen Arbeitsausfällen zu vermeiden. Daraufhin fand im folgenden Jahr durch einen Sachbearbeiter der zuständigen Agentur für Arbeit Bad Kreuznach bei Herrn Salz im Betrieb eine Prüfung statt, um zu klären ob der Betrieb von Herrn Salz zum Baugewerbe gehöre und er damit am Verfahren der Winterbeschäftigungsumlage (dies stellt eine ergänzende Leistung zum Kurzarbeitergeld dar) teilnehme.
Der Sachbearbeiter kam in seinem Bericht zu der Einschätzung, dass Herr Salz in seinem Betrieb „ausschließlich baufremde Arbeiten“ verrichtet. Zu demselben Ergebnis gelangte der zuständige Sachbearbeiter bei einer erneuten Prüfung im Jahr 2008.

Beitragspflicht zur Sozialkasse Bau – für die Montage von Gartenhäusern und Saunen

Als die sogenannte SOKA-Bau Herrn Salz im Mai 2009 schriftlich mitteilte, dass sie für seinen Betrieb ein Beitragskonto eröffnet hätte, hielt Herr Salz dies für einen Irrtum – immerhin war ja im Jahr zuvor erst durch die Agentur für Arbeit festgestellt worden, dass er mit seinem Betrieb „baufremde“ Tätigkeiten verrichte.

Info:
Die sogenannte Sozialkasse Bau (SOKA-Bau) ist der seit 2001 zusammengeführte Dachverbund der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK) und der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse (ULAK). Die beiden Kassen sind gemeinsame Einrichtungen der bauwirtschaftliche Tarifparteien und kooperieren bereits seit 1976. Von der Rechtsform her handelt es sich bei der ZVK um eine Aktiengesellschaft, die ULAK ist ein eingetragener Verein. Beide Kassen wurden in den Nachkriegsjahren unabhängig voneinander gegründet, um den Arbeitnehmern im Baugewerbe Urlaubs-, Lohnausgleichs- und betriebliche Rentenbeihilfeansprüche zu sichern.

Hintergrund der Gründung der ZVK und der ULAK waren zwei Problemkreise für Beschäftigte in der Baubranche: negative Auswirkungen der saisonale Beschäftigungslosigkeit auf die Rentenansprüche und fehlende Lohnfortzahlung in Urlaubszeiten, da der Urlaub in der Regel nicht während des Beschäftigungszeitraumes gewährt wurde.

Zum Ausgleich dieser negativen Folgen für die Arbeitnehmer, sollten die Arbeitgeber am Bau eine Zusatzversorgung für ihre Beschäftigten finanzieren (ZVK). Zur Sicherung des Anspruches auf Urlaub, sowie der Lohnfortzahlung in Urlaubszeiten verwaltet die ULAK die vom Arbeitgeber gezahlten Beiträge treuhändisch. Diese eingezahlten Beiträge können an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden, falls dieser keinen Urlaub unter Lohnfortzahlung erhält. Gewährt der Arbeitgeber seinen Beschäftigten jedoch Urlaub unter Lohnfortzahlung – z.B. aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung im Arbeitsvertrag, oder auch um dem Arbeitnehmer das entsprechende Antrags-Erstattungsverfahren bei der SOKA-Bau zu ersparen – verbleiben die eingezahlten Beiträge zur ULAK als zinsloses Guthaben auf dem Beitragskonto des Arbeitgebers bei der SOKA-Bau und sind dem Bauunternehmer auf dessen Antrag zu erstatten, sofern sein Beitragskonto kein Soll aufweist. Hierbei ist erschwerend zu beachten, dass eine Saldierung von Beitragsschuld und aufgelaufenen Guthaben nach dem Tarifvertrag ausgeschlossen ist. Hat der Unternehmer beispielsweise ein Guthaben bei der SOKA-Bau von 60.000 € und schuldet andererseits noch 1,-€, dann erhält er keine Erstattung bevor er nicht den 1,-€ bezahlt hat.

Bauunternehmer müssen Im Tarifgebiet West derzeit 19,8 % im Tarifgebiet Ost 16,6 % des Bruttolohns eines jeden Beschäftigten an die SOKA-Bau abführen – zusätzlich zu den üblichen Sozialversicherungsbeiträgen. Die Beiträge setzen sich zusammen aus Anteilen zur Zusatzrente (3,2%), zur Berufsbildung (2,3%) und zur ULAK (14,3%). Im Tarifgebiet Ost entfällt der Anteil zur Zusatzversorgung. (Stand: Januar 2013)

Zusätzlich zieht die SOKA-Bau im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die sog. Winterbeschäftigungsumlage ein, die 2% der Bruttolohnsumme aller im Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer beträgt und anteilig vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu tragen ist.

Nachdem Herr Salz der SOKA-Bau mitteilte, dass er doch wohl aufgrund des Prüfergebnisses der Agentur für Arbeit nicht beitragspflichtig wäre, fand im September 2009 ein Betriebsbesuch durch einen Mitarbeiter der SOKA-Bau bei Herrn Salz statt.
Als Ergebnis dieses Besuches wurde Herrn Salz zu seiner großen Verwunderung Ende November 2009 mitgeteilt, dass er zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft verpflichtet sei. Der Grund hierfür wäre, dass es sich bei den Tätigkeiten, die die beschäftigten Arbeitnehmer ausübten, um bauliche Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs.2 Abschnitt V Nr. 37 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) handelt und dieser Tarifvertrag vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt wurde. 
Da die SOKA-Bau aufgrund der Regelung des § 24 VTV berechtigt ist, ihre Forderungen rückwirkend (bis zu einem Zeitraum von vier Jahren) geltend zu machen, wurde Herr Salz aufgefordert, für den Zeitraum von Dezember 2005 bis September 2009 detailliert Auskunft darüber zu geben, wie lange welche Arbeitnehmer zu welchem Bruttolohn beschäftigt wurden.

Herr Salz war nach wie vor der Meinung, dass er mit seinem Betrieb keine Bauleistungen ausführe, da er sich auf die Bewertung der Agentur für Arbeit verlassen hatte. Daher kam er der Auskunftsaufforderung der SOKA-Bau nicht nach. Die SOKA-Bau schätzte sodann auf Grundlage des durchschnittlichen Bruttomonatslohns in der Baubranche und des SOKA-Bau-Mindestbeitrages eine Beitragsforderung und sandte Herrn Salz mehrere Mahnbescheide.

SOKA-Bau verklagt Unternehmer und fordert  275.000 Euro rückwirkend für vier Jahre

Herr Salz legte gegen die Mahnbescheide jeweils Widerspruch ein. Daraufhin kam es zur Klageerhebung durch die SOKA-Bau – im Prozess aus uns unbekannten Gründen vertreten durch die ZVK-Bau – vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden.

Info:
Abweichend von den allgemeinen Zuständigkeitsbestimmungen ist das Arbeitsgericht Wiesbaden Erfüllungsort und Gerichtsstand für Ansprüche der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK-Bau) und der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse (ULAK) gegen Arbeitgeber und deren Arbeitsnehmer sowie für Ansprüche der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegen die ZVK-Bau bzw. die ULAK mit Betriebssitz im Tarifgebiet West. Für Arbeitgeber mit Betriebssitz im Tarifgebiet Ost und deren Arbeitnehmer ist Berlin Gerichtsstand für die oben genannten Ansprüche. (§ 26 Tarifvertrag für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe; VTV)

Die Termine an den zuständigen Arbeitsgerichten werden häufig als Sammeltermine abgehalten. Herr Salz berichtete, dass auf „seinen“ 11:30-Uhr-Termin insgesamt 25 andere Parteien geladen wurden.

In dem Verfahren, durch das drei Klagen der ZVK-Bau gegen Herrn Salz miteinander verbunden wurden, wurde von Herrn Salz für den Zeitraum Dezember 2005 bis September 2009 nun rückwirkend zu leistende Beiträge zur SOKA-Bau von insgesamt knapp 275.000 Euro gefordert.

Da Herr Salz seinen Mitarbeitern nachprüfbar auch in deren Urlaubszeiten ihr Gehalt fortgezahlt hat, existieren jedoch gar keine Ansprüche der Arbeitnehmer mehr, die von der ULAK durch eine treuhändische Verwaltung gesichert werden müssten. Der Anspruch der SOKA-Bau auf die Urlaubsbeiträge (der über 2/3 der gesamten Forderungssumme ausmachte) dürfte somit bei vernünftiger Betrachtung nicht mehr durchsetzbar sein, wenn nachweislich alle zu sichernden Urlaubsansprüche erfüllt sind.

Die SOKA-Bau lehnte allerdings eine Aufrechnung zwischen Forderungsbetrag und Erstattungsguthaben hartnäckig ab und berief sich hierbei auf die entsprechende Regelung im Tarifvertrag zum Sozialkasseverfahren im Baugewerbe (§ 18 Abs.5 VTV), wonach die Beitragspflichtigen keine Aufrechnung vornehmen dürfen.

Obwohl die SOKA-Bau bereits seit Aufstellung Ihrer Forderungen positiv Kenntnis davon hatte, dass Herr Salz den nachgeforderten Betrag nicht aufbringen konnte, wurden – in Anbetracht der akut bedrohten beruflichen Existenz von Herrn Salz und seinen Beschäftigten- keine Einigungsvorschläge unterbreitet. Für die SOKA-Bau kam neben der Ablehnung einer (teilweisen) Aufrechnung auch keine Ratenzahlung in Betracht.

Im Klageverfahren unterlag Herr Salz der SOKA-Bau. Das Arbeitsgericht Wiesbaden teilte in seinem Urteil vom 06.10.2010 die Sicht der SOKA-Bau, dass Herr Salz mit seinem Unternehmen dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) und damit der Beitragspflicht unterfällt und dass die Einschätzung der Agentur für Arbeit Bad Kreuznach für die SOKA-Bau keine Bindungswirkung entfaltet.
Das im VTV geregelte Verfahren der SOKA -Bau, nach dem der Arbeitgeber zuerst seiner vollständigen Zahlungspflicht nachzukommen hat, bevor es zu einer Erstattung kommt, wurde durch das Gericht nicht problematisiert. Trotz des entsprechenden Vortrages des Prozessvertreters von Herrn Salz, äußerte sich das Gericht in seinem Urteil auch nicht zum Problempunkt der bereits abgegoltenen Urlaubsansprüche, zu deren Absicherung noch rückwirkend Geld gefordert wird.

Insolvenz nicht mehr abwendbar

Da es für Herrn Salz nicht möglich war, den geforderten Betrag zu zahlen, meldete er im Oktober 2010 Insolvenz an. Seine Mitarbeiter hat er alle zum 01.11.2010 entlassen müssen.
Sein vom Insolvenzverwalter am 13.01.2011 wieder freigegebenes Unternehmen betreibt er nun alleine und darf entsprechend der Pfändungsfreigrenze von seinem Verdienst monatlich 1.425,00 Euro behalten.
Rückblickend sagt Herr Salz heute, dass vermutlich die Kombination aus Aufrechnung und Gewährung einer Ratenzahlungsvereinbarung seinen Betrieb vor den SOKA-Bau–Forderungen hätte retten können.
Leider war die SOKA-Bau für eine Einzelfallbetrachtung und Vorschläge zur Rettung des Betriebes und der Arbeitsplätze nicht zugänglich.

(Stand der Falldarstellung 04/13)

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