Marion Kensy, Initiativkreis Gerthe e.V., Bochum

Keine Unterstützung für Eigeninitiative

Frau Marion Kensy, selbständige Malermeisterin im Bochumer Stadtteil Gerthe (ca. 9300 Einwohner) schilderte uns den folgenden Fall, in dem ortsansässigen Unternehmern die Bepflanzung von stadteigenen Blumenkübeln seitens der Stadt nicht genehmigt wurde.

Frau Kensy ist erste Vorsitzende des Initiativkreis Gerthe e.V., ein Zusammenschluss von etwa 30 Geschäftsinhabern, der sich bereits seit dem Jahr 1992 für soziale, kulturelle und wirtschaftliche Aktivitäten in Gerthe engagiert. Seit April 2002 gibt es die bis dahin rechtsformlose Initiative als eingetragenen Verein. Neben dem Engagement im kulturellen und sozialen Bereich, ist auch das Fördern des Zusammenlebens von Bürgern aller Kulturkreise, das Mitwirken an städtebaulichen Maßnahmen und das Verbessern der örtlichen Einkaufssituation Gegenstand der Initiative.

Verschmutzte und unbepflanzte Blumenkübel trüben das Bild der Fußgängerzone

Der Zustand der sich im Ortskern befindlichen Fußgängerzone, in der zweimal wöchentlich ein Markt stattfindet, war nicht nur Bewohnern von Gerthe, sondern auch den ansässigen Ladenbesitzern ein Dorn im Auge. Viele Läden standen leer, die etwa 20 Blumenkübel (Durchmesser je 1,5m), die früher von der Stadt  bepflanzt und gepflegt wurden, waren – da die Stadt kein Geld mehr für die Pflege hatte – unbepflanzt, verschmutzt und wurden offenbar als Hundetoiletten benutzt.

Der Verein wollte das äußere Erscheinungsbild verbessern, indem seine Mitglieder selbst die Blumenkübel reinigen und neu bepflanzen wollten. An jedem Kübel sollte sodann ein kleines Schild angebracht werden, auf dem die gärtnernde Person, als Pate genannt wird, zum Beispiel mit dem Wortlaut  „Diese Pflanzen werden gepflegt von …“. Mit einem entsprechenden Antrag auf Genehmigung wandte sich der Verein im Mai 2012 an das Umwelt- und Grünflächenamt der Stadt Bochum.

Stadt schlägt öffentlich-rechtlichen Vertrag mit inakzeptablen Bedingungen vor

Nachdem die Antragstellung durch Frau Claudia Jaquet, eine in der Fußgängerzone mit ihrem Laden ansässigen Fotografin und Mitglied des Initiativkreises, erfolgte, sandte das Bochumer Umwelt- und Grünflächenamt ihr einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zu, mit dessen Abschluss ihr die Bepflanzung und Pflege von zwei Blumenkübeln gestattet werden sollte. Die aufgeführten Bedingungen des Vertrages sahen jedoch unter anderem vor, dass die Grundstückseigentümerhaftung und Verkehrssicherungspflicht auf Frau Jaquet  übergehen sollte. Eine Anbringung von Paten-Schildern wurde nicht erlaubt. Das Ausmaß an Übertragung von Risiken und Haftung stand in keinem Verhältnis zu dem, was Frau Jaquet beantragt hatte: das einfache Bepflanzen von bereits vorhandenen Blumenkübeln. Daher unterschrieb sie den Vertrag nicht.

Frau Marion Kensy setzte sich daraufhin mit dem Grünflächenamt in Verbindung, mit der Hoffnung, eine Einigung zu erwirken. Leider hatte ihr Ansinnen keinen Erfolg, da der zuständige Sachbearbeiter mitteilte, dass das Anbringen der Schilder nicht genehmigt werden dürfe, da dies der Städtereklame unterliegt.

Da Frau Kensy das Scheitern des Plans nicht so einfach hinnehmen wollte, kontaktierte sie stellvertretend für den Initiativkreis den Amtsleiter der Bezirksvertretung Bochum Nord. Dieses Gespräch ergab zumindest, dass ihr in Aussicht gestellt wurde, dass der Vorgang nochmals geprüft werde, um zu einer Lösung zu kommen.

Anlässlich eines Straßenfestes am 02.07.2012 wurden die Blumenkübel immerhin von der Stadt gereinigt und der Amtsleiter teilte Frau Kensy im Zuge der Veranstaltung mit, dass die Oberbürgermeisterin, die die leeren Kübel auch recht hässlich fand, Gelder für deren Bepflanzung in Aussicht gestellt habe. Leider folgten dieser Ankündigung keine Taten, die Blumenkübel blieben leer und auch auf Drängen des Initiativkreises beim Grünflächenamt, über die Bepflanzung erneut zu entscheiden, geschah nichts.

Bei einer weiteren vom Initiativkreis organisierten kulturellen Veranstaltung am 31.08.2012 traf Frau Kensy erneut auf den Amtsleiter, diesmal teilte er ihr jedoch mit, dass es keine Gelder für die Bepflanzung und Pflege geben werde, sodass die Kübel vorerst in ihrem derzeitigen Zustand verbleiben würden.

Im September 2012 wurde die örtliche Presse durch die Durchführung einer Passantenbefragung mit dem Thema „was ist liebenswert an Gerthe?“ auf den Fall aufmerksam. In einer durch Journalisten initiierten Diskussionsrunde zum Thema der schwindenden Attraktivität der Fußgängerzone in Gerthe erhielt Frau Kensy von der Bezirksbürgermeisterin die mündliche Zusage, das Anliegen in der nächsten Sitzung zur Beratung mitzunehmen. Frau Kensy, die sich wenigstens Aussagen zum zeitlichen Rahmen oder zur Zuständigkeit und Entscheidungsbefugnis erhoffte, erhielt leider keine greifbaren Ergebnisse.  

Mitte Oktober 2012 berichtete die örtlichen Presse erneut von dem problematischen Entscheidungsverhalten der Stadt und dem bis dahin seit fünf Monaten vergeblich auf eine Genehmigung, die Kübel auf seine Kosten zu bepflanzen, wartenden Initiativkreis. Doch auch dieser öffentliche Druck konnte die Stadt nicht bewegen, eine Entscheidung zu treffen.

Bemerkenswert ist jedoch, dass Frau Kensy in zwei Fällen von Amtspersonen unter der Hand die Empfehlung erhielt, dass der Initiativkreis die Bepflanzung doch einfach ohne Genehmigung in Angriff nehmen solle.

Unternehmer pflanzen schließlich ohne Genehmigung

Da auch bis zum Ende des Jahres von Seiten der Stadt nichts in die Wege geleitet wurde, entschloss sich der Initiativkreis nun nicht länger auf eine Entscheidung zu warten, sondern zu handeln. Die zwischenzeitlich wieder stark verunreinigten Blumenkübel wurden von den Mitgliedern des Initiativkreises gereinigt  und vorerst zwei Kübel ohne eine entsprechende Genehmigung mit Immergrün und wiederkehrenden Stauden bepflanzt. Da dies auf großen Zuspruch bei den Gerther Anwohnern stieß und sogar Spenden zur Fortführung der Bepflanzung eingingen, entschloss sich der Initiativkreis die weiteren Kübel ebenfalls zu bepflanzen.

Die Bitte des Initiativkreises an die Bezirksbürgermeisterin, dass sich wenigstens das Umwelt- und Grünflächenamt um die Reinigung des Straßenbereichs um die Blumenkübel herum kümmern möge, wurde lediglich mit dem Hinweis beantwortet, dass hierfür ein anderes Amt zuständig sei und daher jetzt dazu keine Aussage getroffen werden könne.

Bisher wurde das unerlaubte Bepflanzen von der Stadt nicht beanstandet. Für das Frühjahr 2013 ist vom Initiativkreis geplant, an den Blumenkübeln die Schilder mit dem Verweis auf die bestehenden Patenschaften für die Pflanzenpflege anzubringen. Der Fall verdeutlicht, dass es der Verwaltung auch in einfachen Sachverhalten zuweilen nicht  möglich ist, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen oder auch einfach die Motivation fehlt, Wege zu finden, um das hiesige einfache Vorhaben zu genehmigen.

Dass die Initiative nur dort einspringen wollte, wo die Stadt mangels vorhandener Gelder nicht mehr tätig wurde und es um nichts weiter ging als dieses Vorhaben zugunsten der Stadt und seiner Anwohner genehmigt zu bekommen, wurde offenbar verkannt. Stattdessen verlor sich die Verwaltung in Zuständigkeits- und Haftungsfragen, schuf keine Rechtssicherheit und beließ die motivierten Unternehmer im Unklaren.

Da sich Frau Kensy mit ihren Mitstreitern trotz der vorhandenen bürokratischen Hürde, nämlich dem Ausbleiben einer Entscheidung des Gartenbauamtes, weiterhin für die Bepflanzung und damit für das Gemeinwohl einsetzte, gehörte sie zu den Nominierten für den „Werner-Bonhoff-Preis-wider-den §§-Dschungel“ 2013.

Update 09/2014:

Bis zum heutigen Tag bepflanzt der Initiativkreis Gerthe die Hochbeete ohne Genehmigung aber mit Duldung der Stadt. Ein ehrenamtlicher Blumenpfleger, Herr Günther Dehnert kümmert sich zusammen mit seinem Sohn Marc um die Pflege der Beete. Seit sich Herr Dehnert um die Pflege der Beete kümmert, kommt es nur selten zur Verunreinigung der Beete. Das Geld für die Bepflanzung wird von Bürgern und Anwohner zur Verfügung gestellt. So spendete etwa die ehemalige Geschäftsfrau aus der Gerther Fußgängerzone Gisela Schneider einen hohen Betrag, um die Gerther Geschäftsleute des Initiativkreises in ihrem Engagement für die Attraktivität der Fußgängerzone zu unterstützen.

Update 08/2015:

Mittlerweile ist Frau Kensy erste Vorsitzende des Initiativkreis Gerthe e.V. (kurz InGe). Die Bepflanzung der Blumenkübel war das erste Projekt des InGe e.V., die Resonanz der Bevölkerung sehr positiv und die ehrenamtlichen „Gärtner“, allen voran Herbert Dehnert und sein Sohn Marc werden vor Ort gefeiert und sind überall willkommen.

Zwar hat das Grünflächenamt nach wie vor keine offizielle Genehmigung hierfür erteilt oder eine offizielle Stellungnahme abgegeben, die Stadt überließ der InGe zuletzt jedoch wiederholt Blumen vom Stadtfest für die Blumenkübel.

Zudem wurde aufgrund von neuen Vorschlägen des InGe e.V. eine zehn-köpfige Delegation der Bezirksvertretung zu einer Ortsbegehung entsandt, bei der weitere vorgeschlagene Verbesserungen für die Fußgängerzone beurteilt werden sollten (Spielgeräte, Sitzbänke, Radständer, Versetzen von Betonpollern, Verlegung des Wochenmarktes etc.) und teilweise sogar sofort umgesetzt wurden. Ein deutliches Zeichen dafür, dass der InGe e.V. nun mehr von der Stadt auf Augenhöhe wahrgenommen wird.

Ein weiteres neues Projekt ist die Verschönerung der Fußgängerzone durch bunt eingestrickte Bäume, gemeinsam mit der benachbarten Peter-Petersen-Schule.

 

Weitere Informationen zu dem Thema:

Artikel in der WAZ vom 01.09.2015: Aufbegehren gegen Bürokratismus

Artikel in der WAZ vom 18.10.2013: Geschäftsleute gärtnern selbst

Artikel in der WAZ vom 11.09.2012: Fußgängerzone fehlen Flair und Kaufkraft

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