„Werner-Bonhoff-Preis“ Gewinner 2019
Oliver Blume, Boxhotel GmbH Hannover, Niedersachsen

Streit um die unterschiedliche Anwendung baurechtlicher Zulässigkeit von „Schlafboxen“

Oliver Blume ist geschäftsführender Gesellschafter der Boxhotel GmbH. Das von ihm patentierte Konzept offeriert den Gästen in kleinen, jedoch sehr effizient gestalteten fensterlosen Zimmern, sog. Schlafboxen, zu übernachten. Da das Hotelkonzept in Göttingen problemlos genehmigt wurde und erfolgreich lief, mietete der Unternehmer auch in Hannover geeignete Gewerberäume an, um diese zu einem Boxhotel umzubauen. In der Erwartung, dass – aufgrund Geltung derselben Landesbauordnung – auch in Hannover ein positiver Bescheid folgen würde, stellte Herr Blume am 08.12.2017 beim zuständigen Bauordnungsamt einen Antrag auf Nutzungsänderung. Doch anders als Göttingen, erachtete die Stadt Hannover zu Herrn Blumes Überraschung sein Vorhaben als nicht genehmigungsfähig. Gegen diese Entscheidung setzte sich Herr Blume zur Wehr, nahm ein zähes Widerspruchs- und sodann noch Gerichtsverfahren in Kauf. Am 25.01.2019 entschied das Verwaltungsgericht Hannover, dass ihm die beantragte Nutzungsänderung von der Stadt gewährt werden müsse.

Der Fall verdeutlicht die für Unternehmer häufig nerven- und kräftezehrenden Folgen, wenn sich Behörden schwer damit tun, gängige Vorschriften auf innovative Ideen anzuwenden und macht ebenfalls sichtbar, dass bei vergleichbaren Sachverhalten und denselben anzuwendenden (Landes-)Vorschriften ein Austausch zwischen den Behörden sinnvoll und zur Ressourcenschonung wünschenswert wäre.

Herr Blume, der in der Vergangenheit bereits erfolgreich die „easyApotheke“ gründete, findet Gefallen an der Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle, die dem Kunden einen echten Mehrwert bringen. Die Idee von der neuen Hotelkategorie war für den Entrepreneur nahezu logisch: Denn während günstige Reisetickets in Zeiten von Flixbus & Co. mannigfach angeboten werden, fehlt es oftmals an günstigen Schlafgelegenheiten in Innenstadtlage.

Da sich Hotelpreise jedoch nach der Quadratmeterzahl orientieren, entwickelte Herr Blume ein günstiges und neuartiges Nutzungskonzept für die Übernachtung in sog. Schlafboxen. Durch effiziente Raumnutzung wird auf nur 4,2 bis 5,3 Quadratmetern ein komfortables Raumgefühl erzeugt. Die Räume verfügen über kein Fenster, werden jedoch durch ein eigens entwickeltes Lüftungssystem, mit stündlich bis zu 45 cbm Frischluft, versorgt. Manuell kann über eine Leuchte Farbtemperatur und Lichtintensität eingestellt werden. Die Flure verfügen über eine Tageslichtsimulation. In den Boxen befinden sich eine Schlaf- und Waschmöglichkeit sowie eine eigene Dusche. Eigene Toiletten gibt es in den Boxen nicht. Diese existieren nur in Form von Gemeinschaftstoiletten, die sich zentral am Eingang des Hotels befinden. Der klassische Rezeptionsbetrieb wird durch eine App am Handy ersetzt, über die der Gast selbständig ein- und auscheckt. Es gibt weder einen Frühstücksraum noch eine Küche zur Selbstversorgung. Lediglich am Eingang des Hotels befindet sich eine Lounge und ein Snackautomat, die die Gäste nutzen können.

Mit seinen Schlafboxen bietet Herr Blume eine einfache Unterkunftsmöglichkeit für Reisende an, die eine saubere Schlafmöglichkeit ohne weiteren Komfort suchen. Je nach Box zahlt der Gast zwischen 24,99 und 34,99 EUR (plus 7,99 EUR Aufpreis bei einer Doppelbelegung). Zielkunden des Boxhotels sollen u.a. Traveller, Geschäftsreisende, Messebesucher und -aussteller, aber auch übermüdete Reisende und überregional beheimatete Gäste von Spätevents sein, die einen kurzen und günstigen Aufenthalt in Innenstadtlage bevorzugen.

Wie Herr Blume mitteilt, haben bereits 30.000 Gäste in den Boxen übernachtet und ca. 5000 dieses in in entsprechenden Online-Portalen positiv bewertet.

Erstes BoxHotel Deutschlands 2017 in Göttingen eröffnet

Nach 18 Monaten Entwicklungs- und Genehmigungszeit eröffnete Herr Blume im Mai 2017 zunächst das erste „Box-Hotel“ im niedersächsischen Göttingen. Bereits im November desselben Jahres wurde er für seine Idee mit dem 3. Platz des Innovationspreises des Landkreises Göttingen ausgezeichnet.

Da das Schlafbox-Konzept am Standort Göttingen erfolgreich läuft und von den zuständigen Behörden problemlos genehmigt wurde, entschied sich der Unternehmer, das Geschäft zu erweitern und in die Landeshauptstadt Hannover zu expandieren, aus der er selbst stammt.Hierfür fand er schon seit längerem leerstehende Räume in Nähe des Hauptbahnhofs Hannover, mit einer Fläche von 1200 qm, die er für eine Laufzeit von 15 Jahren anmietete. Im selben Häuserblock befinden sich u.a. ein Kino, eine Tanzschule, eine Kindertagesstätte sowie von der Stadt selbst genutzte Büroräume.

Nutzungsänderung: Vom medizinischen Labor zur Beherbergungsstätte

Da sich in den angemieteten Räumen zuvor ein medizinisches Labor befand, stellte der Herr Blume am 08.12.2017 einen Antrag zur Nutzungsänderung eines medizinischen Labors in eine „Beherbergungsstätte ohne gastronomisches Angebot“. Bereits in diesem Antrag war das ausführliche Konzept des Unternehmers offensichtlich, nämlich dass die Schlafboxen keine Fenster haben werden. Im Boxhotel Hannover sollen 104 jeweils 3,58 m hohe Schlafboxen mit 208 Betten entstehen. Wie Herr Blume mitteilte, gab es vorab ein Gespräch mit den führenden Mitarbeitern des Bauamtes, die eine Baugenehmigung in Aussicht stellten.

Anfang Februar 2018 forderte die Behörde Unterlagen zum Brandschutz nach, dem Herr Blume unverzüglich nachkam. Das von der Stadt Hannover geprüfte Brandschutzkonzept sieht Rettungswege ohne Inanspruchnahme von Fenstern und eine Abweichung von bauordnungsrechtlichen Anforderungen vor. Bedenken hinsichtlich einer grundsätzlichen Unzulässigkeit seines Vorhabens wurden in dieser Zeit von Seiten der Behörde nicht kenntlich gemacht.

Im Mai 2018 übersandte der Rechtsbeistand von Herrn Blume der Behörde noch eine schriftliche Stellungnahme zur Rechtslage selbst. Ziel sollte sein, das Bauvorhaben anhand aller bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu beleuchten und darzulegen, warum das Boxhotel zu genehmigen sei.

Überraschung für Unternehmer: Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig

Am 27.06.2018 erhielt Herr Blume jedoch zu seiner Überraschung einen Ablehnungsbescheid der Stadt, mit der Begründung, dass sein Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei.
Nach Ansicht der Stadt handele es sich bei den geplanten Schlafboxen um Aufenthaltsräume nach § 2 Abs. 8 Niedersächsische Bauordnung (NBauO) die gem. § 43 Abs. 3 NBauO „unmittelbar ins Freie führende Fenster von solcher Zahl, Größe und Beschaffenheit haben müssen, dass die Räume das erforderliche Tageslicht erhalten und zweckentsprechend gelüftet werden können (notwendige Fenster)“. Dieses sei bei den fensterlosen Boxen gerade nicht der Fall. Zwar existiert in § 43 Abs.5 NBauO eine gesetzliche Ausnahme für Aufenthaltsräume, die nicht dem Wohnen dienen, hier vertrat die Stadt jedoch die Auffassung, dass jene Ausnahme nur für Räumlichkeiten gelte, bei denen sich aufgrund der Nutzungsart, der Einbau von Fenstern geradezu verbietet (z.B. Theater, Lichtspielhäuser oder Dunkelkammern).

§2 NBauO
(8) Aufenthaltsraum ist ein Raum, der zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet ist.

§ 43 NBauO – Aufenthaltsräume –
(5) Aufenthaltsräume, die nicht dem Wohnen dienen, brauchen die Anforderungen der Absätze 3 und 4 nicht zu erfüllen, soweit durch besondere Maßnahmen oder Einrichtungen sichergestellt wird, dass den Anforderungen des § 3 entsprochen wird und die Rettung von Menschen möglich ist.

Mit der Frage, ob der Übernachtungsaufenthalt in den Schlafboxen tatsächlich ein Wohnen im Sinne der Vorschrift vorliegt, setzte sich die Stadt nicht erkennbar auseinander und legte die Vorschrift des § 43 Abs.5 NBauO demzufolge sehr eng aus.

Weiterhin teilte die Stadt Hannover mit, dass auch die für Sonderbauten möglichen gesetzlichen Erleichterungen oder Abweichungen (§ 51, 66 NBauO) nicht zugelassen werden könnten, weil dieses die (grundsätzliche) Option eröffnen würde, fensterlose Gebäude und Kellergeschosse in Hotels bzw. Beherbergungsbetriebe umzuwandeln (Präzedenzfall).

Widerspruch gegen den Bescheid der Stadt

Am 06.07.2018 legte Herr Blume Widerspruch gegen die Behördenentscheidung ein. Er machte geltend, dass die Schlafboxen keine Aufenthaltsräume seien – und wenn dann dienen sie nicht dem Wohnen – weil sie weder aufgrund ihrer Größe noch ihrer Ausstattung nach geeignet wären, um sich dort – dem gebräuchlichen Wortsinn entsprechend – „länger aufzuhalten“. Die Boxen dienten lediglich dem Schlafen und einer grundlegenden Hygiene. Die fehlenden Toiletten in den Boxen und das fehlende gastronomische Angebot verdeutlichten dies.

Darüber hinaus verfolge § 43 Abs. 3 NBauO mit dem Erfordernis von unmittelbar ins Freie führenden Fenstern drei Zwecke: nämlich eine ausreichende Belichtung, einen Schutz vor Bränden (Fluchtweg) und eine ausreichende Belüftung sicherzustellen. Die Erfüllung dieser Zwecke sei aber durch das erarbeitete und von der Behörde geprüfte Brandschutzkonzept auch ohne Fenster gewährleistet. Der vom Gesetzgeber gedachte Schutzzweck der Vorschrift sei somit durch sein Konzept nicht gefährdet.

Bauordnungsamt bleibt bei seiner Entscheidung: Gäste würden in fensterlosem Hotel auch psychisch und sozial belastet

Anfang September 2018 informierte das Baudezernat der Stadt Hannover darüber, dass es den Widerspruch mit Bitte um Überprüfung der seitens der Stadt vertretenen Rechtsauffassung an das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz übergeben habe. Nur wenige Wochen später erhielt Herr Blume den Widerspruchsbescheid, in dem sich die Stadt Hannover erneut auf ihre Erwägungen im Ausgangsbescheid stützte und ihre Entscheidung somit bestätigte: der Nutzungsänderungsantrag von Herrn Blume blieb nicht genehmigungsfähig.

So hieß es im Widerspruchsbescheid, dass das Vorhaben den Anforderungen an Aufenthaltsräume nicht erfülle. Ein Schlafraum würde nicht erst dann zu einem Aufenthaltsraum, wenn er dazu geeignet sei. Es genüge, wenn der Raum nach dem subjektiven Willen des Bauherrn diesem Nutzungszweck diene. Dass in den Boxen geschlafen werde, sei schließlich unstreitig. Irrelevant sei auch, dass kein klassischer Hotelbetrieb vorliegt, denn die Zimmer stünden den Nutzern sowohl tags- als auch nachtsüber zur Verfügung, so dass man sich auch – ohne darin schlafen zu müssen- in der Box aufhalten könne.
Hinsichtlich der Ausnahmeregelung (§ 43 Abs. 5 NBauO) müsse auf den Zweck und nicht auf den reinen Wortlaut der Norm abgestellt werden.

Weiterhin führte die Stadt nunmehr aus, dass auch das Fehlen von Tageslicht im BoxHotel nicht mehr das Mindestmaß an Erträglichkeit erfülle. Hierzu beruft sie sich auf § 47 Abs.3 der MBO, in der an, in der „Aufenthaltsräume, deren Nutzung eine Belichtung mit Tageslicht verbietet, sowie Verkaufsräume, Schank- und Speisegaststätten, ärztliche Behandlungs-, Sport-, Spiel-, Werk- und ähnliche Räume“ ohne Fenster zulässig sind.

Die dort genannten Räume sollen die Hauptanwendungsfälle des § 43 Abs.5 NBauO als der § 47 Abs.3 MBO gleichwertigen Vorschrift bilden. Die geplante Nutzung des Boxhotels als Beherbergungsbetrieb sei jedoch kein Fall von § 43 Abs.5 NBauO, da das Boxhotel keinem der genannten Beispiele ähnele und auch die Nutzungsart mit den beispielhaften Nennungen nicht vergleichbar sei.

Aufgrund dieser Argumentation ist davon auszugehen, dass die Stadt den gesetzgeberischen Willen derart interpretierte, dass wenn keine mit einem fensterlosen Beherbergungsbetrieb vergleichbare Nutzungsart explizit genannt wird, diese auch nicht vorgesehen seien bzw. der Gesetzgeber diese Fälle nicht regeln wollte.

Weiterhin führte die Stadt aus, dass der Gast durch fehlende Fenster sowohl in psychischer als auch in sozialer Weise belastet werde und dieses weder durch ein Lüftungssystem noch künstliches Tageslicht beseitigt werden könne, sei der Einbau von Fenstern – aus Gründen gesundheitlicher Wohnverhältnisse – notwendig. Ferner hätte Herr Blume keinen Rechtsanspruch auf die Gestattung einer Erleichterung, sondern lediglich einen Anspruch auf fehlerfreies Ermessen. Dieses habe die Stadt pflichtgemäß ausgeübt. Mit dem Verzicht auf Fenster würde der Unternehmer ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolgen, welche jedoch nicht zu einer atypischen Bausituation führten.

Stattdessen schlug die Behörde dem Unternehmer vor, dass er sein Hotel gern betreiben könne, nur eben nicht wie geplant. Die Räumlichkeiten hätten schließlich Fenster, so dass er die Zimmer mit einer größeren Fläche und einer geringeren Bettenanzahl realisieren könne.

Konzept durch Behörde verkannt?

Dieser Lösungsvorschlag der Behörde verstärkt den Verdacht, dass die Stadt die Innovation von Herrn Blume missverstanden hat. Denn Herr Blume will gerade keine typischen Hotelzimmer schaffen, die es in Hannover bereits gibt. Das Hauptaugenmerk liegt vielmehr darauf, sich der Veränderung des Tourismus und dem Reisenden anzupassen und sich auf das Grundbedürfnis „Schlafen“ zu konzentrieren. Durch das Konzept sollen günstige Übernachtungsmöglichkeiten in Innenstadtnähe ermöglicht werden. Diese lassen sich aber nur erreichen, wenn die Zimmergröße entsprechend klein ist.

Betrachtet man Herrn Blumes Übernachtungskonzept, so stellt man auch fest, dass das fensterlose Schlafen selbst kein neues Phänomen ist. Bereits in anderen Ländern, z.B. in Japan, ist das Schlafen in derartigen Räumen üblich. Doch nicht nur im Ausland oder an Flughäfen ist fensterloses Nächtigen möglich: Selbst das Berliner Hotel „ParkInn“ am Alexanderplatz bietet auf einer (deutlich größeren) Raumgröße von 35 qm sog. „Colour Suiten” an. Auch diese Suiten verfügen über kein Fenster, sondern lediglich über ein intelligentes Belichtungssystem. Neben dem Schlafraum existieren weitere Zimmer, die alle ohne Fenster auskommen. Wenngleich in Berlin eine andere Bauordnung gilt, so muss doch festgestellt werden, dass auch dort fensterlose Hotelzimmer augenscheinlich zugelassen worden sind.

Schablonenhafte Anwendung von Vorschriften?

Im Fall des Boxhotels wird der Eindruck erweckt, dass die Behörde das Gesetz schablonenhaft angewendet und sich mit dem neuartigen Schlafkonzept im Kern wenig auseinandersetzt hat. Das Argument, dass der Gesetzgeber ein solches Konzept nicht regeln wollte, vermag nicht zu überzeugen. Vielmehr ist es so, dass weil es sich um ein neuartiges Konzept handelt, der Gesetzgeber ein solches im Vorfeld nicht gesetzlich denken konnte. Auch können die in den Vorschriften aufgeführten Nutzungskonzepten lediglich als Beispiele verstanden werden, die nicht abschließend zu verstehen sind. In der Regel wählt der Gesetzgeber gerade für solche Fälle offene Formulierungen, um bestmöglich auf Veränderungen reagieren zu können.

Weiterhin erscheint bereits fraglich, ob die Stadt Hannover ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. So trug diese im Widerspruchsbescheid lediglich vor, dass eine Genehmigung deshalb nicht erteilt werde, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. Als Begründung hierfür wurden dabei lediglich die Möglichkeiten für erhebliche finanzielle Gewinne angegeben. Insbesondere deshalb drängt sich der Verdacht auf, dass das Bauordnungsamt seine Handlungsmöglichkeiten unterschätzt und bestimmte Anordnungen im Rahmen ihres Auswahlermessens nicht in Betracht gezogen hat, weil sie diese irrtümlich für unzulässig hielt.

Sieg für den Unternehmer vor dem Verwaltungsgericht Hannover

Nachdem der Widerspruch von Herrn Blume keinen Erfolg hatte, legte dieser Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht in Hannover ein, das am 25.01.2019 in der Sache entschied, dass die Stadt das fensterlose Box-Hotel genehmigen müsse (Az. 4 A 6166/18). Im Verfahren ging es u.a. um die Frage, ob die fensterlosen Schlafboxen als Aufenthaltsräume (Wohn- und Schlafräume) zu gelten haben und ob das vorliegende Brandschutzkonzept ausreichend sei.

Das Gericht teilte zwar die Auffassung der Stadt, dass es sich bei den Schlafboxen um Aufenthaltsräume (§ 2 Abs. 8 NBauO) handele, stellte jedoch klar, dass diese nicht dem Wohnen dienten und somit die Ausnahmeregelung des § 43 Abs.5 NBauO eröffnet sei. Denn „wohnen“ würde eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit voraussetzen, die durch die Möglichkeit einer eigenständigen Haushaltführung gekennzeichnet sei. „Dieses setze bei Beherbergungsbetrieben vor allem eine eigene Kochgelegenheit für die Zubereitung von Speisen voraus, die eine gewisse Unabhängigkeit von der Inanspruchnahme von Gemeinschaftsräumen, wie Frühstücksraum oder Speisesaal gewährleistet. Beschränkt sich die Zimmernutzung, wie bei dem Boxhotel, auf die reine Übernachtungsmöglichkeit, so ist der Gast ausstattungsbedingt auf die Inanspruchnahme weiterer Dienstleistungen angewiesen“, heißt es in dem Urteil.

Auch sei dem Gast – sofern er dies wünscht – grundsätzlich ein kurzzeitiger Aufenthalt in einem Raum ohne Tageslicht zuzumuten. Die für den dauerhaften Aufenthalt entwickelten Grundsätze an gesunde Wohnverhältnisse wären nach Ansicht der Kammer nicht auf das Boxhotel anwendbar. Gäste der Schlafboxen täten dies in Kenntnis der Beengtheit und tageslichtfreien Belichtung.

Die Brandschutzfachleute, die im Rahmen des Gerichtsverfahrens gehört wurden, teilten mit, dass sie das Brandschutzkonzept des Boxhotels als völlig ausreichend bewerteten und dass an ein solches Vorhaben keine höheren Anforderungen gestellt werden dürften, als an ein Hochhaus – dort dienten Fenster im Brandfall ebenfalls nicht der Rettung von Menschen, da diese mit den Rettungsleitern der Feuerwehr nicht erreichbar seien.

Auch deshalb, so argumentierte die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts weiter, müsse letztendlich von einer Reduktion des Ermessens und somit dem Anspruch auf Gestattung der Abweichung ausgegangen werden, da nur hierin die einzig denkbare, fehlerfreie Ermessensausübung liege.

Aussichten für den Unternehmer

Dieses positive Urteil nahm Herr Blume zum Anlass, Ende Februar 2019 an der Bürgersprechstunde des Oberbürgermeisters teilzunehmen, weil zu diesem Zeitpunkt nicht ersichtlich war, ob die Stadt gegen das Urteil noch in Berufung gehen würde. Herr Blume berichtete uns von einem konstruktiven Gespräch, bei dem ihm der Oberbürgermeister zumindest insoweit seine Hilfe angeboten habe, Rücksprache mit den entsprechenden Stellen zu halten. Am 07.03.2019 erhielt der Unternehmer zu seiner Überraschung ein Schreiben der Landeshauptstadt Hannover, mit der Mitteilung, dass diese von Ihrem Rechtsmittel keinen Gebrauch machen werde. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.

Herr Blume, der während des 15 Monate andauernden Verfahrens, das brachliegende Boxhotel aus privaten Rücklagen finanziell abfangen konnte, kritisiert, dass ein junges Start-up ohne eigene Rücklagen in derselben Situation kaum eine Chance gehabt hätte, auf dem Markt so lange durchzuhalten.

Neben seinem Hotelprojekt in Hannover, dass nun vermutlich im Spätsommer 2019 eröffnen wird, bemüht er sich um weitere Boxhotels in Bremen, Hamburg, Bielefeld und München.

Stand der Falldarstellung: 04/2019


Einige Presseberichte zum Fall:

Neue Presse vom 20.10.2017: Schlafen in der Box: Neues Hotelkonzept in Hannover
Neue Presse vom 08.07.2018: Boxhotel: Stadt lehnt Konzept ab
Hannoversche Allgemeine vom 19.09.2018: Endgültiges Aus für Box-Hotel in Hannover
Hannoversche Allgemeine vom 27.01.2019: Stadt darf fensterlose Hotels nicht verbieten
Neue Presse vom 15.12.2019: „Boxhotel“:Übernachten ohne Fenster sehr gefragt

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