Nominiert 2022: David Erler , Countertenor, Leipzig

Foto: Björn Kowalewsky

Konzertsänger macht mit Online-Petition Vorschläge für bessere „Corona-Hilfen“ für Künstler und Freiberufler in der Pandemie

Herr Erler wurde mit dem hier dargestellten Fall für den Werner-Bonhoff-Preis-wider-den-§§-Dschungel 2022 nominiert.

Für freie Künstler und Solo-Selbständige in der Veranstaltungsbranche wurde die Corona-Pandemie ein Kampf um die eigene berufliche Existenz. Betroffen hiervon war auch der freiberufliche Konzertsänger David Erler. Die von den Bundes- und Landesregierungen generierten Finanzhilfen und Unterstützungen konzentrierten sich im Wesentlichen auf Unternehmen mit vielen Angestellten. Die prekäre Lage freiberuflicher Kunstschaffender wurde dabei kaum berücksichtigt.

Gleich zu Beginn der Pandemie entwarf Herr Erler eine Online-Petition, um Vorschläge für geeignete Hilfen zu formulieren.

Nach kurzer Zeit zeichneten bundesweit knapp 300.000 Unterstützer seine Petition und er wurde somit zu einem wichtigen Sprachrohr, um bessere staatliche Hilfen für diese Berufsgruppen in die Wege zu leiten.

Herr Erler macht mit seinem Fall und seinem Engagement eines sichtbar: nämlich, dass die vielfach nach außen kommunizierte „schnelle finanzielle Unterstützung“ gerade für freischaffende Künstlerinnen und andere Solo-Selbständige zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht waren, weil viele der auf den Weg gebrachten Unterstützungspakete am Ziel vorbeigingen.

Daneben machte der Konzertsänger diverse Vorschläge, wie man diesen Berufsgruppen in kürzerer Zeit, auch in finanzieller Hinsicht effektiver helfen könnte, ohne sie in die Grundsicherung (Hartz IV) drängen zu müssen.

David Erler ist freiberuflicher Konzertsänger (Altus). Nach seinem Gesangsstudium an der Leipziger Musikhochschule, ist er als Solist und Barockspezialist auf den europäischen Bühnen unterwegs. Daneben arbeitet er, ebenso freiberuflich, als Herausgeber von Notenausgaben für einen Musikverlag. Er ist Hauptverdiener für sich und seine Familie mit zwei Kindern.

Der erste Corona-Lockdown wurde am 16. März 2020 beschlossen und trat am 22. März 2020 in Kraft. Dieser sorgte dafür, dass nahezu alle Veranstaltungen abgesagt wurden, wobei zu diesem Zeitpunkt noch keiner wusste, wie lange man mit den behördlich angeordneten Einschränkungen würde leben müssen. Einnahmen blieben aus, Lebenshaltungskosten fielen weiter an.

Gleich zu Beginn der Pandemie startet er eine Online-Petition

Bereits eine Woche vorher, am 11.03.2020, am Tag als Herrn Erler die ersten Konzertabsagen erreichten, startete er am selben Nachmittag eine Online-Petition, gerichtet an das Bundesfinanzministerium. Also noch bevor die ersten finanziellen Hilfspakete des Bundes überhaupt erlassen wurden.

Dieses geschah, so berichtet er, aus einem ersten und spontanen Impuls heraus. Er formulierte seine Sorgen und Ängste, um sichtbar zu machen, auf welche Gefahren Solo-Selbständige möglicherweise hinsteuern würden. Denn bereits damals hatte er die Befürchtung, dass die von staatlicher Seite in Aussicht gestellten finanziellen Unterstützungen nur bei Banken, Großunternehmen u.ä. ankommen würden. Vor allem aber wollte er Aufmerksamkeit für seine Berufsgruppe wecken und schon zu diesem frühen Zeitpunkt darauf hinweisen, dass mit der zu befürchtenden Absage aller Großveranstaltungen, vielen Beteiligten auf einen Schlag sämtliche Einkünfte und damit die wirtschaftliche Existenz wegzubrechen drohte. Deshalb müssten nach den sich abzeichnenden schnellen staatlichen Verordnungen, ebenso schnelle staatliche Finanzhilfen auch für Freiberufler und Solo-Selbständige wie ihn folgen.

Erste finanzielle Hilfspakete in Form der Soforthilfe kommen

So erließ der Bund zum Beginn der Pandemie dreierlei Finanzhilfen, mit denen auch Selbständige und Unternehmen die Folgen der erlassenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für ihren Betrieb zum Teil ertragen können sollten.

– die sog. Soforthilfe – ein nicht rückzahlbarer Betrag zum Ausgleich von Umsatzausfällen, die unmittelbar auf die Corona-Krise zurückzuführen sind

–  KfW-Absicherung für Kredite

–  Erleichterter Zugang zur Grundsicherung (HartzIV) für die Selbständigen, die trotz der ersten beiden Maßnahmen ihre Lebenshaltungskosten nicht mehr selbst bestreiten können.

Hierzu wurde am 16.03.20 mit dem „Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung … aufgrund des Corona-Virus … (Sozialschutz-Paket)“ § 67 ins SGB II eingeführt, das den Hartz IV-Bezug regelt. Das Gesetz hatte sich zunächst auf Hartz IV-Anträge bezogen, die bis Ende Juni 2020 gestellt wurden und sollte das Antragsverfahren vereinfachen. Ebenfalls entfiel eine Vermögensprüfung während der Antragstellung, sofern der Antragsteller erklärte, dass kein „erhebliches Vermögen“ besteht.

Am 23.  März 2020 wurden seitens des Bundes umfassende zusätzliche Maßnahmen mit Soforthilfen von angeblich bis zu 50 Milliarden Euro für kleine Unternehmen, Solo-Selbstständige und Angehörige der Freien Berufe vorgelegt, damit Unternehmer über die Zeit des Lockdowns überlebensfähig bleiben und ihr Einkommen und ihre Existenz sichern konnten.

Doch im Zuge der Pandemie stellte sich immer mehr heraus, dass die gemachten Regeln möglicherweise gut gemeint, aber nicht gut gemacht waren.

So gab es keinen Rechtsanspruch auf die Hilfen, zudem war die vom Bund generierte Bundes-Soforthilfe als reine Hilfe zur Aufrechterhaltung des Betriebs gedacht. Aus der Bundes-Soforthilfe durften keinerlei „private“ Kosten der Lebenshaltung bestritten werden, sondern nur für die Betriebskosten.

Doch insbesondere Soloselbständige wie Herr Erler, die kaum laufende Betriebsausgaben haben, weil es ihnen an u.a. an Mitarbeitern oder extra angemieteten Räumlichkeiten fehlt, konnten gerade zum Anfang der Pandemie die versprochenen Hilfen kaum geltend machen, bzw. mussten diese – teilweise nach Änderung der Antragsvoraussetzungen – wieder zurückzahlen. Weder muss der Konzertsänger für ein Studio oder ein Büro zahlen, noch hat er große betriebliche Anschaffungen usw.

Durch die getroffenen Maßnahmen des Bundes und der Länder und der damit einhergehenden Veranstaltungsverbote, hatte Herr Erler nicht einmal die typisch anfallenden Reisekosten. Die abgesagten Konzerte wiederum erbrachten keine Honorare, aus denen er sonst zum Großteil seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie sicherstellt.

Diese Ausgaben – für den privaten Lebensunterhalt – wurden jedoch in den Zuschussprogrammen des Bundes nicht mitberücksichtigt, sondern nur Liquiditätsengpässe in den Betriebskosten. „Es gibt keine Einkünfte mehr, aber die Ausgaben und Verbindlichkeiten laufen natürlich weiter. Ich bin Alleinverdiener für meine Familie mit zwei Kindern. Wir müssen unseren Lebensunterhalt davon bestreiten und das fällt vollständig aus“, berichtet er.

Für alle übrigen Ausgaben, die nicht zu den Betriebskosten zählen, wurden Solo-Selbständige auf die sog. Grundsicherung (Hartz-IV) verwiesen.



Info: Grundsicherung/Hartz IV: Die Grundsicherung, auch Arbeitslosengeld II genannt soll in Not geratenen arbeitswilligen und arbeitsfähigen Menschen das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Sicherung der Existenz gewähren. Gesetzliche Grundlage ist das Sozialgesetzbuch II (SGB II). Die Jobcenter sind Träger für diesen Zweck und beraten die Antragsteller zur „Wiedereingliederung“ in das reguläre Arbeitsverhältnis. Wichtigster Zweck ist jedoch der Erhalt von Leistungen zum Lebensunterhalt, sofern diesen nicht oder nur teilweise selbst aufgebracht werden können.



Der Konzertsänger ist einer der 2,2 Millionen sogenannten Solo-Selbständigen im Land, also Selbständigen ohne Mitarbeiter. Dazu zählen oft Fotografen, Künstler, Journalisten, Stadtführer oder Beschäftigte in der Veranstaltungsbranche. Viele sind auf eine schwankende Auftragslage vorbereitet – jedoch nicht auf einen langanhaltenden, völligen Stillstand.

Für Herrn Erler ist der Verweis auf die Grundsicherung jedoch ein falscher Ansatz. Er kritisiert: „Da werden die Tatsachen verdreht“, sagt der Freiberufler, „wir sind nicht arbeitslos oder arbeitssuchend, sondern als Künstler unterliegt man einem staatlich ausgerufenen Berufsausübungsverbot“. In der Zeit, wo er dem Veranstaltungsverbot unterliegen würde, wäre er nicht untätig, sondern bilde sich fort, plane kommende Veranstaltungen. Er als Sänger müsse täglich üben, um in Form zu bleiben, um hinterher irgendwann wieder auftreten zu können. Die Arbeit, also das „Vorbereiten“ auf einen Auftritt, wird nicht honoriert. Honoriert wird nur der Auftritt welcher durch das Veranstaltungsverbot ja „gecancelt“ wird.

All das würde jedoch in den Hilfs- und Maßnahmenpaketen nicht abgebildet werden.

Der Weg, die Solo-Selbständigen in die Grundsicherung zu drängen, dürfe, selbst wenn die Zugänge vereinfacht worden seien, nicht der Weg sein. Das Problem sei, dass die bestehenden Maßnahmen nicht die für Künstler charakteristische Verquickung von Privatem und Beruflichem berücksichtigt hätten. Dass Künstler nun de facto in die Arbeitslosigkeit abgeschoben werden, sei nicht nur eine Frage der Künstler-Ehre, sondern könne bedeuten, dass man die Grundsicherung von späteren Honoraren teilweise zurückzahlen müsse.

Viele der Betroffenen konnten die Grundsicherung aber auch gar nicht erst beantragen, weil sie gewissenhaft für das Alter vorgesorgt haben und nun, unter Geltung von Hartz IV, zunächst ihre Rücklagen angreifen mussten. Zwar war zunächst beim Antrag auf Grundsicherung die Vermögensprüfung in den nächsten sechs Monaten ausgesetzt. Wer jedoch den „vereinfachten“ Antrag stellt, muss erklären, dass er oder sie über kein „erhebliches Vermögen“ verfügt. 60.000 Euro für den Antragsteller und 30.000 Euro für weitere Angehörige der Bedarfsgemeinschaft gelten dabei bereits als erhebliches Vermögen.

Normalerweise hat der Sänger gerade in der Passionszeit die meisten Engagements und erwirtschaftet hier bis zu einem Drittel seines gesamten Jahreseinkommens, womit er den Lebensunterhalt seiner Familie finanziert. Weil gerade diese Konzerte an bestimmte Termine gebunden sind, war es dem Sänger nicht möglich, diese zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen, so dass ihm ein fünfstelliger Betrag – ersatzlos – verloren ging.

Die Pandemie brach gerade in der Kulturbranche in mehreren Wellen über die Betroffenen herein. Nicht nur unmittelbar mit Lockdown selbst, in dem Auftrittsmöglichkeiten verloren gegangen und Aufträge eingefroren wurden, weil es nur bedingt ein nachholendes Geschäft gibt. Darüber hinaus brachen durch Veranstaltungsverbote etwaige Vertriebs- und Akquisemöglichkeiten weg.

In kürzester Zeit zeichnen Online-Petition fast 300.000 Menschen

Herrn Erlers Petition „Hilfen für Freiberufler und Künstler“, wurde in kurzer Zeit von mehr als 290 000 Menschen mitgezeichnet. Nachdem das erste Maßnahmenpaket der Regierung für Solo-Selbstständige und Freiberufler unzureichend war, ergänzte der Konzertsänger seine Petition und forderte von der Bundes- und den Landesregierungen, sich bei den angedachten Finanzhilfen und Unterstützungen nicht nur auf Unternehmen und Firmen sowie deren Angestellte, also v.a. abhängig Beschäftigte zu konzentrieren, sondern vor allem auch die mitunter wesentlich prekärere Lage der o.g. Freiberufler/Kunstschaffenden zu berücksichtigen.

Nach und nach wurden die finanziellen Hilfspakete immer weiter angepasst, gleichwohl erreichten die Hilfen die Betroffenen meist nicht. Deshalb besserte Herr Erler seine Petition laufend nach und formulierte einige Lösungsansätze, wie in seinen Augen, Künstlern und anderen Solo-Selbständigen schneller und effektiver geholfen werden könnte. So wurden unter anderem Hilfsfonds zum schnellen Ausgleich entfallender Honorare und unbürokratische Überbrückungsgelder wie zum Beispiel ein vorübergehendes bedingungsloses Grundeinkommen von ihm gefordert.

In der Petition heißt es: „Wir brauchen sofortige Finanzhilfen für Freiberufler und Menschen aus der Kreativszene, z.B. in Form von

  • Unbürokratischen Überbrückungsgeldern z.B. in Form eines temporären (bedingungslosen) Grundeinkommens
  • Hilfsfonds zum schnellen Ausgleich real entfallender Einnahmen, bspw. angebunden an die Künstlersozialkasse (jedoch ausdrücklich NICHT beschränkt auf deren Mitglieder, da alle FreiberuflerInnen gleichermaßen betroffen sind)
  • einer Art Kurzarbeitergeld plus, bei dem die Nettoeinnahmen aus dem letzten vorliegenden Steuerbescheid einer monatlichen Unterstützungszahlung durch die Finanzämter zugrunde gelegt werden. Finanzkredite oder Darlehen, selbst ohne Kopplung an Bonität und aufwendige Bewerbungsverfahren, helfen uns NICHT weiter.“

Bereits zwei Tage nach dem Start seiner Petition hatte der Sänger sein erstes Radiointerview. Darauf folgten weitere Presse-, Funk- und TV-Berichterstattungen. Die Aufmerksamkeit, die er hierdurch erregen konnte, war in seinen Augen auch wichtig. Diese Aufmerksamkeit konnte so auf die Situation der vielen Solo-Selbständigen, Künstler und Kulturschaffenden gelenkt werden.

Auch der Deutsche Musikrat forderte bereits zu Beginn der Pandemie ein auf sechs Monate befristetes Grundeinkommen in Höhe von 1.000 Euro für alle freiberuflichen Kreativschaffenden, was für Herrn Erler Bestätigung und ein wichtiges Zeichen war, dass solche unkonventionellen Lösungen in so einer Zeit das richtige Mittel der Wahl wären. 

Der Konzertsänger erreichte schnell politische Entscheidungsträger, um diese „zum Umdenken“ zu bewegen (www.openpetition.de/coronahilfe ).

Zunächst versprach der Berliner Bürgermeister, Michael Müller, ein „unbürokratisch und schnell umsetzbares“ Zuschussprogramm für alle Solo-Selbstständigen in Berlin aufzulegen. Damit sollten Menschen aus der Kreativbranche, aber auch andere mit jeweils 15.000 Euro unterstützt werden, die durch die bis dahin aufgelegten Förderprogramme gefallen seien beziehungsweise nicht von Steuerermäßigungen profitieren könnten. Auch andere Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Thüringen zogen mit eigenen Landesmitteln nach, um Solo-Selbständigen zu helfen.

In einem seiner Videos vom 21./22. März 2020 zitierte der Sänger eine Aussage des Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, Herrn Markus Söder: „Ganz ehrlich, ich finde dass es nicht richtig ist, da nur Hartz-4 als Alternative anzubieten. Es ist auch einem Kulturstaat wie dem Freistaat Bayern nicht angemessen.“ Herr Erler appellierte daraufhin an alle zuständigen Minister auf Bundesebene: „Ich möchte eine solche Aussage auch aus der Bundespolitik hören! Denn es ist auch einer Kulturnation wie Deutschland alles andere als angemessen, wie derzeit mit tausenden Freiberuflern, KünstlerInnen, Kultur- und Kreativschaffenden umgegangen wird. Bessern Sie nach, vergessen Sie uns Freiberufler, Künstler und andere Kreative nicht, das wäre ein ganz großes Signal was von Ihnen ausgehen könnte.

Gleichzeitig rief er alle Unterstützerinnen und Unterstützer weiterhin dazu auf, sich mit Briefen an ihre Landespolitiker zu wenden, da aufgrund der Veranstaltungs- und Versammlungsverbote, keine Demonstrationen möglich waren und letztlich zu diesem Zeitpunkt nur die Petition blieb, die Stimmen zu bündeln.

Kritik an unterschiedlichen Hilfspaketen

Herr Erler kritisierte, dass sich die Länder-Hilfspakete zum Teil erheblich voneinander unterschieden hätten und die Antragstellung oft nicht so unbürokratisch war, wie sie angekündigt wurde. Zudem hätten manche Bundesländer vor allem auf Kredite und Darlehen gesetzt, die jedoch zurückgezahlt werden müssten. Zudem sei der Bevölkerung suggeriert worden, dass Künstler durch die Maßnahmenpakete geschützt sind, wobei es in großen Teilen nicht der Realität entspräche, weil weiterhin viele Gelder nur für die laufenden Betriebskosten hätten verwendet werden dürfen.

So stellte das Land Nordrhein-Westfalen pauschal und mit wenig bürokratischem Aufwand jedem 2000 Euro zur Verfügung, der Mitglied in der Künstlersozialkasse oder bei einem einschlägigen Verband ist. In Berlin hatte man hingegen versucht, Einnahmeausfälle sogar pauschal mit 5000 Euro abzugelten. Das Ergebnis war, dass die Töpfe innerhalb weniger Tage leer waren, weil in Berlin zu viele freischaffende Künstler wohnen.  Dort hatte man Antragsteller sodann wieder auf das Hilfsprogramm des Bundes verwiesen.

Während das Kurzarbeitergeld (KUG) der abhängig Beschäftigten weiter erhöht wurde, passierte bei den Freiberuflern nichts, was für Herrn Erler eine Ungleichbehandlung darstellt.

Auch der Verband der Gründer und Selbständigen e.V. (VGSD), bei dem Erler Mitglied ist, kritisierte im späteren Verlauf der Pandemie in diesem Zusammenhang: „Das Kurzarbeitergeld beträgt bis zu 3.755 Euro – pro Monat. Es ist keineswegs mehr beitragsfinanziert, sondern wird seit Herbst aus dem Bundeshaushalt bezahlt. Und Selbstständige, die über viele Jahre freiwillig in gleicher Höhe wie Angestellte in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben, erhalten kein Kurzarbeitergeld – in der Corona-Krise oft noch nicht einmal Arbeitslosengeld.“ (Quelle: Link)

Da die Hilfen weiterhin nicht die Arbeits- und Lebenswirklichkeit der Betroffenen abbildeten, verlängerte Erler die Zeichnungsfrist seiner Petition nochmals bis Mitte Mai 2020.

Petition im Juni persönlich übergeben

Daneben engagierte sich der Konzertsänger bei Demonstrationen unter dem Motto „Stumme Künstler“ und hatte am 27.05.2020 zwei der Forderungen verlesen, um nochmals öffentlich auf seine Petition aufmerksam zu machen und persönlich mit anwesenden Politikern (Ministerpräsident Michael Kretschmer und Kulturministerin Barbara Klepsch) zu sprechen.

Am 18.06.2020 übergab Herr Erler in Berlin persönlich seine Petition. Unterstützt wurde der Sänger in dieser Zeit vom Verband der Gründer und Selbständigen in Deutschland (VGSD e.V.), der ihn nicht nur einlud, sich und einige weitere Petitions-Initiatoren bei einer gemeinsamen Videokonferenz miteinander zu vernetzen, sondern auch um die Kräfte zu bündeln und in konzertierter Form noch einmal die Petition vorzustellen.

Auch wenn der Petitionsausschuss letztlich Herrn Erlers Petition mit Verweis auf das bereits erlassene Paket, ablehnte, beschreibt der Künstler rückblickend, dass er in dieser Zeit einfach die richtigen Worte für eine Vielzahl von Betroffenen gefunden hätte und unheimlich dankbar sei, welchen Zusammenhalt und welche Unterstützung er in seiner Berufsgruppe erfahren habe. Dies mache ihn demütig.

Die ersten nützlichen Anpassungen, weg vom reinen Fixkostenersatz, hin zu einem Einkommensersatz gab es laut Herrn Erler jedoch erst in den Hilfsprogrammen ab November 2020 und bei der Neustarthilfe, die für alle Solo-Selbstständigen zugänglich war und auch für den Lebensunterhalt verwendet werden durfte.

Mit seinem Engagement, gleich zu Beginn der Pandemie, hat Herr Erler für Vernetzung und Zusammenhalt gesorgt und konnte dabei mithelfen, dass es bei der November- und den nachfolgenden Hilfen zum ersten Mal eine bessere Regelung für die Solo-Selbständigen gab.

Seine gewonnene Reichweite konnte der Sänger dazu nutzen, um Befragungen zur Situation sowie eine offizielle Bundestagspetition zum Thema entscheidend voranzubringen, aber auch eine Debatte in der Bevölkerung und der Politik anzustoßen, um Verbesserungen für Soloselbständige in der Situation einschneidender behördlicher Maßnahmen auf den Weg zu bringen.

Stand: 15.03.2022

Übersicht der ersten Finanzhilfen während der Corona Pandemie

Soforthilfe (März 2020)

konnte nur für Betriebskosten, nicht für private Lebenshaltungskosten verwendet werden

Überbrückungshilfe I (Juni 2020 bis August 2020)

Die Überbrückungshilfe I war ein Fixkostenzuschuss bei Corona-bedingten Umsatzrückgängen. Sie galt, wie die Soforthilfe jedoch nur für sog. Betriebskosten, nicht für private Lebenshaltungskosten

 

Überbrückungshilfe II (September 2020 bis Dezember 2020)

war ein weiterer Fixkostenzuschuss bei Corona-bedingten Umsatzrückgängen. Ebenfalls nur für laufende Betriebskosten verwendbar, nicht für private Lebenshaltungskosten

 

Novemberhilfe

Die Novemberhilfe ist die erste Corona-Hilfe für Selbständige, die grundsätzlich auch zur Deckung privater Lebenshaltungskosten verwendet werden durfte. Sie ist mit 75 Prozent vom Umsatz des Vergleichszeitraumes relativ großzügig ausgestattet. Zudem wird sie ergänzend zu einem eventuellen Anspruch auf Grundsicherung oder auf Stipendien bezahlt.

Allerdings profitiert nur ein Teil der von der Corona-Krise betroffenen Selbständigen (nur für bestimmte Branchen) von ihr und sie bezieht sich nur auf vier bzw. (mit „Dezemberhilfe“) auf sieben Wochen. Ursprünglich war von „Außerordentliche Wirtschaftshilfe des Bundes“ die Rede. Es hat sich jedoch der Name „Novemberhilfe“ durchgesetzt. Die Hilfe bezieht sich auf den Zeitraum des zweiten Lockdowns: von Montag, 2. bis Montag, 30. November 2020.

 

„Neustarthilfe“ (Dezember 2020 bis Juni 2021)

Mit der Neustarthilfe wurden Soloselbständige in allen Wirtschaftszweigen finanziell unterstützt, die im Zeitraum Januar bis Juni 2021 coronabedingt hohe Umsatzeinbußen verzeichneten, aber nur geringe betriebliche Fixkosten hatten und für welche die Fixkostenerstattung im Rahmen der Überbrückungshilfe III daher nicht in Frage kam. Soloselbstständige können statt einer Erstattung von Fixkosten (wenn also die Überbrückungshilfe III nicht beantragt wird), als „einmalige Betriebskostenpauschale“ die Neustarthilfe ansetzen.

Die maximale Betriebskostenpauschale beträgt jedoch 7.500 € bei der Neustarthilfe und maximal 4.500 € bei der Plus-Variante sowie der Neustarthilfe 2022.

Diese wurde, nach einem offenen Brief von VGSD und anderen Verbänden nochmals erhöht.

 

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