Wenn ein Fahrrad zur baulichen Anlage wird…
Bratwurst von einem Grillfahrrad aus zu verkaufen bildet das Geschäftskonzept von Herrn Hans Bleck aus Cochem. Der Rechtsanwalt stieß trotz eines durchdachten Plans auf die gesetzlichen Hürden des Baurechts. Denn anders als von ihm erwartet, stufte die Gemeinde seine „Radwurscht“ zunächst als bauliche Anlage ein, die einer Baugenehmigung bedarf. Der Fall veranschaulicht, wie Unternehmer sich trotz einer guten Idee immer neu erfinden und flexibel zeigen müssen, damit auf gesetzliche Vorgaben bzw. überraschende Hürden reagiert werden kann, um am Ende doch noch ein gutes Geschäftsmodell zu realisieren.
Herr Bleck wurde mit dem hier dargestellten Fall für den Werner-Bonhoff-Preis-wider-den-§§-Dschungel 2019 nominiert.
Geschäftsidee und Gründung
Hans Bleck aus Cochem ist Rechtsanwalt und betreibt im Nebenerwerb als Mitgesellschafter der B & S Catering GbR die sog. „Radwurscht“ (Grillfahrrad). Die Idee für die Grillwurst vom Rad kam dem Juristen im Frühjahr 2016 auf einer Wanderung, bei der er feststellte, dass es – trotz eines großen Touristenstroms- an einem gastronomischen Angebot an der Geierley Brücke fehlte.
Info: Die 360 m lange und fast 100 m hohe Fußgängerseilbrücke im Hunsrück ist in verschiedene Wander- und Rundwege eingebunden und wurde Anfang Oktober 2015 zwischen den Ortsgemeinden Mörsdorf (Rhein-Hunsrück-Kreis) und Sosberg (Landkreis Cochem-Zell) eröffnet.
Das Problem an Herrn Blecks Geschäftsidee: Die Brücke befindet sich im sog. Außenbereich.
Info: Außenbereich ist ein Begriff im deutschen Bauplanungsrecht im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Bauvorhaben. In den Außenbereich fallen alle Grundstücke, die nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegen und die auch nicht zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil gehören.
Aus seiner anwaltlichen Praxis sind dem Unternehmer die bauordnungsrechtlichen Vorschriften bekannt, die an geplante Vorhaben im Außenbereich gestellt werden. Hiernach wären bauliche Maßnahmen nur nach den strengen Voraussetzungen des § 35 BauGB für sog. „privilegierte Vorhaben“ genehmigungsfähig. Dass ein fester Bratwurststand diese Voraussetzungen nicht erfüllen würde, lag für den Juristen somit auf der Hand. Da Herr Bleck dennoch Potenzial hinter seiner Idee sah, überlegte er mit seinem Geschäftspartner und Mitgesellschafter Alexander Strauch das „ob“ und „wie“ einer etwaigen Umsetzung. Die Lösung sahen beide in einem sog. „Grillfahrrad“- einer mobilen Verkaufsstation zum Verkauf von Grillspezialitäten. Ein ähnliches Konzept war den Unternehmern aus Berlin bekannt, bei dem sie das Grillfahrrad schließlich auch in Auftrag gaben. Bei dem Grillfahrrad handelt es sich um ein Lastenfahrrad, mit den Maßen 120 cm X 170 cm, auf dem u.a. ein Gasgrill, ein Kühlschrank aber auch ein Handwaschbecken installiert ist. Zusätzlich kann ein Sonnenschirm an dem Grillfahrrad befestigt werden.Gegenüber anderen Verkaufsvarianten böte das Grillfahrrad den Vorteil, dass es nur an den entsprechenden Verkaufstagen zum Ort verbracht und nach Ende der Verkaufstätigkeit wieder entfernt werden könne. Ferner stünde es – aus Sicht der Unternehmer – schon nicht im Konflikt mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften, schließlich sei es ein Fahrrad.
Schriftliche Anfrage zur Sondernutzung mit überraschender Antwort
Da das Grundstück am Sosberger Brückenkopf im Eigentum der Gemeinde steht, wandte sich Herr Bleck am 05.09.2016 schriftlich an die Sosberger Gemeindeverwaltung. Den zuständigen Ortsbürgermeister bat er um Prüfung, ob eine Nutzung der Gemeindeflächen in der Gemarkung Sosberg (ca. 5 -10 qm) gegen Zahlung einer Sondernutzungsgebühr möglich sei. Gleichzeitig wies der Jurist in seinem Schreiben darauf hin, dass er um den sog. Außenbereich wisse, in dem das Grundstück liegt und auch Kenntnis bzgl. der rechtlichen Voraussetzungen habe, die an Vorhaben in diesem Bereich geknüpft sind. Diese Gründe hätte er bei Entwicklung der Geschäftsidee mitberücksichtigt, weshalb er sich gerade deswegen für den Verkauf vom Fahrrad aus entschieden habe.
Die „Radwurscht“ soll saisonal, d.h. von März bis Mitte November im Zeitraum 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr am Brückenkopf (Sosberger Seite) stehen und innerhalb der Sondernutzungsfläche in stündlichen Zeitabständen/ nach Sonneneinstrahlung in einem Radius von einigen Metern bewegt werden.
Wenige Tage nach seiner gestellten Anfrage erhielt Herr Bleck zu seiner Überraschung Post von der Verbandsgemeindeverwaltung Zell (Mosel). Diese beantwortete die Anfrage an die Gemeindeverwaltung Sosberg, dass eine Sondernutzungserlaubnis nicht in Aussicht gestellt werden könne, weil ein am Brückenkopf stationiertes Grillfahrrad einer Baugenehmigung bedürfe. Da das Fahrrad lediglich eine abgewandelte Form eines Imbisstandes darstelle, falle es unter den Begriff der baulichen Anlage i.S.d. § 2 Abs. 2 Landesbauordnung Rheinland-Pfalz (LBauO). Eine Baugenehmigung könne im Außenbereich allenfalls für privilegierte Bauvorhaben (Land- und Forstwirtschaft, Wein- oder Gartenbau) erteilt werden, welche nicht vorlägen.
Info : § 2 Abs. 1 LBauO „Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Eine Verbindung mit dem Erdboden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder wenn sie nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden.“
Zähes Verwaltungsverfahren beginnt
Da Herr Bleck in seinem Vorhaben zu keinem Zeitpunkt eine baurechtliche Relevanz sah, stellte er bei der unteren Bauaufsichtsbehörde der Kreisverwaltung Cochem-Zell eine rechtsverbindliche Auskunft zu der Frage, ob die Aufstellung eines Grillfahrrades baugenehmigungspflichtig sei (§ 59 Abs. 1 Satz 2 LBauO i.V.m. § 25 VwVfG). Der Anfrage legte er ein Lichtbild des Grillfahrrads bei und stellte erneut sein Nutzungskonzept vor. Nach seiner Auffassung würde bereits deshalb keine Baugenehmigungsbedürftigkeit bestehen, da er nie beabsichtigt habe, das Fahrrad ständig an einem festen Platz innerhalb der Sondernutzungsfläche abzustellen, sondern innerhalb dieser Fläche zu bewegen. Außerdem würde man sich aus eigenem Interesse verpflichten, jedweden Müll auf eigene Kosten zu entfernen, um die Fläche sauber zu halten.
Anstelle einer Auskunft erhielt der Rechtsanwalt Mitte 2016 einen Bauvorbescheid der Bau- und Umweltverwaltung (§ 72 i.V.m. § 70 LBauO iVm § 35 BauGB). Diese deutete die Anfrage des Unternehmers in eine Bauvoranfrage um und beschied, dass sie in der Aufstellung des Fahrrads im Außenbereich ein baugenehmigungspflichtiges Vorhaben sehe, das unzulässig sei. Weil das Rad überwiegend ortsfest benutzt würde, sei unerheblich, ob es jederzeit ohne großen Aufwand innerhalb der Sondernutzungsfläche bewegt werden könnte oder dies beabsichtigt sei. Das Grillfahrrad müsse weiterhin rechtlich so behandelt werden, wie ein Imbisswagen. Ein solcher könne auch nicht genehmigungsfrei betrieben werden, wenn es im Außenbereich aufgestellt werde. Hierfür sähe § 62 Abs. 1 Nr.12 LBauO ausdrücklich keine Befreiung vor.
Info: §62 Genehmigungsfreie Vorhaben
(1) Unbeschadet einer nach anderen Vorschriften erforderlichen Genehmigung bedürfen keiner Baugenehmigung das Errichten, Herstellen, Aufstellen, Anbringen oder Ändern von folgenden baulichen Anlagen, anderen Anlagen und Einrichtungen:
- Imbiss- und Verkaufswagen auf öffentlichen Verkehrsflächen und gewerblich genutzten Flächen, außer im Außenbereich.
Weiterhin teilte die Kreisverwaltung mit, dass ebenfalls kein privilegiertes Vorhaben gem. § 35 Abs. 1 BauGB vorliege (das das Vorhaben keinem landwirtschaftlichen Betrieb dient und auch sonst wegen seiner Zweckbestimmung nicht auf den Außenbereich angewiesen sei), so dass es als „sonstiges Vorhaben“ gemäß § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB beurteilt werde. Jedoch sei dieses aufgrund der Beeinträchtigung mit der natürlichen Eigenart der Landschaft der nicht mit öffentlichen Belangen vereinbar.
Unterschiedlichen Bewertung des Kriteriums „Beweglichkeit“
Herr Bleck setzte sich im Rahmen des Widerspruchverfahrens gegen den Bescheid zur Wehr, das im Januar 2017 zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Kreisrechtsausschuss führte. Der Unternehmer schilderte, dass er im Rahmen der Anhörung unterschiedliche Szenarien vorgespielt habe, die seitens des Ausschusses baurechtlich bewertet werden sollten. Würde Herr Bleck mit einen Gasgrill, einer Kühlbox und einen Wasserbehälter an der Brücke stehen, bräuchte er keine Baugenehmigung. Würde er eine Kiste zimmern und diese wie einen Bauchladen nutzen, wäre ebenfalls keine Baugenehmigung erforderlich. Stünde die Kiste jedoch auf dem Lastenfahrrad, würde eine Baugenehmigung unumgänglich. Für Herrn Bleck unverständlich, da nach seiner Auffassung das Fahrrad nichts weiteres als einen fahrbaren Bauchladen darstelle. Herr Bleck kritisiert, dass bereits aufgrund der Beweglichkeit schon keine Verbindung mit dem Boden bestehe, weshalb schon keine Baugenehmigungspflicht ausgelöst werden könne. Zumal müsse es unerheblich sein, ob das Fahrrad in einem kleinen oder größeren Radius bewegt werde.
Herr Bleck konnte mit seinen Argumenten nicht durchdringen, sein Widerspruch wurde zurückgewiesen.
Herr Bleck klagte daraufhin im März 2017 vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Koblenz. Zur Unterscheidung zwischen Imbisswagen und Grillfahrrad führte der Unternehmer in seiner Klagebegründung aus, „(…) dass ein Imbisswagen von seinem Gewicht üblicherweise so schwer sei, dass er nur mit Mühen (…) oder einem gesonderten Zugfahrzeug von Ort und Stelle bewegt werden kann. Ein Grillfahrrad (…) kann während der gesamten Zeit (…) problemlos gefahren oder geschoben werden und bedarf nur einfacher menschlicher Kraft um in Bewegung gesetzt zu werden.“
Das Verwaltungsgericht stellte im Laufe des Verfahrens fest, dass ein Bauvorbescheid rechtlich hätte nicht erlassen werden dürfen, weil eine Bauvoranfrage nie gestellt worden sei. Gleichzeitig machte es jedoch deutlich, dass das Gericht im Ergebnis von einer Genehmigungspflicht für das Fahrrad ausgehe und im urteil somit der Rechtsauffassung der Kreisverwaltung folgen würde.
Überraschende Wendung – Gemeinsame Lösung für Umsetzung des Vorhabens gefunden
Auch wenn die wirtschaftliche Existenz von Herrn Bleck durch die fehlende Genehmigung wegen seiner anwaltlichen Tätigkeit zwar nicht auf dem Spiel stand, bedeutete die rechtliche Hürde dennoch einen spürbaren Druck für ihn und seinen Mitgesellschafter: Schließlich hatten die Unternehmer Arbeit und finanzielle Mittel in das Projekt gesteckt. Ferner konnte das Grillfahrrad, aufgrund des laufenden Verfahrens, auch nicht mit dem Verkauf starten, so dass dem Unternehmer (wenigstens eine Saison) Umsatz verloren ging.
Herr Bleck, der während der zweijährigen Verfahrensdauer (Frühjahr 2016 bis März 2018) nie aufgegeben hatte, an seiner Idee festzuhalten, zeigte sich trotz der für ihn unerwarteten bürokratischen Hürden stets engagiert und unternehmerisch hartnäckig. Gleichzeitig blieb er mit der Verwaltung im Gespräch, was dazu führte, dass er mit der Behörde einen gemeinsamen Konsens fand, das Grillfahrrad doch noch zu betreiben. Anstelle eines Standorts fährt das Grillfahrrad nunmehr mehrere Stationen an. Diese räumliche Veränderung nahm die Verwaltung zum Anlass von der notwendigen Genehmigung für das Fahrrad abzusehen, weil keine bauliche Anlage mehr in ihm zu erkennen war.
Dieser gefundene Konsens veranlasste den Unternehmer dazu, die Klage noch vor dem Urteilsspruch zurückzunehmen.
Herr Bleck startete zu Ostern 2018 seinen Bratwurstverkauf vom Grillfahrrad aus. Neben dem Verkauf u.a. an der Geierley-Brücke werde das Grillfahrrad auch für Weinfeste oder Firmenveranstaltungen gebucht. Zukünftig soll ein Franchise-Unternehmen entstehen. Auch eine Expansion ins Ausland sei geplant (Lloret de Mar an der Costa Brava). Hierfür habe man bereits den Kontakt mit den zuständigen spanischen Behörden gesucht.
Der Fall von Herrn Bleck findet deshalb Beachtung, weil er exemplarisch zeigt, wie Unternehmergeist, Hartnäckigkeit aber auch Flexibilität zusammenwirken müssen, damit Unternehmer auf unerwartete bürokratische Hürden reagieren können, um eine gute Idee alternativ umzusetzen.
(Stand: 01/2019)