Nominiert 2018:Christiane Schollmayer,
Firma KuchenKlatsch Agentur UG(haftungsbeschränkt), Hamburg vs. Handwerkskammer u.a.

Kuchenbacken nach Hausfrauenart: Ein handwerksrechtlich unzulässiges Gewerbe?

Seit mittlerweile sieben Jahren kämpft Frau Schollmayer für ihr Social-Franchise-Unternehmen, welches insbesondere Frauen, die auf dem Arbeitsmarkt geringe Integrationschancen haben, eine Perspektive bietet. Doch die Handwerkskammern sträuben sich, ihr Konzept „Backen nach Hausfrauenart“ ohne Meisterbrief und Eintragung in die Handwerksrolle zu akzeptieren. Auch die Wettbewerbszentrale und Veterinärämter legen ihr Steine in den Weg. Der Fall zeigt, dass trotz der Intention des Gesetzgebers, den  Zugang  zur  selbständigen  Gewerbeausübung  im  Bereich  handwerklich einfacher Tätigkeiten  zu  erleichtern sowie Existenzgründungen und Schaffung von Arbeitsplätze zu erleichtern, die zuständigen Behörden unter bei zulassungsfreien Handwerken mit unzureichender Problem- und Einzelfallorientierung Unternehmern wie Frau Schollmayer einen langen Atem abverlangen.  

Frau Schollmayer wurde mit dem hier dargestellten Fall für den Werner-Bonhoff-Preis-wider-den-§§-Dschungel 2018 nominiert.

Geschäftsidee und Existenzgründung

Frau Christiane Schollmayer ist studierte Kommunikationswissenschaftlerin aus Hamburg. Nach einer Krankheit verliert sie ihren Job und ist auf Arbeitslosengeld II („Harz IV“) angewiesen. 2010 kommt ihr eine Geschäftsidee, mit der sie sich aus der Arbeitslosigkeit befreien will: ein Kuchen-Lieferservice für hausgemachte Kuchen. Ähnlich einem Pizza-Lieferservice sollen Kunden per Anruf selbstgebackene Torten, Kuchen, Cupcakes und Tartes bestellen können, die dann binnen 24 Stunden geliefert werden.
Da Frau Schollmayer über Gastronomie-Erfahrung verfügt, wusste sie, dass man im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Verkauf von Lebensmitteln einiges zu beachten hat. Sie meldete daher ihr Gewerbe in Hamburg an und teilte dem für die Hygiene und Lebensmittelüberwachung zuständigen Veterinäramt mit, was sie vorhabe. Weiterhin erkundigte sie sich telefonisch bei der Handwerkskammer Hamburg, was es noch zu beachten gäbe. Frau Schollmayer berichtet, dass ihr im Zuge dieses Telefonates von der Handwerkskammer mitgeteilt wurde, dass sich die Gesetzeslage geändert hätte und Café-Betreiber neuerdings ohne Meistertitel und Mitgliedschaft in der Handwerkskammer Kuchen backen und verkaufen dürften. Solange sie sich also nicht „Konditorei“ nennen würde, dürfe sie ihren Kuchenlieferservice betreiben, ohne bei der Handwerkskammer Mitglied zu sein.

Überraschende Kehrtwende der Handwerkskammer

Nach dieser positiven Botschaft nahm Frau Schollmayer den Betrieb auf und konnte mit ihrem Kuchenlieferservice rasch Erfolge verbuchen. Ein halbes Jahr, nachdem Frau Schollmayer ihr Gewerbe aufgenommen hatte, meldete sich jedoch überraschend die Handwerkskammer Hamburg und teilte ihr schriftlich mit, dass sie verpflichtet sei, sich in die Handwerksrolle einzutragen, da sie ein zulassungspflichtiges Handwerk, nämlich das Konditorhandwerk  betreibe.

Info: § 1 Abs. 1 der Handwerksordnung (HwO) bestimmt, dass ein zulassungspflichtiges Handwerk nur von Personen betrieben werden darf, die in der Handwerksrolle eingetragenen sind. Welche Gewerbe ein zulassungspflichtiges Handwerk darstellen, ist in Anlage A der HwO aufgeführt. Unter Nr. 35 findet sich dort das Konditorgewerbe wieder.

Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle ist gemäß (§ 7 Abs. 1a und § 45 HwO grundsätzlich die Ablegung einer Meisterprüfung.

Frau Schollmayer fiel aus allen Wolken. Sie hatte keinen Meistertitel und auch nicht vor, eine jahrelange Ausbildung zu absolvieren, um im Anschluss dann noch den Meistertitel zu erwerben.  Im Februar 2011 schlug die Handwerkskammer in einem persönlichen Termin vor, sie solle doch eine Ausnahmebewilligung nach §§ 8, 9 HWO beantragen und eine Prüfung zur Qualifikation ablegen. Da sie erst 44 Jahre alt war, man jedoch normalerweise 47 Jahre alt sein müsse, um diese Möglichkeit zu haben, sei man bereit ihr diesbezüglich entgegen zu kommen. Nur waren diese Ausnahmebewilligungen, sowie die Prüfung mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Aus der Anlage zur Gebührenordnung der Handwerkskammer Hamburg geht hervor, dass für die Antragstellung einer Ausnahmebewilligung bzw. Ausübungsberechtigung Kosten in Höhe von 200,00 EUR anfallen, für das Ablegen der  fachlichen Überprüfung zur Erlangung einer Ausnahmebewilligung werden jedoch Kosten bis zu 1.280 EUR fällig. (Quelle: Gebührenordnung Handwerkskammer Hamburg 2011). Da Frau Schollmayer noch als Existenzgründerin vom Job-Center bezuschusst wurde, konnte sie diese Kosten nicht aufbringen. Daher kam diese Möglichkeit nicht in Betracht.

Die andere, von der Handwerkskammer vorgeschlagene Möglichkeit war, dass Frau Schollmayer ein Catering als Hauptbetrieb betreibe und das Herstellen von Kuchen und Torten nur im unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb gemäß § 3 HWO ausgeübt werde.

Frau Schollmayer folgte diesem Rat, nahm neben Kuchen, Cupcakes und Torten nun auch hausgemachte Quiches in ihr Sortiment auf und hoffte, dass sich die Problematik damit erledigt hätte.

Im Mai 2011 erhielt sie dann jedoch erneut ein Schreiben von der Handwerkskammer, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass es sich bei ihrer Tätigkeit des Backens um eine Ordnungswidrigkeit gemäß   § 8 SchwarzArbG handele, da sie ein zulassungspflichtiges Gewerbe betreibe, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein.

Neustart mit Social-Franchise-Konzept

Nachdem sich Frau Schollmayer von einem Rechtsanwalt beraten ließ, meldete Frau Schollmayer im September 2012 ihr Gewerbe ab und gründete ihre Firma als KuchenKlatsch Agentur UG (haftungsbeschränkt) mit einem Social-Franchise-Konzept neu. Dieses Konzept beinhaltete folgende Idee: Frau Schollmayer wollte es insbesondere Frauen, die aufgrund verschiedener persönlicher Gründe schwerer auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren sind (insbesondere Mütter, Frauen mit Migrationshintergrund) ermöglichen, sich ohne hohe Investitionskosten eine eigene Existenz aufzubauen.

Als Geschäftsführerin der KuchenKlatsch UG, Franchisegeberin und Inhaberin der Markenrechte an „Kuchenklatsch“, stellte sie die Rezepte und organisierte das Marketing. Die Franchisenehmer bekamen eine eigene Seite auf der Homepage mit Email-Adresse und erhielten  eine KuchenKlatsch Franchise-Lizenz, die sie berechtigt, gegen eine monatliche Lizenzgebühr, zwischen 49,00 und 99,00 Euro netto, je nach Einwohnerzahl des Ortes der Niederlassung, in einem bestimmten Gebiet, Kuchen nach KuchenKlatsch-Rezepten herzustellen und auszuliefern. Eine Umsatzbeteiligung, Warenabnahmeverpflichtung oder eine Startgebühr gab es nicht. Dabei sollte das Gewerbe des Franchisenehmers als Minderhandwerk im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 2 Handwerksordnung betrieben werden.

Info: Minderhandwerk

Nach § 1 Abs. 2 S. 1 HwO ist ein Gewerbebetrieb ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn Tätigkeiten ausgeübt werden, die für ein zulassungspflichtiges Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten). Im Zuge der Handwerksnovelle 2004 wollte der Gesetzgeber klarstellen, welche Tätigkeiten nicht zum Kernbereich eines zulassungspflichtigen Handwerks gehören, also  nicht wesentlich sind.

 In § 1 Abs. 2 wurde folgender Satz 2 eingefügt:

 „Keine wesentlichen Tätigkeiten sind insbesondere solche, die

1. in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können,
2. zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist, oder
3. nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind.

Handwerkskammer nimmt Franchisenehmerin ins Visier

Das Konzept von Frau Schollmayer ging auf. Nach kurzer Zeit hatte sie bundesweit dreizehnmal die Franchise-Lizenz vergeben, Interessentinnen gab es sogar über 100.

Am 16. Oktober 2014 erhielt eine der Franchisenehmerinnen ein Schreiben von der Handwerkskammer Heilbronn-Franken. Das Gewerbeamt habe der Handwerkskammer mitgeteilt, dass sie ein zulassungspflichtiges Handwerk betreibe. Sie sei daher verpflichtet, einen Antrag auf Eintragung in die Handwerksrolle zu stellen und einen Qualifikationsnachweis (Meistertitel) vorzulegen. Für die Eintragung entstehe zunächst eine Gebühr von 150 EUR.
Ohne die Reaktion der Franchisenehmerin abzuwarten, schaltete die Handwerkskammer Heilbronn-Franken die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V. (Wettbewerbszentrale), bei der unter anderem auch Handwerkskammern Mitglied sind, ein. Mit Schreiben vom 27.10.2014 erhielt die Franchisenehmerin am 27.10.2014 eine Abmahnung. In der Abmahnung hieß es, dass durch den Umstand dass sie ohne Meistertitel Kuchen backe gegen Bestimmungen der Handwerkordnung verstoße und weiterhin eine unlautere geschäftliche Handlung nach  § 4 Ziff. 11 UWG begehe, da die Bestimmungen der HWO auch dazu bestimmt seien, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Weiterhin verstoße sie auch gegen das Irreführungsverbot des § 5 UWG, da Verbraucher von einem vollhandwerklichen Betrieb ausgehen würden. Die Franchisenehmerin wurde aufgefordert, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und 246,10 EUR Aufwendungsersatz zu leisten.

Frau Schollmayer beantwortete, im Namen der Franchisenehmerin beide Schreiben am 8. November 2014 und erklärte der Handwerkskammer und der Wettbewerbszentrale, dass es sich bei dem Gewerbe doch wohl um ein Minderhandwerk handele, für das kein Meistertitel erforderlich sei. Sie stelle lediglich auf Kundenwunsch Kuchen, Tartes, Cupcakes und Quiches nach den vorgegebenen Rezepten ihrer Franchisegeberin her. Aufgrund des geringen Schwierigkeitsgrades dieser Tätigkeit (Backen nach Hausfrauenart), sei sie innerhalb von drei Monaten erlernbar. Sie entwickle darüber hinaus keine eigenen Kuchenkreationen. Sie betreibe auch keine irrenführende Werbung, da auf der Internetseite von Kuchenklatsch explizit drauf hingewiesen werde, dass sie Kuchen nach Hausfrauenart im Minderhandwerk herstelle und nirgendwo behaupte, es handele sich um einen Meisterbetrieb.

Wettbewerbszentrale erhebt Klage wegen unlauteren Wettbewerbs

Die Handwerkskammer Heilbronn-Franken reagierte daraufhin nicht mehr. Nicht so die Wettbewerbszentrale. Nach weiterem Schriftverkehr im November und Dezember 2014 reichte sie schließlich am 03. März 2015 Klage vor dem Landgericht Heilbronn auf Unterlassen wegen unlauterem Wettbewerb ein, die sie wie folgt begründete: Die Tätigkeit, der Franchisenehmerin sei als wesentliche Tätigkeit des Konditorhandwerks anzusehen und daher eintragungspflichtig. Dies ergebe sich aus § 4 Ziff. 11, 12, 14 17 und 20 der Berufsausbildungsverordnung Konditor. Danach sind Gegenstand der Berufsausbildung mindestens die folgenden Kenntnisse und Fertigkeiten: Herstellen und Weiterverarbeiten von Massen, Herstellen von Feinen Backwaren aus Teigen, Herstellen von Füllungen und Cremes, Überziehen von Konditoreierzeugnissen, Entwerfen und Herstellen von Zuckererzeugnissen). Diese Tätigkeiten werden von der Franchisenehmerin ausgeübt und zählten zum Kernbereich des Konditorhandwerks. Für die Erlernung dieser fünf Fähigkeiten (Anm.: von 24 dort aufgeführten Fähigkeiten) seien in der Berufsausbildungsverordnung Konditor insgesamt 3 Jahre vorgesehen. Es handele sich bei dem Gewerbe der Franchisenehmerin also nicht um unwesentliche Tätigkeit. Da sie ihren Betrieb als Minderhandwerk bezeichne, was er nicht sei, müsse sie sich den Vorwurf der Irreführung gefallen lassen.

Backen streng nach Rezept als Kernbereich des Konditorhandwerkes?

Die Franchisenehmerin nahm sich mit Hilfe von Frau Schollmayer einen Anwalt und setzte sich gegen die Klage zur Wehr. In ihrer Klageerwiderung vom 14. April 2015  führt sie an, welche Argumente für das Vorliegen einer unwesentlichen Tätigkeit sprechen. So seien für das Erlernen des Konditorhandwerks zwar insgesamt drei Jahre, für den von ihr betriebenen Teilbereich, in der Berufsausbildungsverordnung nur eine Gesamtausbildungsdauer von 8 Wochen angesetzt. Davon abgesehen sei das Backen nach Rezept für jedermann innerhalb von wenigen Stunden, jedenfalls innerhalb von drei Monaten zu erlernen.

Fehlende Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf die tatsächliche Tätigkeit der Unternehmerinnen?

Es darf wohl an dieser Stelle angemerkt werden, dass der Verdacht naheliegt, die Wettbewerbszentrale und auch Handwerkskammer überdehnen den Bereich der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten, die eine Franchisenehmerin bei KuchenKlatsch mitbringt, bzw. auf den sie zurückgreifen müsse. Ein ausgebildeter Konditor, kann stets und ohne Rezept feine Backwaren, Cremes, Füllungen jeglicher Art usw. herstellen und weiterverarbeiten. Über derartige Fertigkeiten verfügen jedoch die Franchisenehmerinnen bei KuchenKlatsch nicht – und müssen sie auch nicht. Jeder Kuchen, jede Quiche wird streng nach einem vorgegebenen Rezept hergestellt. Für die Umsetzung sind lediglich die Arbeitsschritte aus der Zubereitungsanleitung anhand der vorgegebenen Rezepte und keine grundsätzlichen Konditoren-Kenntnisse erforderlich.

Im Kern ging es bei dem Streit der Handwerkskammer und Wettbewerbszentrale und den Kuchenbäckerinnen um Folgendes: Wie definiert man „keine wesentlichen Tätigkeiten“ im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 2 HwO? Die vom Gesetzgeber angelegten Kriterien, wie „in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können“ sind ganz offensichtlich nicht so leicht anzuwenden. Besinnt man sich jedoch auf den Sinn und Zweck der Handwerksreform von 2004, durch die auch die Regelungen zum Minderhandwerk eingeführt wurden, müsste man zu dem Schluss kommen, dass der Markt gerade für solche Tätigkeiten, wie sie die Franchisenehmerin ausübt, geöffnet werden sollte:

Die rot-grüne Bundesregierung von begründete ihren Gesetzesentwurf 2003 wie folgt:

        • der Zugang zur selbstständigen Gewerbeausübung und dringend erwünschter Existenzgründungen im Bereich einfacher Tätigkeiten soll erleichtert werden
        • Arbeitsplätze sollen gesichert und geschaffen werden
        • mehr Chancengleichheit und Wettbewerb
        • Kostensenkung handwerklicher Leistungen
        • Beseitigung der Rechtsunsicherheit (was wesentliche Tätigkeiten sind und was nicht), von der vermehr kleine Unternehmen und Existenzgründer, die ein „Nischentätigkeit“ zur Geschäftsidee machen wollen, betroffen sind.

„Um  den  Zugang  zur  selbständigen  Gewerbeausübung  im  Bereich  einfacher Tätigkeiten  und  in  sonstigen  nicht  regulierten  Bereichen  zu  erleichtern, zur Erleichterung von Existenzgründungen und zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen ist in Umsetzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine klarstellende gesetzliche Regelung erforderlich.(…) Einfache   Tätigkeiten   sind   nach höchstrichterlicher Rechtsprechung jedenfalls solche, die ein durchschnittlich begabter  Berufsanfänger  in  zwei  bis  drei  Monaten  erlernen  kann.(…)“ (Quelle: BT-Drs. 15/1089 )


Das Landgericht Heilbronn schlug Frau Schollmayer vor, sie könne eine Feststellungsklage vor dem Bundesverfassungsgericht erheben, das Gericht würde das Verfahren bis dahin aussetzen um sich dann der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts anzuschließen. Da jedoch, trotz der Bereitschaft von Frau Schollmayer diesen Schritt zu gehen, die Gegenseite mit Unterstützung der Handwerkskammer Heilbronn-Franken auf eine Entscheidung drängte, verlor die Franchisenehmerin das Verfahren im Februar 2016. Das Landgericht Heilbronn schloß sich dem Klageantrag der Wettbewerbszentrale an. In der Folge erhielten auch Frau Schollmayer und eine weitere Franchisenehmerin eine Abmahnung und die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung von der Wettbewerbszentrale.

Frau Schollmayer, sowie die Franchisenehmerinnen, die ebenfalls von der Wettbewerbszentrale die Abmahnung und Unterlassungserklärung erhalten hatten, unterschrieben die Unterlassungserklärung und zahlten ein  Bußgeld in Höhe von 246,10 EUR.

Hamburger Gericht legt Unternehmerin Erstellung eines neuen Konzeptes nahe

Im März 2016 wurde Frau Schollmayer, nach erfolgtem Hinweis von der Handwerkskammer Hamburg an das Gewerbeamt bzw. an die Bußgeldstelle erneut wegen des Vorwurfs gegen § 8 SchwarzArbG zu verstoßen vor Gericht zitiert.  

Nach dem Misserfolg vor dem Landgericht Heilbronn, welches entsprechend der (fragwürdigen) Ansicht der Wettbewerbszentrale das Backen nach strenger Rezeptur nicht als Minderhandwerk ansah, argumentierte Frau Schollmayer nun, dass sie lediglich im unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb gemäß § 3 HWO backen würden.

Das Gericht vertrat jedoch die Auffassung, dass das aktuelle Speisensortiment diesen Rückschluss nicht zuließe. Das Gericht ging davon aus, dass Frau Schollmayer wider besseren Wissens handelte, sah von der Verurteilung und Zahlung eines Bußgeldes ab und stellte das Verfahren ein. Das Gericht legte ihr jedoch – zur Vermeidung eines Widersehens – nahe, dass  sie schnellstmöglich das  Kuchen-Lieferservice-Konzept in „KuchenKlatsch – Catering nach Hausfrauenart“ umwandelt und hier ein umfangreiches Angebot an Speisen aufnimmt, bei welchem die Kuchen und Torte offensichtlich „nebensächlich“ sind.

Durch das Auf & Ab mit den Behörden gaben im Jahr 2016 fünf Franchisenehmerinnen auf. Gegenüber Frau Schollmayer gaben sie an, sie hätten zu große Angst vor Abmahnungen, Bußgeldverfahren, den damit verbundenen Kosten sowie einer unsicheren Existenzgrundlage.

Unternehmenskonzept überarbeitet: Aus Kuchenlieferservice wird Cateringunternehmen mit Backen im unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb

Frau Schollmayer änderte innerhalb von zwei Monaten das gesamte Konzept, es wurde eine komplett neue Homepage erstellt, mit über 80 Speisen, wie Butterbroten, Sandwiches, Suppen, Salaten und Smoothies, sodass das Angebot der Kuchen und Torten nur ca. 20% Prozent ausmachte und somit nicht mehr der Eindruck entstehen könne, es handle sich um eine Konditorei.  Zudem steht auf jeder Seite:

„Wir sind keine gelernten Köche, Konditoren oder Meister, sondern backen lediglich im unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb und sind deshalb nicht Mitglieder der Handwerkskammer“

Im Juni 2016 nahm die Wettbewerbszentrale Hamburg die Homepage von KuchenKlatsch ab und teilte Frau Schollmayer mit, dass die Bewerbung ihres Konzeptes handwerksrechtlich nicht mehr beanstandet werde. Auch wenn Sie monierten, dass der Name „KuchenKlatsch“ und die dazugehörigen Domains nicht geändert wurden, bleibt dieser bestehen, denn es handelt sich um einen Eigennamen, der beim Deutschen Marken- und Patentamt bereits seit dem Jahr 2010 markenrechtlich geschützt ist. Eine Änderung des Firmennamens nach sechs Jahren wäre nach Angaben von Frau Schollmayer wirtschaftlich auch nicht tragbar gewesen.

Weitere bürokratische Hürden: Nach den Handwerkskammern kamen die Veterinärämter

Zwar bestätigte die Wettbewerbszentrale die handwerksrechtlich zulässige Bewerbung ihres Catering-Unternehmens, dies hatte jedoch keinen Einfluss darauf, dass weitere regionale Handwerkskammern, z.B. die Handwerkskammer Reutlingen und die Handwerkskammer München und Oberbayern auch im Jahr 2017 bei verschiedenen Franchisenehmerinnen die (mangels vorhandenem Meistertitel nicht mögliche) Eintragung des Gewerbes in der Handwerksrolle forderten und Bußgeldverfahren initiieren, da die das Backen im handwerklich unerheblichen Nebenbetrieb weiterhin nicht anerkannt wird. Nach derzeitigem Stand (März 2018) werden die Verfahren von den Handwerkskammern mit Ausnahme  der HWK Oberbayern – nicht mehr weiter verfolgt, nachdem Frau Schollmayer schriftlich darlegt, unter Verweis auf die deutlichen entsprechenden Hinweise auf der Homepage, dass das Backen im handwerklich unerheblichen Nebenbetrieb ausgeführt wird. Auch das von der Handwerkskammer Reutlingen initiierte und vom Ordnungsamt Albstadt betriebene Bußgeldverfahren konnte glücklicher Weise mit dieser Argumentation eingestellt werden.

Doch kaum hatte Frau Schollmayer endlich einen Weg gefunden, die Handwerkskammern weitestgehend in Schach zu halten, kamen insbesondere 2017 vermehrt Probleme mit den für Lebensmittelkontrolle zuständigen Veterinärämtern. Hintergrund ist, dass die Franchisenehmerinnen bei der Ausführung ihrer Aufträge ihre privaten Küchen nutzen. Zwar ist die Nutzung der eigenen Küche zur Herstellung von Speisen zum Verkauf an Dritte nach entsprechender Umrüstung, Einhaltung von Auflagen und Abnahme durch die zuständige Behörde für Lebensmittelhygiene grundsätzlich aufgrund einer EU-Hygieneverordnung erlaubt (Die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene sieht sogar in Anhang II Kapitel III explizit die Herstellung von Lebensmitteln in überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Räumen vor). Die erforderliche Zusammenarbeit mit den Veterinärämtern verlief für viele Franchisenehmerinnen jedoch mehr als unbefriedigend. So teilte zum Beispiel das Veterinäramt Mölln in Schleswig-Holstein mit E-Mail vom 16.05.2017 zunächst mit, dass eine gewerbliche Nutzung von Privatküchen grundsätzlich untersagt sei, die Franchisenehmerin jedoch zugelassene Gewerberäume anmieten könne. Das Veterinäramt München-Oberbayern hielt einen vorherigen, beim Bauamt zu stellenden Nutzungsänderungsantrag für zwingend erforderlich. Bei den Franchisenehmerinnen stellte sich aufgrund der unterschiedlichen Aussagen eine starke Verunsicherung ein.

Vom Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten Schleswig-Holstein wurde Frau Schollmayer mit Schreiben vom 22.06.2017 jedoch bestätigt, dass eine Nutzungsänderungsgenehmigung in ihrem Fall nicht erforderlich ist, da „durch die Nutzungserweiterung als gewerbliche Küche in diesem Fall weder Liefer- noch Kundenverkehr anfallen, kein zusätzlicher Stellplatzbedarf ausgelöst wird, noch bauliche Veränderungen stattfinden oder hinsichtlich des Brand- und Immissionsschutzes erhöhte Anforderungen bestehen.“

Unterschiedliche behördliche Handhabungen in den Bundesländern

Bedauerlicher Weise handhaben die Veterinärämter in den verschiedenen Bundesländern, zum Teil sogar auch innerhalb des Bundeslandes (so geschehen in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg) das Vorgehen nicht einheitlich. So erfolgten zum Beispiel in Hamburg, Stuttgart und einigen anderen Orten problemlose Abnahmen der privaten Küchen von Franchisenehmerinnen zur Nutzung für den Cateringbetrieb von Seiten der zuständigen Veterinärämter. Einige andere Veterinärämter sind jedoch wenig zugänglich. So beharrte das Veterinäramt München-Oberbayern gegenüber Frau Schollmayer trotz Hinweis auf die Ausführungen des Ministeriums aus Schleswig-Holstein weiterhin auf der Stellung eines Nutzungsänderungsantrages. Im Dezember 2017 rief Frau Schollmayer sodann im Innenministerium München an und schilderte ihr Problem. Dort wurde ihr zumindest gesagt, dass man die Rechtsauffassung von Schleswig-Holstein teile und versuchen würde die Angelegenheit mit dem zuständigen Veterinäramt  „auf dem kurzen Dienstweg“ zu regeln. Am 02.02.2018 erhielt sie dann von der Landeshauptstadt München – Referat für Stadtplanung und Bauordnung folgende Antwort: (…)In dem geschilderten Umfang ist die zusätzliche Nutzung so gering, dass keine Änderung der genehmigten Wohnnutzung anzunehmen ist. Insofern liegt schon begrifflich keine Nutzungsänderung vor und es ist keine baurechtliche Genehmigung erforderlich.(…)“. Auch wenn durch Frau Schollmayers Einsatz diese Hürde überwunden werden konnte, waren von der zeitlichen Verzögerung drei Franchisenehmerinnen im Raum München betroffen, die aufgrund der ursprünglichen Aussage des zuständigen Veterinäramtes vorerst keinen, mehrfach von ihnen erbetenen Kontrolltermin ihrer Küchen erhielten.

Unternehmerin gibt nicht auf und glaubt an ihr Konzept

Frau Schollmayer teilt mit, dass sie im Grunde kaum noch dazu kommt, ihrem Gewerbe nachzugehen, da sie ständig damit befasst ist, sich sehr zeitintensiv mit verschiedenen Behörden auseinanderzusetzen. Ganz aktuell muss sie sich mit der Androhung der Gewerbeuntersagung der Handwerkskammer Oberbayern beschäftigen. Trotz all der bürokratischen Widrigkeiten und dem hohen Zeitaufwand, sich mit verschiedenen Behörden seit mittlerweile sieben Jahren auseinander setzen zu müssen, gibt Frau Schollmayer nicht auf.

Aktuell gibt es bundesweit 25 KuchenKlatsch-„Filialen“, Frau Schollmayer sagt, dass die KuchenKlatsch-Frauen mittlerweile eine eingeschworene Gemeinschaft sind. Und es kommen täglich neue Anfragen hinzu, von Frauen, die bei KuchenKlatsch mitmachen möchten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, aufzustocken oder nicht auf Hartz IV angewiesen zu sein. Teilweise würden diese Anfragen aber nach Rücksprache mit den Behörden oder Handwerkskammern verebben. Was Ihnen dort gesagt wird kann jedoch nur spekuliert werden, auch wenn Frau Schollmayer das eine oder andere immer wieder zu Ohren kommt, von Interessentinnen, die sich nicht einschüchtern lassen.

Frau Schollmayer betreibt ihr Gewerbe transparent, eine Gefährdung der Verbraucher besteht nicht. Weiterhin besteht bei ihr und ihren Franchisenehmerinnen eine durchgängige Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, sowie zur Erfüllung und Einhaltung von Vorschriften.

Der Fall zeigt, dass trotz der Intention des Gesetzgebers, den  Zugang  zur  selbständigen  Gewerbeausübung  im  Bereich  handwerklich einfacher Tätigkeiten  zu  erleichtern (Stichwort „Ich-AG“), die zuständigen Behörden Unternehmern wie Frau Schollmayer, einen langen Atem abverlangen. 

Über die weitere Entwicklung des Falls werden wir fortlaufend berichten.

(Stand der Falldarstellung: 06.04.2018)

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