Anja Weihgold, The Brickstone Hostel, Neu-Ulm, Bayern vs. Bayerischer Rundfunk

Hostelbesitzerin setzt sich erfolgreich gegen zusätzlichen Rundfunkbeitrag für Gästezimmer zur Wehr

Die ausgebildete Übersetzerin Frau Anja Weihgold eröffnete vor 10 Jahren das „The Brickstone Hostel“ im Bayerischen Neu-Ulm. Das Hostel verfügt über sieben Zimmer mit insgesamt 18 Betten, verteilt auf 4-Bett, 3-Bett, Doppel- und Einzelzimmer und wird überwiegend von Rucksack- und Fahrradtouristen gebucht. Die Zimmer sind auf zwei Etagen verteilt, pro Stockwerk gibt es ein Duschbad und zwei WC’s mit Waschbecken. Die Preise für eine Übernachtung im Hostel variieren zwischen 18,00 EUR und 30,00 EUR. Frau Weihgold betreibt das Hostel mit Unterstützung einer Mitarbeiterin.

Mit ihrem Hostel bietet Frau Weihgold eine sehr einfache Unterkunftsmöglichkeit für Reisende, die lediglich eine gepflegte und saubere Schlafmöglichkeit suchen ohne weiteren Komfort. So stehen in den Zimmern weder Fernsehr, Radios noch Computer zur Verfügung. Auf Ihrer Webseite informiert sie Ihre potentiellen Gäste über die vorhandene Infrastruktur, insbesondere auch über naheliegende Internetcafés.

Frau Weihgold gibt an, dass die sehr einfache Ausgestaltung der Zimmer beabsichtigt sei, um den Gästen zu ermöglichen, ohne Beeinflussung von Medien miteinander ins Gespräch zu kommen und so interkulturelle und internationale Kontakte zu knüpfen.

Gesonderte Beitragspflicht für Gästezimmer nach § 5 Abs.2 Nr.1 RBStV

Da Frau Weihgold – wie bei Hostels üblich – keine Zimmer vermietet, sondern Betten, war sie bis Ende 2012 von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Ab 01.01.2013 sollte Frau Weihgold dann gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags nicht nur 1/3 des Rundfunkbeitrags (monatlich 5,83 Euro ), sondern zusätzlich noch je ein weiteres Drittel für 6 der 7 Zimmer, also insgesamt  7/3 an Rundfunkbeiträgen zahlen.

5 Rundfunkbeitrag im nicht-privaten Bereich

(1) Im nicht privaten Bereich ist für jede Betriebsstätte von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag nach Maßgabe der folgenden Staffelung zu entrichten. 2Die Höhe des zu leistenden Rundfunkbeitrags bemisst sich nach der Zahl der neben dem Inhaber Beschäftigten und beträgt für eine Betriebsstätte
1. mit keinem oder bis acht Beschäftigten ein Drittel des Rundfunkbeitrags,
2.  (…)
(2) Unbeschadet der Beitragspflicht für Betriebsstätten nach Absatz 1 ist jeweils ein Drittel des Rundfunkbeitrags zu entrichten vom
Inhaber einer Betriebsstätte für jedes darin befindliche Hotel- und Gästezimmer und für jede Ferienwohnung zur vorübergehenden entgeltlichen Beherbergung Dritter ab der zweiten Raumeinheit
(…)

Dies bedeutete für Frau Weihgold, unabhängig von der Belegung der Zimmer, eine monatliche Belastung von insgesamt 40,81 EUR bzw. 489,72 EUR im Jahr.

Existenz der Unternehmerin in Gefahr – ein Instanzenzug beginnt

Die ihr auferlegte Beitragspflicht stellte für Frau Weihgold eine starke finanzielle Belastung dar, insbesondere, da ihr Hostel vorwiegend im Sommer ausgelastet ist, in den Monaten November – März beträgt die Belegung nur 30 % – 50 %. Da der Rundfunkbeitrag jedoch auch für die leerstehenden Zimmer zu entrichten ist, wirkt sich die zusätzliche Betragspflicht für die junge Unternehmerin als nicht unerhebliche Belastung auf ihre aus der Vermietung erzielten und saisonal stark schwankenden Gewinne aus.

Frau Weihgold beantragte daher bei der Bayerischen Rundfunkanstalt die Freistellung im Wege eines Härtefalls mit dem Ziel, so behandelt zu werden wie ein normaler Gewerbetreibender, in Ihrem Fall nach § 5 Abs.1 Nr.1 RBStV  für seine Betriebsstätte mit  weniger als 8 Beschäftigten nur 1/3 des Rundfunkbeitrages monatlich schuldet.

Nachdem ihr Härtefallantrag und Widerspruch zurückgewiesen wurde, erhob Frau Weihgold Klage vor dem Verwaltungsgericht Augsburg. Das Verwaltungsgericht wies jedoch die Klage am 20.04.2015 zurück. In seiner Entscheidung verweist das Verwaltungsgericht Augsburg auf zwei Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, die sich aufgrund von zwei Popularklagen mit der grundsätzlichen Zulässigkeit des Rundfunkbeitrages für Wohnungsinhaber und Gewerbetreibende befassten. Übersehen hatte das Verwaltungsgericht Augsburg jedoch, dass sich die bezeichneten Entscheidungen nicht mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der erweiterten Beitragspflicht für Beherbergungsbetriebe nach  § 5 Abs.2 RBStV befassten.

Aufgrund dieser im Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vorhandenen Ausführungen, legte Frau Weihgold sodann im Juni 2015 Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein.
Unterstützt wurde Frau Weihgold in ihrem gerichtlichen Vorgehen vom Verein „German Hostels“ (Backpacker Network Germany), da ihr Anliegen auf eine Vielzahl von gleichermaßen betroffene Hostelbesitzer übertragbar ist.

Mit Urteil vom 14.04.2016 wies das Berufungsgericht das Rechtsmittel jedoch als unbegründet zurück und führt in seinen Entscheidungsgründen insbesondere aus, dass der Rundfunkbeitrag, sowie der zusätzlich von Frau Weihgold nach § 5 Abs.2 Satz 1 Nr.1 RBStV verlangte Beitrag verfassungsgemäß unbedenklich sei, da dieser „als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben“ werde. “Weil er ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten und –absichten verlangt wird, also für die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ist er eine Vorzugslast in Gestalt des Beitrags und durch die mit ihm verfolgten Zwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs legitimiert“. (VGH München, Az. 7 BV 15.1188, Rd.16)

Berufungsgericht hält Überprüfung bzw. Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit für unzumutbar

Das Berufungsgericht begründet die Erhebung der gesonderten Beitragspflicht für Hotel- und Gästezimmer unter anderem mit dem damit für den Unternehmer verbundenen Mehrwert, den die Empfangsmöglichkeiten im Fremdenverkehr darstellt, sowie mit der überdurchschnittlichen intensiven Rundfunknutzung durch wechselnde Geräte im Beherbergungsgewerbe. Hierbei sei unerheblich ob die Nutzung durch vom Unternehmer bereitgestellte Empfangsgeräte oder durch Geräte der Gäste erfolge. An dieser Stelle weist das Gericht darauf hin, dass auch Rucksack- und Fahrradtouristen über mobile Empfangsgeräte verfügen, die sie in den Gästezimmern nutzten können.
Auch wenn der Rundfunkbeitrag unabhängig davon erhoben wird, ob das Programmangebot genutzt werden möchte oder wird, möchte man meinen, dass er wohl nicht erhoben werden könne, wenn die Nutzung nicht möglich ist. Hierzu führt das Berufungsgericht jedoch aus, dass „das Innehaben einer solchen Raumeinheit ausreichende Rückschlüsse auf den abzugeltenden Vorteil (hier: Programmangebot des Rundfunks) zulässt“. Dass Frau Weihgold ihren Gästen die Nutzung eigener Empfangsgeräte ermöglicht, wurde jedoch gerichtlich gar nicht festgestellt, das Berufungsgericht sieht hierzu auch keine Veranlassung, sondern zieht Rückschlüsse aufgrund des „Innehabens der Raumeinheit“.

Das Berufungsgericht hat somit nicht berücksichtigt, dass im Fall von Frau Weihgold bereits die Voraussetzungen einer Nutzung und damit auch kein unternehmerischer Mehrwert gegeben ist. Jedoch vertritt das Gericht in seiner Entscheidung die Auffassung, dass eine Überprüfung der Bereithaltung geeigneter Empfangsgeräte im Einzelfall nicht praktikabel bzw. verhältnismäßig sei: „Aufgrund der Vielgestaltigkeit und Mobilität neuartiger Rundfunkgeräte ist es nahezu ausgeschlossen, das Bereithalten solcher Geräte in einem Massenverfahren in praktikabler Weise, ohne unverhältnismäßigen Eingriff in die private oder berufliche Sphäre verlässlich festzustellen, zumal sich individuelle Nutzungsgewohnheiten und Nutzungsansichten jederzeit ändern können. Deshalb darf der Gesetzgeber davon ausgehen, dass die effektive Möglichkeit der Programmnutzung als abzugeltender Vorteil allgemein und geräteunabhängig besteht.“ (VGH München, Az. 7 BV 15.1188, Rd.17)

Erfolgreiche Revision am Bundesverwaltungsgericht

Frau Weihgold gab jedoch auch nach diesem weiteren Rückschlag nicht auf und legte gegen das Urteil vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Revision ein. Mit Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hob mit Urteil vom 27.09.2017 das Urteil des Berufungsgerichtes vom 14.04.2016 auf und hat es zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. (BVerwG Urteil vom 27.09.2017, Az.: 6 C 32.16)

Zusätzlicher Beitrag an tatsächliche Nutzungsmöglichkeit gekoppelt

In seiner Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die grundsätzliche Erhebung der gesonderten Gebühr für Hotel- und Gästezimmer zwar aus, dass die Möglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunkempfangs in den Hotel- und Gästezimmern ein preisbildender Umstand ist und daher für den Betriebsstätteninhaber einen besonderen zusätzlichen Vorteil darstellt. Hier fügt es jedoch hinzu: “Dieser zusätzliche Vorteil ist ihm zuzurechnen und von ihm abzugelten, wenn er seinen Gästen in den Zimmern (…) die Rundfunkempfangsmöglichkeit bereitstellt. Das ist der Fall, wenn er die Räumlichkeiten mit Empfangsgeräten oder einem Internetzugang ausstattet, der seinen Gästen einen Rundfunkempfang ermöglicht.“ (Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 66/2017 vom 27.09.2017)

Das Bundesverwaltungsgericht differenziert jedoch in seiner Entscheidung klar zwischen der für Wohnungs- und Betriebsstätteninhaber nicht möglichen „Flucht aus der Beitragspflicht“ bei Verzicht auf Empfangsgeräte und Inhabern, die ihren Gästen tatsächlich keinen Rundfunkempfang zur Verfügung stellen. Im ersten Fall (Wohnungs- und Betriebsstätteninhaber) wird die Anknüpfung an das Innehaben von Raumeinheiten als gerechtfertigt erachtet, da diese Raumeinheiten nahezu lückenlos mit Empfangsgeräten oder einem Internetzugang ausgestattet sind und darüber hinaus der Nachweis der Verbreitung insbesondere von multifunktionalen Empfangsgeräten und die Zuordnung zum Rundfunkteilnehmer nicht mehr mit der gebotenen Sicherheit festzustellen war. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts für eine Inanspruchnahme von Inhabern von Hotels oder Ferienwohnungen, die ihren Gästen keine Rundfunkempfangsmöglichkeit in diesen Räumen eröffnen, nicht vor. Daher führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung des gesonderten Gästebeitrages verfassungsmäßig nur gerechtfertigt ist, wenn der Betriebsstätteninhaber „seinen Gästen eine Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Hotelzimmern etc. zur Verfügung stellt. Für die anderen erweist sich die Beitragsregelung als verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber ihnen nicht den Nachweis ermöglicht hat, dass ihre Zimmer nicht mit Empfangsgeräten oder einem geeigneten Internetzugang ausgestattet sind (…)“. Auch die Überprüfung der Bereitstellung von Empfangsmöglichkeiten erachtet das BVerwG als durchaus zumutbar: „Das Bundesverwaltungsgericht kann nicht aufgrund statistischer Daten verlässlich feststellen, dass Hotelzimmer etc. nahezu lückenlos mit Empfangsgeräten oder einem geeigneten Internetzugang ausgestattet sind. Darüber hinaus bereitet es keine unüberwindbaren Schwierigkeiten, das Vorhandensein eines Empfangsgerätes oder eines Internetzugangs festzustellen. Die Ausstattung der Zimmer mit Empfangsgeräten oder Internetzugang gehört zu denjenigen Merkmalen, die das Geschäftsmodell des Inhabers prägen und daher z.B. Gegenstand von Internetauftritten, Werbeprospekten und Bewertungen von Gästen im Internet sind.(…)“ (Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 66/2017 vom 27.09.2017)

Weitere Aufklärung durch Berufungsgericht notwendig

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Fall von Frau Weihgold nicht festgestellt hat, dass in den Zimmern eine von ihr eröffnete Rundfunkempfangsmöglichkeit besteht. Erst nach gerichtlicher Aufklärung dieser Tatsache könne beurteilt werden, ob die Klägerin zur Zahlung des gesonderten Gästebeitrags verpflichtet sei oder aber die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Beherbergungsbeitrags dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen ist.

Ausblick für Hostelbesitzerin

Nach der im Urteil ausgesprochenen Rückverweisung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bleibt das dort ergehende Urteil abzuwarten. Sollte das neue Berufungsurteil nach dem Ergebnis weiterer, zur Beurteilung des Falls von Frau Weihgold notwendiger Feststellungen, die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgericht teilen, könnte im Fall von Frau Weihgold die Erhebung des gesonderten Beitrages nicht verfassungsgemäß und somit rechtswidrig sein. Diese Feststellung würde sodann auch dazu führen, dass Frau Weihgold für den seit 2013 entrichteten gesonderten Beitrag einen Rückerstattungsanspruch hätte.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stellt für Frau Weihgold und für eine Vielzahl weiterer Betreiber von Hostels und kleineren, einfachen Ferienunterkünften eine wegweisende Entscheidung und einen wichtigen Etappensieg dar.

Über die weiteren Entwicklungen werden wir berichten.

Stand der Falldarstellung 02/2018

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