Kristina Hänel, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Gießen, Hessen

Einschränkungen des ärztlichen Berufsausübungsrechtes:
Ärztin zeigt Verbesserungsbedarf auf und wirkt auf bedeutsame Gesetzesänderung hin

Kristina Hänel ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und besitzt in Gießen eine eigene Praxis. Im Laufe ihrer über 40-jährigen Berufserfahrung hat sie sich schwerpunktmäßig in den Bereichen Notfallmedizin, Anästhesie, Psychiatrie, Innere Medizin und Gynäkologie weitergebildet.
Im Bereich der Weiterbildung in der Gynäkologie erwarb sie u.a. das ärztliche Fachwissen und die Durchführungsqualifikation zum Eingriff des Schwangerschaftsabbruches.           
Die meisten (Fach)Ärzte informieren dementsprechend auf ihrer Webseite über ihr Leistungsspektrum und vermitteln, je nach Fachrichtung, wichtige Informationen zu den von ihnen durchgeführten Behandlungen und Eingriffen.

Auch Frau Hänel informierte über die Durchführung des Schwangerschaftsabbruches als ärztlichen Eingriff auf der Webseite ihrer Praxis.

Im Jahr 2017 wurde Frau Hänel jedoch vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.000 EUR verurteilt. Auch wenn Frau Hänel rein sachliche Informationen zum Eingriff zur Verfügung stellte, war der Straftatbestand des damals geltenden § 219a StGB durch die von ihr bereitgestellten Informationen in Verbindung mit der Tatsache, dass sie die Eingriffe in ihrer Praxis durchführt und auch vergütet bekommt, nach Auffassung von Staatsanwaltschaft und Gericht bereits erfüllt.

Da eine der wesentlichen ärztlichen Pflichten und Aufgaben die Aufklärung und Informationsvermittlung über Abläufe und mögliche Risiken ärztlicher Eingriffe ist, sah sich Frau Hänel durch die Entscheidung der Strafverfolgungsbehörde, in ihrer Berufsausübung eingeschränkt und setzte sich gegen diese zur Wehr.

Der durch den Fall von Frau Hänel öffentlich sichtbar gewordene Konflikt rief auch in der Ärzteschaft enorme Rechtsunsicherheit hervor.  Fünf Jahre, eine von ihrer initiierten Petition an den Bundestag und viele Debatten später, sah sich Frau Hänel als Sachverständige in den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages berufen, in dem es darum ging, den Paragrafen §219a StGB gänzlich aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.

Mit Engagement und unter Hinnahme von Kritik und Anfeindungen hat Frau Hänel Reformpläne der Legislative angestoßen, die nunmehr den § 219 a StGB im Juli 2022 ersatzlos gestrichen hat und infolgedessen auch ihre eigene Verurteilung aufgehoben wurde.

Ihren ärztlichen Aufklärungs- und Informationspflichten kann Frau Hänel und viele weitere Ärzte nun von den (Strafverfolgungs)Behörden unbehelligt nachkommen.

Durch ihr Engagement hat Frau Hänel nicht nur auf einen Missstand hingewiesen, der darin fußte, dass der vom Gesetzgeber und Strafverfolgungsbehörden verfolgte Schutzzweck zu einer Kollision mit den ärztlichen Informations- und Aufklärungspflichten und damit zu einer Einschränkung der ärztlichen Berufsausübung führte. Sie hat Verbesserungen angestoßen, die vielen anderen Betroffenen und damit auch dem Gemeinwohl zugutekamen.

Im Rahmen des Projektes „Bürokratie-Therapie“ veranschaulicht der Fall von Frau Hänel, – unabhängig von politischen und ethisch-moralisches Fragestellungen zum Thema – wie wertvoll das Engagement einzelner unternehmerischer Menschen sein kann, um eine Verbesserung für andere Betroffene und im Ergebnis für das Gemeinwohl, anzuschieben.

Frau Hänel hat mit ihrem Fall dem Gesetzgeber Missstände und negative Auswirkungen für ihren Berufsstand verdeutlicht und durch die Gesetzesänderung letztlich erreicht, dass Ärzten und Ärztinnen ohne Furcht vor einer Strafverfolgung informieren und aufklären können.


Von Ärztin bereitgestellte Information

Über einen Link auf der Homepage der Praxis von Frau Hänel gelangte der Nutzer auf zwei Schaltflächen, die neben der Allgemeinmedizin einen Download über eine PDF-Datei zum Thema „Schwangerschaftsabbruch“ eröffnete. Dort wurde u.a.  auf die Gesetzeslage zu §§ 218, 219 StGB bzw. § 7 SchKG hingewiesen, zudem wurden alle drei Methoden (medikamentös, chirurgisch mit örtlicher Betäubung, chirurgisch mit Vollnarkose) des Schwangerschaftsabbruchs (auf Kostenübernahme oder für Privatzahlerinnen) angeboten. Informiert wird über die Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs in der Praxis, die erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen und über die Methode des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs und den chirurgischen Schwangerschaftsabbruch.

Aufgeklärt wurde auch darüber, ob und welche Gründe gegen die medikamentöse Methode bestünden. Gleichzeitig wurde über Nebenwirkungen und Komplikationen und das Verhalten nach dem Eingriff informiert. Weiterhin wurde über die notwendigen Voraussetzungen zur Durchführung des Eingriffs informiert, nämlich 1. Das Vorliegen eines Nachweises zur durchgeführten Beratung nach § 219 StGB (sog. Schwangerschaftskonfliktberatung durch anerkannte Beratungsstelle) oder Indikation nach § 218 a StGB, 2. Blutgruppennachweis, 3. Versichertenkarte, 4. Kostenübernahmebescheinigung oder Bargeld, 5. Überweisungsschein der Frauenärztin/des Frauenarztes.

Frau Hänel berichtet, dass sie zu keinem Zeitpunkt „appellativ geworben“ habe:

Es ging nie um Werbung für Abtreibung, nur um Information. Ich halte es für meine ärztliche Pflicht, Betroffene ausführlich aufzuklären und zu informieren. Diese Informationen beziehen sich auch auf den Schwangerschaftsabbruch. Ebenso halte ich es für ein Recht der Betroffenen, sich ausführlich informieren zu können. Das geht nur, wenn es Fachleuten erlaubt ist, diese Informationen auf ihren Webseiten zur Verfügung zu stellen. Bereits die ärztliche Berufsordnung (konkret § 27 MBO-Ä) unterscheide zwischen sachgerechter und angemessener Information auf der einen Seite und berufswidriger Werbung auf der anderen Seite“

Im Rahmen von Frau Hänels Gerichtsverhandlung im Jahr 2017 wurde eine Stellungnahme der Landesärztekammer Hessen vom 23.03.2017 verlesen, aus der hervorgeht, dass sie mit den sachlichen Informationen ihres Internetauftrittes, die weder anpreisend, irreführend oder vergleichend seien, nicht gegen die Bestimmungen des § 27 der Berufsordnung für Ärzte über die Werbung für ärztliche Leistungen verstoße.

Dennoch wurde Frau Hänel am 27.07.2017 vom AG Gießen wegen Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft schuldig gesprochen und verurteilt. Ihre Berufung zum Landgericht wurde mit Urteil vom 12.10.2018 verworfen. Die Gerichte sahen in der Bereitstellung der Informationen zum Eingriff in Kombination mit der Tatsache, dass Frau Dr. Hänel (auch) für diese Eingriffe ein Honorar erhält, die Verwirklichung des Tatbestandes des § 219 a StGB als sog. abstraktes Gefährdungsdelikt. Das Berufungsgericht führt hierzu auch aus: „Da Ärzte als Freiberufler üblicherweise ein Honorar beanspruchen können und letztlich für ihren Lebensunterhalt auch müssen, ist damit jeder öffentliche Hinweis auf die Bereitschaft zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen strafbar, solange die ärztliche Leistung nicht entgeltfrei angeboten wird.  (…)“

Fraglich erscheint, dass als Folge der Anwendung der Schwangerschaftsabbruch als medizinischer Eingriff insgesamt kriminalisiert wird und nicht die (notwendige) Beachtung findet, dass Frau Hänel in ihrem Internetauftritt zum rechtlich zulässigen Eingriff unter den Voraussetzungen des §§ 218a, 219 StGB informierte.
Wenn sie somit über eine Handlung informiert, die rechtlich zulässig ist, dürfte kein Schutzbereich eröffnet sein und eine abstrakte Gefährdung gar nicht vorliegen.  Dennoch wurde so geurteilt und Frau Hänel wurde als Ärztin untersagt, über den Eingriff zu informieren und aufzuklären.[1]

Wen schützt die Norm wovor und was sind die Folgen?

Mittelbar soll die Strafdrohung des § 219 a StGB dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen[2]. Der Tatbestand des Werbeverbots wurde in der Strafrechtsreform im Mai 1933 auf Grundlage der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik eingeführt.

[1] So auch Gropp in: MüKo, StGB, 3. Aufl. 2017, § 219a StGB Rn. 1f.

[2] (Eschelbach in: BeckOK StGB, 35. Ed. 1.8.2017, § 219a StGB Rn. 1).

§ 219 a StGB – Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder
2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung
anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(…)

Wie die Überschrift des § 219 a StGB besagt, handelte es sich bei der Norm um ein Verbot, für den Abbruch der Schwangerschaft zu werben. Bereits der erste Blick in den Normtext zeigt jedoch, dass es nicht nur um die Untersagung von „Werbung“ geht, sondern der Tatbestand so weit gefasst ist, dass damit letztlich ein Informationsverbot zustande kommt. Nach dem Duden ist Werbung gleichzusetzen mit „Reklame“ oder „Propaganda“. Nach der o.g. Strafnorm genügt jedoch bereits die „Information“ über die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes des „Anbietens“.

Damit gilt ein Verbot für Ärzte und Kliniken, darüber zu informieren, unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen ein legaler Schwangerschaftsabbruch erlaubt ist, welche Methoden es gibt, welche Risiken der Eingriff birgt und dass sie kostenpflichtige Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

(Quelle: https://hpd.de/artikel/paragraph-219a-stgb-verfassungswidrig-15020)

Schutzzweck des § 219 a StGB ist es ferner zu verhindern, dass sowohl der rechtmäßige als auch der rechtswidrige Schwangerschaftsabbruch als kommerzialisierbare Dienstleistung dargestellt und von der Allgemeinheit als normales Verhalten eingeschätzt werden[1]. Hier liegt jedoch die kritische Frage auf der Hand, dass es kein strafwürdiges Unrecht sein kann, wenn – wie durch Frau Dr. Hänel – Informationen über den rechtmäßigen (und damit tatbestandslosen) Schwangerschaftsabbruch, dessen Kommerzialisierung zweifellos erlaubt ist, zur Verfügung gestellt werden[2].

Dementsprechend kann die frei zugängliche Information über die Durchführung legaler Schwangerschaftsabbrüche durch Ärzte auch nicht unter Strafe gestellt werden.

Eingriff in ärztliches Berufsausübungsrecht?

Art. 12 GG schützt den Einzelnen vor staatlichen Eingriffen in die Berufsfreiheit. Dies ist eines der wichtigsten deutschen Grundrechte. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit liegt grundsätzlich dann vor, wenn die Berufswahl oder die Berufsausübung durch imperative Regelungen geregelt oder beeinträchtigt wird und diese Regelung/Beeinträchtigung eine berufsregelnde Tendenz aufweist[3]. Zweifellos hat eine Kriminalisierung der Informationsverbreitung eine berufsausübungsregelnde Tendenz. Eine weitere hiesige vollständige juristische Abhandlung ersparend, sei jedoch darauf hingewiesen, dass es für eine Rechtmäßigkeit des Eingriffes in die Berufsausübung hier an einem legitimen Zeck (Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes) mangelt. Denn Frau Hänel informiert unter Verweis auf die Voraussetzungen des §§ 218 a, 219 StGB über den Eingriff des rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruchs. Aufgrund der Legalität dieses Eingriffes ist kein Schutzbereich eröffnet und der Eingriff kann nicht gerechtfertigt werden.

Petition und Verurteilung stoßen öffentliche Debatte an

Das Verfahren von Frau Hänel hatte in den Medien und Politik große Aufmerksamkeit hervorgerufen, u.a. auch, weil sich Frau Hänel gleich zu Beginn des Verfahrens eine Petition auf Change.org initiierte, die sie im Jahr 2017 mit mehr als 150. 000 Unterschriften vor dem Deutschen Bundestag übergeben hatte (https://www.change.org/p/kristinah%C3%A4nel-informationsrecht-f%C3%BCr-frauen-zum-schwangerschaftsabbruch-219a-behindert-das ).

Reformpläne im Jahr 2019 bringen erste Änderungen

Im Frühjahr 2019 erfuhr der § 219 a StGB eine erste Reform und wurde um einen weiteren Absatz (§ 219 a Abs. 4 StGB) angefügt. Dieser erlaubte es Ärzt*innen öffentlich zwar darüber zu informieren, dass sie den Eingriff des Schwangerschaftsabbruches vornehmen – für jede weitere Information aber mussten sie auf die Webseiten anderer Stellen verweisen, etwa die der Bundesärztekammer. Diese führte eine sog. Liste an, auf der Ärzt*innen aufgeführt sind, die bundesweit Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Ziel dieser ersten Reform“versuches“ sollte sein, Ärzten, Krankenhäusern und andere Einrichtungen Klarheit und Rechtssicherheit darüber zu verschaffen, unter welchen Voraussetzungen sie straflos öffentlich über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen informieren können. Doch die Änderung im Gesetz führte nicht zu der gewollten Rechtssicherheit und weitere Verurteilungen folgten.

Da ihre Revision vor dem OLG Frankfurt Main verworfen wurde (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.12.2020), erhob Frau Hänel im Frühjahr 2021 vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen die erfolgte Verurteilung.

Im Juli 2022 wird Gesetz ersatzlos gestrichen

Das Engagement von Frau Hänel ließ auch bei der wiederholten Verurteilung nicht nach, auch wenn es sie persönlich durchaus belastet hatte. Durch ihr weiteres Ringen und ihren Einsatz aber auch den öffentlichen Druck, konnten weitere Reformpläne und -bemühungen der Exekutive angestoßen werden, die zum Regierungswechsel der Ampelkoalition plante, den § 219a StGB ersatzlos zu streichen.
So hieß es zunächst im Koalitionsvertrag: „(…) Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219 a StGB.“

(Quelle: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf  )

Am 24.06.2022 hatte der Deutsche Bundestag sodann beschlossen, den § 219 a StGB insgesamt aufzuheben. Frau Hänel wurde hierfür im Rechtsausschuss als Sachverständige gehört. Die Bundesregierung hatte einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, der im Anschluss in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag beschlossen wurde. Das Gesetz ist am 22.07.2022 in Kraft getreten. Ärztinnen und Ärzte können künftig straffrei online zum Eingriff des Schwangerschaftsabbruches informieren, mitteilen ob, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen medizinischen Methoden sie in ihrer Praxis den Eingriff durchführen.

Zudem können Ärztinnen und Ärzte, die bereits auf Grundlage des Paragrafen 219 a StGB verurteilt wurden, rehabilitiert werden. Das sieht eine Regelung im Einführungsgesetz vor. Diese hebt alle strafgerichtlichen Urteile wegen § 219 a StGB, die nach dem 3. Oktober 1990 ergangen sind auf. Laufende Verfahren werden eingestellt.

Grundsätzlich soll an dieser Stelle nochmal darauf hingewiesen werden, dass es der Entscheidung des Gesetzgebers obliegt, ob ein Verhalten strafbar ist und sanktioniert werden muss. Dennoch ist nicht jedes Gesetz, das gut gemeint ist, in seiner Anwendung und im Ergebnis auch gut gemacht, was der Fall von Frau Hänel durchaus gut zeigt. 

Denn eine Verletzung der Berufsfreiheit der Ärzte aus Art. 12 Abs. 1 GG stand während des gesamten Verfahrens durchaus im Raum, da diese auch das Recht mitumfasst, die Öffentlichkeit über erworbene berufliche Qualifikationen wahrheitsgemäß und in angemessener sachlicher Form zu informieren. Zu diesem Schluss kam beispielsweise das BVerfG im Jahr 2006. Dieses stellte in einem Beschluss folgendes fest: Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte eröffnet, muss es dem Arzt auch ohne negative Folgen für ihn möglich sein, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch nehmen können.“ (Beschluss v. 24.05.2006,1 BvR 49/00, 1 BvR 55/00, 1 BvR 2031/00).

Insoweit bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, Stellschrauben neu zu setzen, was er im Juli 2022, insbesondere nach einer langen öffentlichen Debatte, nunmehr auch getan hat.

Hauptziel des Strafrechts ist nach heute herrschender Ansicht nicht, Gerechtigkeit in der Rechtsgesellschaft herbeizuführen (Vergeltung und Sühne), sondern den Rechtsfrieden aufrechtzuerhalten. Wenn der Rechtsfrieden in weiten Teilen aber gar nicht durch eine Handlung gestört wird, stellt sich die Frage, ob eine Norm dann nicht aus der Zeit gefallen ist.

Zumindest muss man feststellen, wertet man die vielfältigen Presseberichterstattungen aus, dass weder Staatsanwaltschaften noch Gerichte von dem Unrechtsgehalt der Norm überzeugt schienen, sondern eher einer schablonenhaften Anwendung des Rechts unterlegen waren – ohne an dieser Stelle eine gesetzeskonforme bzw. verfassungsrechtliche Bewertung und Abwägung vorzunehmen.

Frau Hänel hat durch ihren mutigen und entschlossenen Schritt, mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen und ihre Kritik zu äußern, um Veränderungen anzustoßen, einen maßgeblichen Beitrag für das Gemeinwohl geleistet, der Vorbildfunktion hat und Beachtung verdient.

[1] (Bericht, BT-Drucks. 7/1981 (neu), 17; Eschelbach in: BeckOK StGB, 35

[2] So auch Merkel in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl. 2017, § 219a StGB Rn. 2, 3)

[3] Definition nach https://www.lecturio.de/magazin/art-12-gg-berufsfreiheit/

Stand der Falldarstellung: 16.06.2023 NG

 

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