Ein komplizierter Finanzrechtsstreit
Herr Dr. Tiemann und sein Partner sind zu je 50 % Eigentümer der KapHag-Unternehmensgruppe, die als Initiatorin geschlossene Immobilienfonds u.a. in der Rechtsform einer GbR auflegt. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurden u.a. die drei KapHag Renditefonds 35 Spreecenter Berlin/Hellersdorf, 1., 2. und 3. Tranche, jeweils als GbR errichtet. Die Partner sind an den beiden GbR 2. und 3. Tranche mit jeweils 4,5 % nicht nur vermögensmäßig, sondern auch hinsichtlich der Gewinne und Verluste beteiligt. Sie hatten bei der Gründung als Gesellschafter und als Garanten nur ihre Arbeitskraft einzubringen bzw. für die Durchführung des Projekts Garantien in Höhe von 900 TDM zu übernehmen. Andererseits galt eine Ausschüttungspräferenz, auch im Falle einer Liquidation, zugunsten der übrigen Mitgesellschafter.
Die Finanzverwaltung sah in der Einzahlung der Kapitaleinlagen durch die anderen Gesellschafter einen steuerpflichtigen Wertzuwachs bei den beiden Gründungsgesellschaftern, der zu steuerpflichtigem Einkommen i. H. von jeweils ca. 4 Mio. DM (4,5 % des Fondsvolumens) geführt hätte. Gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1991 ging Herr Dr. Tiemann in einem Rechtsmittelverfahren durch alle Instanzen vor. Der BFH stützte seine Entscheidung aus dem Jahr 2003 zugunsten des Unternehmers im Wesentlichen darauf, dass die beiden Gesellschafter bereits vor der Leistung der Bareinlagen durch die anderen hinzugekommenen Gesellschafter Gesellschafter der GbR waren und damit aufgrund des Wertzuwachses nichts erlangt hätten, was sie nicht bereits vorher innegehabt hatten.
In einem sich anschließenden zweiten Verfahren im Rahmen des gleichen Komplexes, das sich in ähnlicher Weise auszuweiten droht wie das vorhergehende, geht es um die nachträgliche Versagung eines Verlustausgleichs des Steuerpflichtigen unter Hinweis auf § 15 a Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 5 Nr. 2 EStG. Gemäß dieser Vorschrift kann der Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft Verluste, die er aus der Gesellschaft erlitten hat, nicht mit anderen positiven Einkünften ausgleichen, wenn es nach Art und Umfang des Geschäftsbetriebes der Gesellschaft unwahrscheinlich ist, dass er für diese Verluste mit seinem Vermögen haften muss. Das Finanzamt verwehrte den Ausgleich von positiven Einkünften, die Herr Dr. Tiemann erzielt hatte, mit Verlusten, die er erlitten hatte, mit der Begründung, dass er infolge der vollständigen Eigenfinanzierung des Fonds de facto gegenüber Gläubigern der Gesellschaft nicht mit seinem persönlichen Vermögen gehaftet hätte und er deshalb gemäß § 15a EStG Verluste nicht mit positiven Einkünften ausgleichen, sondern nur mit künftigen Gewinnen aus den Fonds verrechnen könne. Die von ihm übernommenen Garantien und die damit verbundenen erheblichen Risiken blieben in der Argumentation des Finanzamts unberücksichtigt.
Streitig ist nicht nur die materielle Rechtmäßigkeit des betreffenden, 1998 ergangenen geänderten Feststellungsbescheids über nicht ausgleichbare, sondern nur mit künftigen Gewinnanteilen aus der Gesellschaft verrechenbaren Verlusten gemäß § 15a EStG, die ursprünglich nicht festgesetzt wurden, sondern auch dessen Zulässigkeit im Hinblick auf eine inzwischen eingetretene Festsetzungsverjährung. Das Finanzamt ist der Meinung, dass die Rücknahme der Einsprüche gegen die nach einer Betriebsprüfung ergangenen geänderten Gewinnfeststellungsbescheide nicht auch die Einsprüche gegen die auf demselben Papier ergangenen Feststellungsbescheide gemäß § 15a EStG eingeschlossen hätte und insofern die Festsetzungsverjährung, die infolge der Betriebsprüfung unterbrochen worden war, nur hinsichtlich der Gewinnfeststellungsbescheide, nicht aber hinsichtlich der Feststellungsbescheide über verrechenbare Verluste gemäß § 15a EStG eingetreten sei. In dem ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheid für die Jahre 1991 bis 1995 vom Februar 1998 wurde in der Überschrift auch die Feststellung der verrechenbaren Verluste gemäß § 15a EStG erwähnt, nähere Angaben hierzu fehlten jedoch.
Die Änderung der Feststellungsbescheide gemäß § 15a EStG stützt das Finanzamt unabhängig von der Frage der Festsetzungsverjährung auch auf § 174 Abs. 4 AO. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift sieht es in der Entscheidung des BFH aus dem Jahre 2003 als erfüllt an. Die Vertreter des Einspruchsführers bestreiten das mit der zutreffenden Begründung, dass der bestimmte Sachverhalt, dessen irrige Beurteilung der BFH festgestellt hat und der daraufhin zur Aufhebung der betreffenden Bescheide durch die Finanzverwaltung geführt hat, ein anderer sei als derjenige, der der Verweigerung des Verlustausgleichs gemäß § 15a EStG zugrunde liegt und damit die Voraussetzungen für die Anwendung von § 174 AO nicht erfüllt seien.
Gegen die im Dezember 2004 ergangenen Bescheide über die gesonderte Feststellung der verrechenbaren Verluste gemäß § 15a EStG für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1995 wurde im Januar 2005 Einspruch eingelegt.
Stand der Falldarstellung: 2006