Werner Berg, Mettendorf vs. SOKA-Bau

Foto: handwerksblatt.de

Neue „Azubi-Umlage“ der SOKA-Bau bedroht Einzelunternehmer in seiner Existenz

– Update vom 04.09.2017 am Ende der Falldarstellung! –

Werner Berg ist Zimmermann aus Mettendorf in der Eifel und seit 10 Jahren selbständig als Einzelunternehmer. Aufgrund eines Arbeitsunfalls gilt er als Teilinvalide und betreut zuhause seine zwei kleinen Kinder, während seine Frau arbeiten geht. Er übt seine Selbstständigkeit daher nur an 2 – 3 Tagen in der Woche aus. Herr Berg beschäftigt keine Angestellten und mangels Meistertitel auch keine Auszubildenden.

Bisher war er daher auch nicht beitragspflichtig im Sozialkassenverfahren der SOKA-Bau. Hier mussten bisher nur Betriebe, die gewerbliche Arbeitnehmer und/oder Azubis beschäftigen, 20,4 % des Bruttolohnes eines jeden Beschäftigten abführen – anteilig zusammengesetzt aus Anteilen zur Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft e.V. (ULAK) zur Urlaubssicherung (15,1 %), zur Zusatzrente (3,2 %) und zur Berufsbildung (2,1 %).

Die Tarifparteien des Tarifvertrags über die Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) haben im April 2015 jedoch beschlossen, nun auch Einzelunternehmer/Solo-Selbstständige zur Kasse zu bitten. Die entsprechenden Regelungen wurden in § 17 des Tarifvertrags aufgenommen, dessen Allgemeinverbindlichkeit vom Bundesarbeitsministerium am 14. Juli 2015 rückwirkend zum 01. Januar 2015 erklärt wurde. Mit Wirkung zum 01. April 2015 müssen alle Bauunternehmen „auch wenn sie keine gewerblichen Arbeitnehmer beschäftigen“ einen jährlichen Mindestbeitrag in Höhe von 900 € an die SOKA-Bau zu zahlen.

Info: Beitrag zur Berufsbildung

Mit dem Beitrag zum Berufsbildungsverfahren werden laut SOKA „sämtliche Kosten der überbetrieblichen Ausbildung in den Ausbildungszentren und ein großer Teil der betrieblichen Ausbildung finanziert“.  Ausbildungsbetrieben wird dabei ein Teil Ausbildungsvergütung (17 Monate bei einer Ausbildungszeit von 36 Monaten), sowie ein Teil der Sozialaufwendungen für die Azubis (20 % der Bruttoausbildungsvergütung) erstattet.

Im April 2015 begann die SOKA damit, die Betriebe anzuschreiben und über den neuen „betriebsbezogene Mindestbeitrag“ zu informieren.

Umsatzabhängige Beitragsstaffelung und Härtefallregelung fehlen

Herr Berg war von dieser Neuerung sehr überrascht. Zwar hat er nicht grundsätzlich etwas gegen einen Beitrag zur Ausbildungsförderung. Er kritisiert aber, dass der neue Mindestbeitrag unabhängig von der Betriebsgröße gilt, Umsatzzahlen oder Ähnliches spielen dabei also keine Rolle. Weder das Vorliegen der Voraussetzungen der Kleinunternehmerregelung eines Betriebes (Umsatzgrenze von 17.500 € /p.a.) noch anderweitige Ausnahme- oder Härtefalltatbestände sind vorgesehen.          

Herr Bergs Betriebsumsatz ist nicht mit dem eines auftragsstarken Bauunternehmens vergleichbar. Der Betrag von 900 €, der für ihn mehr als ein Monatseinkommen ist, stellt für ihn eine erhebliche finanzielle Belastung dar, dessen Nutzen ihm mehr als fragwürdig erscheint. Daher ist es für Herrn Berg unverständlich und im Ergebnis ungerecht belastend, dass die Höhe des Beitrages nicht abhängig vom Betriebsumsatz  gestaffelt ist, wie in vielen anderen Lebensbereichen.

„Investition in die Konkurrenz“  – Fragwürdiger Nutzen für Einzelunternehmer

Laut SOKA-Bau  fördere der neue „betriebsbezogene Mindestbeitrag“ die Beitragsgerechtigkeit, denn auch Einzelunternehmer würden potentiell von gut ausgebildeten Fachkräften profitieren. Außerdem hätten Einzelunternehme gegenüber Handwerksbetrieben mit Arbeitnehmern Wettbewerbsvorteile, weil sie keine Mindestlöhne erhielten und keine Sozialabgaben zahlen müssen. Der Beitrag solle somit auch der angeblich zunehmenden Scheinselbstständigkeit entgegenwirken.

Diese Begründung ist für Herrn Berg für wie seinen Mitstreiter Herrn Thomas Fieber – Inhaber des Ein-Mann-Betriebes „Fliesen Fieber“ aus Bodenfelde in  Niedersachsen nicht nachvollziehbar. Herr Fieber z.B. bildet schon seit Jahren aufgrund der mitunter schwankenden Auftragslage seines Unternehmens keine Auszubildenden mehr aus und beschäftigt auch keine Angestellten. Er sieht nicht, wo er von den künftigen Fachkräften profitieren solle. 

„Wer soll die neu ausgebildeten frischen Gesellen beschäftigen? Kaum einer. Was bleibt also? Der Weg in die Selbständigkeit.“  (Zitat T. Fieber, Handwerk.com vom 09.03.2015)

Herr Fieber engagiert sich öffentlich für mehr Transparenz bei der Beitragserhebung und -verwendung, betreibt einen eigenen Blog über seine Firmen-Webseite und steht in intensivem Kontakt mit zahlreichen Betroffenen.

Wofür werden die zusätzlichen Einnahmen zukünftig verwendet?

Info: Zahlen aus dem Geschäftsbericht 2014 der SOKA-Bau:

Laut SOKA-Bau-Geschäftsbericht für das Jahr 2014 waren 71.600 Betriebe beitragspflichtig. Die Bruttolohnsummen betrugen 14,612 Mrd. €. Aus dem Beitrag zur Berufsbildungsförderung (= 2,1 % der Bruttolohnsumme) hat die SOKA-Bau somit einen Betrag in Höhe von  ca. 300 Millionen € eingenommen. Im Geschäftsbericht führt die SOKA-Bau aus, dass sie für die Berufsausbildung insgesamt 298 Mio. € erstattet haben.

Die Zahlen des Geschäftsberichts zeigen, dass die Ausgaben im Rahmen des Berufsbildungsverfahrens durch die Einnahmen aus gezahlten Beiträgen gedeckt werden konnten.
Eine Ausweitung der Beitragspflicht kann somit nicht den Hintergrund haben, dass die SOKA-Bau mehr erstattet und bezuschusst als sie über die Beträge bisher eingenommen hat.

Im Interview mit der Online-Fachzeitschrift Handwerk.com teilt die SOKA-Bau am 20. März 2015 mit, auf Grundlage der Zahlen des statistischen Bundesamtes rechne man damit, dass ca. 40.000 Einzelunternehmer durch die Änderung des Tarifvertrages neu in die Finanzierung der Berufsbildungsverfahren einbezogen werden. Auf dieser Grundlage ergibt sich unter der Voraussetzung, dass jeder dieser Betriebe die Mindestabgabe von 900 €/p.a. zahlen werden, zusätzliche Einnahmen für die SOKA-Bau in Höhe von 36 Millionen €.

Laut Geschäftsbericht der SOKA-Bau für das Jahr 2014 sind die Ausbildungsverhältnisse im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig (0,78%), das heißt es ist kein Trend zu verzeichnen, der zukünftig eine (deutlich) höhere Bezuschussung notwendig machen wird. Da weder der Erstattungsanteil für Ausbildungsbetriebe gestiegen ist, noch voraussichtlich deutlich mehr junge Leute ausgebildet werden als bisher, stellt sich die berechtigte Frage, wofür die zusätzlichen Gelder verwendet werden.
Die SOKA-Bau äußerste sich hierzu bislang nicht.  Es bleibt somit der Geschäftsbericht 2015 der SOKA Bau abzuwarten, um zu erfahren wofür sie die zusätzlichen Einnahmen aufgewendet haben wird.

Das Argument der SOKA-Bau der „Beitragsgerechtigkeit“, nach dem nun Einzelunternehmer, die nicht ausbilden wollen oder mangels Qualifikation nicht dürfen, gleichermaßen am Berufsbildungsverfahren zu beteiligen wie ein Bauunternehmen, das häufig oder gar laufend Gesellen hat und Erstattungen von SOKA-Bau ohne Bedürftigkeitsprüfung erhält, erscheint im Ergebnis nicht überzeugend.

Und auch die Aussage der SOKA-Bau, dass Einzelunternehmer gleichermaßen von gut ausgebildetem Fachpersonal profitieren, kann man die Studie des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung entgegenhalten, dass lediglich 7 – 11% der Selbständigen in den ersten 5 Jahren nach ihrer Gründung mind. einen Beschäftigten haben (Quelle: Handwerk.com 20.03.2015).

Verantwortungsadressat Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Der Tarifvertrag für das Sozialkassenverfahren (VTV), der die Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung der SOKA-Bau darstellt, wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gemäß § 5 Tarifvertragsgesetz für allgemeinverbindlich erklärt, wenn dies  „im öffentlichen Interesse geboten erscheint“. Durch das Bejahen dieser Voraussetzung übernimmt das BMAS Verantwortung für dieses Handeln der SOKA-Bau.  

Weder Herr Berg noch Herr Fieber sind grundsätzlich gegen eine Abgabepflicht zur Ausbildungsförderung. Nützlich im Sinne des Ziels der Nachwuchsförderung wäre es, wenn die SOKA-Bau die zusätzliche Einnahmen im Anschluss verwendet, um den Erstattungsbetrag für die Betriebe  zu erhöhen. Herr Fieber wäre dann auch wieder bereit auszubilden, da sich das finanzielle Risiko für ihn verringern würde.

Stand: 08/2016

Update 04.09.2017: Gute Neuigkeiten für Solo-Selbständige: SOKA-Bau zahlt Ausbildungsumlage zurück!

Mit Beschluss vom 01.08.2017 hat das Bundesarbeitsgericht klar entschieden, dass Selbständige, die keine Beschäftigte haben, keine Arbeitgeber und damit auch keine Betriebe im Sinne des § 2 Arbeitsgerichtsgesetz sind.  Gemäß § 17 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 3. Mai 2013 idF vom 10. Dezember 2014 haben „Betriebe“, auch wenn sie keine gewerblichen Arbeitnehmer beschäftigen, zur Aufbringung der tariflichen Leistungen im Berufsbildungsverfahren einen jährlichen Beitrag (Ausbildungskostenumlage) von mindestens 900,00 Euro an die SOKA-Bau zu zahlen.

Die Soka-Bau erklärt daraufhin am 24.08.2017 auf ihrer Webseite, dass sie den Einzug des Mindestbeitrages stoppen und die bislang geleisteten Mindestbeiträge baldmöglichst zurückerstatten werde.

Pressemitteilung des BAG

Beschluss BAG Az.: 9 AZB 45/17

News SOKA-Bau vom 24.08.2017

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