Überraschende Einstufung als sog. arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit für Solo-Selbständigen:
Fast 7 Jahre Rechtsstreit mit der Deutschen Rentenversicherung
Diplom-Informatiker Bernd Oppolzer ist seit dem Jahr 1983 freiberuflich tätig und bietet seinen Auftraggebern nachhaltige (System-) Softwareentwicklung und Programmierfertigkeiten an, welche insbesondere auch umfangreiche Seminartätigkeiten betreffen. Mit seinen Kunden schließt Herr Oppolzer Einzelverträge und beschäftigt keine ArbeitnehmerInnen. Die Anzahl seiner Kunden hängt davon ab, wie zeitintensiv und lukrativ die einzelnen Aufträge sind. Im Jahr 2015 leitete die Deutsche Rentenversicherung (kurz: DRV) anlässlich eines Kontenklärungsverfahrens die Prüfung ein, ob für Herrn Oppolzer eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Das Ergebnis war für Herrn Oppolzer überraschend: Seine Tätigkeit wurde als sog. arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit eingestuft, was dazu führte, dass er laut DRV für vier Jahre rückwirkend Beiträge zur Rentenversicherung zahlen sollte. Insgesamt 45.000 EUR. Es folgten über 7 Jahre andauernde außergerichtliche und gerichtliche Verfahren gegen die DRV. Am Ende hat sich der lange Atem von Herrn Oppolzer gelohnt. Den ganz überwiegendenden Teil der von ihm nachgezahlten Pflichtbeiträge musste ihm die DRV zurückerstatten – nebst Zinsen.Der Fall von Herrn Oppolzer zeigt nicht nur beispielhaft, dass Einzelunternehmer selbst nach jahrzehntelanger Tätigkeit noch von der DRV mit Beitragszahlungen überrascht werden können. Er wirft auch Fragen hinsichtlich der tatsächlichen Schutzbedürftigkeit der Betroffenen auf, insbesondere wenn in der Rechtsanwendungspraxis die konkreten Umstände außer Acht gelassen werden.
Arglosigkeit bezüglich Einstufung der selbständigen Tätigkeit
Einen Anlass zu befürchten, dass die DRV aus seiner Tätigkeit eine Beitragspflicht ableiten würde, gab es für Herrn Oppolzer jahrzehntelang nicht.
Durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20. Dezember 1999 wurde zwar das sog. Statusfeststellungsverfahren eingeführt, welches in Zweifelsfällen den Beteiligten Rechtssicherheit darüber verschaffen soll, ob sie selbstständig tätig oder abhängig beschäftigt und damit versicherungspflichtig, sind.
Kurz nach Einführung des o.g. Gesetzes bestätigte Herrn Oppolzer nach eigenen Angaben seine Krankenkasse im Jahr 2000, dass er von der o.g. Regelung zur Scheinselbständigkeit nicht betroffen sei und er seine Tätigkeit wie gehabt fortsetzen könne. Auch die Kontenklärungsverfahren bei der DRV inkl. Einreichung der Einzelverträge verliefen bis zum Jahr 2015 viele Jahre lang ohne Beanstandungen.
Abgrenzung der arbeitnehmerähnlichen Selbständigkeit zur Scheinselbständigkeit
Im Gegensatz zum Scheinselbständigen (geregelt im SGB IV „Gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung“), der rechtlich gesehen den Status eines Arbeitnehmers hat, ist ein arbeitnehmerähnlicher Selbständiger (geregelt im SGB VI „Gesetzliche Rentenversicherung“) eine selbständig tätige Person, die im Wesentlichen und dauerhaft zwar nur für einen Auftraggeber tätig ist, dabei aber nicht an Weisungen des Auftraggebers hinsichtlich Arbeitszeit und -ort gebunden ist. Ein arbeitnehmerähnlicher Selbständiger ist deshalb zwar nicht sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtig, jedoch rentenversicherungspflichtig (§ 2 Satz 1 Nr. 9 SGB IV).
Das Merkmal „im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig“ wird erfüllt, wenn mindestens 5/6 des Umsatzes über einen Auftraggeber generiert wird (sog. 5/6-Regelung). Gleiches gilt, wenn eine vertragliche Ausschließlichkeitsvereinbarung vorliegt. (Quelle: https://www.ihk.de/kassel-marburg/hauptnavigation/gruendung/start-in-die-selbststaendigkeit/scheinselbststaendigkeit-und-arbeitnehmeraehnliche-selbststaendige-4682676)
Aufträge sprachen für DRV für arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit
Das Unternehmenskonzept von Herrn Oppolzer war seit jeher grundsätzlich so angelegt, dass er mit mehreren Kunden Aufträge anstrebt. Zeitweilig hatte er im Prüfungszeitraum nur zwei Firmen als Auftraggeber, die jedoch demselben Mutterkonzern angehörten.
Unter Anwendung von § 2 S.1 Nr.9 SGB VI und der 5/6-Regelung kam die DRV in ihrem Bescheid vom 21.03.2016 zu dem Ergebnis, dass Herr Oppolzer als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger einzustufen und daher für den Prüfungszeitraum rückwirkend und zukünftig beitragspflichtig bei der Deutschen Rentenversicherung sei.
Unternehmer setzt sich gegen Entscheidung der DRV zur Wehr
Als jahrzehntelang tätiger Unternehmer war Herr Oppolzer von der Entscheidung der DRV stark irritiert. Nach eigenen Angaben passte diese nicht zu seinem Verständnis einer selbständigen Tätigkeit und ließ insbesondere wesentliche Fakten seines Falls außer Acht. Denn abgesehen davon, dass der Zustand, in dem er sein Einkommen hauptsächlich über einen großen Auftraggeber generierte, nur zeitweilig und keinesfalls den ganzen Prüfungszeitraum betreffend anhielt, war Herr Oppolzer jahrzehntelang unternehmerisch tätig und zahlte drüberhinaus – ganz nach dem Prinzip der unternehmerischen Eigenverantwortung- in eine private Altersvorsorge ein. Ein Schutzbedürfnis wegen der Gefahr der Altersarmut bei Herrn Oppolzer bestand somit gerade nicht.
(Anmerkung: An dieser Stelle drängt sich der Hinweis auf, dass die DRV aus den aktuell generierten Beiträgen auch die aktuellen Renten zahlt, die Beitragszahlungen somit nicht den diese Geleisteten auch 1:1 zugutekommt bzw. deren Altersversorgung absichert.)
Daher entschied sich Herr Oppolzer, einen Rechtsanwalt zu beauftragen und legte gegen den Bescheid der DRV Widerspruch ein.
Die geforderten Beiträge zahlte er vorsorglich, jedoch „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“.
Zudem beantragte er ungeachtet dessen, dass seiner Auffassung nach, keine Versicherungspflicht bestehe, im Juni 2016 höchst vorsorglich die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 5 SGB VI.
Nachdem sein Widerspruch am 30.01.2017 von der DRV als unbegründet abgewiesen wurde, erhob Herr Oppolzer am 27.02.2017 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart.
Sozialgericht gibt DRV für Prüfungszeitraum 2015 – 2018 recht
Im November 2020 erging sodann das Urteil, nach einer Verfahrensdauer von 3 Jahren und 9 Monaten.
Den streitgegenständlichen Prüfungszeitraum (2011 – 2018) überprüfte das Gericht genau und kam letztlich zum Ergebnis, dass die Klage von Herrn Oppolzer teilweise begründet war.
Da Herr Oppolzer im Zeitraum 01.01.2015 – 31.12.2018 auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig gewesen war, sah das Gericht hier eine Rentenversicherungspflicht als gegeben an.
Zum Merkmal der „Dauerhaftigkeit“ führte die Kammer im Urteil folgendes aus: „(…) Von einer Tätigkeit auf Dauer ist auszugehen, wenn diese für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ausgeübt wurde. Nur bei einer im Voraus begrenzten, insbesondere projektbezogenen Tätigkeit, ohne begründete Aussicht auf eine Verlängerung liegt keine Bindung an einen Auftraggeber vor, wenn die Begrenzung innerhalb eines Jahres liegt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 06.02.2020 – Az.: L 7 R 3948120 – Rdrr. 33 bei juris m.w.N.).“ (SG Stuttgart, Urteil vom 27.11.2020, S.12, Az.:521k956/.17)
Da Herr Oppolzer mit einem Unternehmen einen Rahmenvertrag schloss, der zwar mit einer vierwöchigen Frist kündbar aber grds. unbefristet galt und die Konditionen zur Durchführung von beauftragten Einzelprojekten regelte und Herr Oppolzer auf Grundlage dieses Rahmenvertrages für den Aufraggeber Einzelprojekte durchführte, die teilweise länger als ein Jahr dauerten, war das Merkmal der „Dauerhaftigkeit“ erfüllt.
Zum Merkmal der „Wesentlichkeit“ führte die Kammer im Urteil folgendes aus: „(…) In der Praxis wird nach dem Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 20.12.1999 das Erfordernis der Wesentlichkeit als erfüllt angesehen, wenn der Selbständige mindestens fünf Sechstel seiner gesamten Einkünfte allein aus der Tätigkeit für einen Auftraggeber erzielt, wobei es sich naturgemäß nur um einen Orientierungsrahmen handeln kann. Zu betrachten sind grundsätzlich die Einkünfte innerhalb eines Kalenderjahres, wobei die Einkünfte des Vorjahres sowie die voraussichtlichen Einkünfte in einer wertenden Betrachtung zu berücksichtigen sind (vgl. Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 01.12.2A05 – Az. L 1 RA 11104 – Rdnr.23 bei juris)“ (SG Stuttgart, Urteil vom 27.11.2020, S.13, Az.:521k956/.17)
Für alle übrigen Zeiträume (01.01.2011-31.12.2014 sowie ab 01.01.2019) war nach Auffassung des Gerichts keine Versicherungspflicht gegeben, da Herr Oppolzer jedenfalls nicht auf Dauer nur für einen Auftraggeber tätig bzw. jedenfalls nicht mehr im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig gewesen sei. Und ab 2019 hatte Herr Oppolzer eindeutig mehrere Auftraggeber, deswegen galt er ab da nicht mehr als arbeitnehmerähnlich.
In den Ausführungen der Kammer zur Bejahung der Versicherungspflicht (da im Wesentlichen nur ein Auftraggeber) heißt es unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: „(…) Wer ohne versicherungspflichtigen Arbeitnehmer selbstständig tätig wird, ist typischerweise nicht in der Lage, so erhebliche Verdienste zu erzielen, dass er sich außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung absichern könnte, und damit nach seiner wirtschaftlichen Lage sozial schutzbedürftig. Die weitere Voraussetztung der Tätigkeit nur für einen Auftraggeber ist in gleichem Maße aussagekräftig. Sie indiziert eine wirtschaftliche Abhängigkeit und damit ebenfalls typisierend soziale Schutzbedürftigkeit, ohne dass es auf eine konkrete wirtschaftliche Schutzbedüftigkeit ankäme. (…)“ (SG Stuttgart, Urteil vom 27.11.2020, Az.:521k956/.17)
Da Herr Oppolzer zum 01.06.2016 vorsorglich den Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gestellt hatte und das Gericht dem Antrag folgte (jedoch auf der Grundlage des in seinem Fall zur Befreiung einschlägigen § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr.1 SGB VI), blieben – glücklicherweise- am Ende nur der Zeitraum 01.01.2015 – 31.05.2016 übrig, für die Herr Oppolzer Beiträge zu entrichten hatte.
Schutzbedürftigkeit des Einzelunternehmers
Hintergrund der Rechtsfigur des „arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen“ ist seine Absicherung. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein Selbstständiger, der hauptsächlich nur für einen Auftraggeber tätig ist und keine Angestellten hat, besonders schutzbedürftig ist, da ein Auftraggeber schnell wegfallen könne. Dies erscheint insofern überzeugend, wenn man davon ausgeht, dass der Soloselbständige, der von seinen Kapazitäten her an einen Auftraggeber gebunden ist, am Markt kaum werbend auftreten sowie keinen breiten Kundenstamm aufbauen könne, der ihn bei einem Ausfall des Einzelauftrages wirtschaftlich „auffangen“ würde. Doch ist dies ein Szenarion von dem man in Fällen wie bei dem von Herrn Oppolzer schablonenhaft ausgehen kann?
Die Annahme, dass ein Selbstständiger, der selbst keine Arbeitnehmer beschäftigt, nicht in der Lage sei, erhebliche Einkünfte zu erzielen, die ihm eine eigene Vorsorge ermöglichen würden, erscheint bspw. sehr starr.
Es gibt nicht unbeachtliche Faktoren, mit denen sich die DRV und das Sozialgericht nicht auseinandergesetzt haben:
• Ein zum Prüfungszeitpunkt 56-jähriger Unternehmer, der seit über 30 Jahren mit seiner Tätigkeit ein nicht unbeachtliches Einkommen erzielt und versteuert. Die Einkommensteuerbescheide lagen der DRV und dem Sozialgericht unstreitig vor.
Hierzu führte das Gericht sogar aus: „(…) Er hat seine Tätigkeit nach eigenen Angaben bereits zum 01.10.1983 aufgenommen und über Jahre hinweg durch die Tätigkeit nicht unbeträchtliche Einnahmen erzielt, die er als Einkünfte aus Gewerbebetrieb/selbstständiger Tätigkeit versteuert hat. Dies entnimmt die Kammer den vorliegenden Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2011 bis 2013.(…)“ jedoch lediglich, um die Abgrenzung vorzunehmen, ob Herr Oppolzer bei seiner Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht handelte oder nicht.
• Allein die Tatsache, dass Herr Oppolzer die Nachforderung in Höhe von 45.000 EUR zwar ohne Anerkennung einer Rechtspflicht jedoch insbesondere „aus dem Stand“ bezahlte, spricht dafür, dass er als Unternehmer nicht nur liquide ist, sondern darüber hinaus auch Rücklagen gebildet hat.
• Weiterhin handelt es sich um einen Unternehmer, der privat für seine Altersversorgung vorsorgt und daher bzgl. Altersarmut nicht schutzbedürftig ist.
Bei kritischer Betrachtung stellen sich daher eine Reihe von Fragen. Eine drängt sich jedoch besonders auf: Kann man allein anhand der Anzahl der Auftraggeber die Gefahr einer finanziellen Bedürftigkeit im Alter herleiten und zur Abwendung dieser ein Schutzbedürfnis konstruieren?
Realitätsnäher wäre es, die Anzahl der Auftraggeber als „widerlegbares Indiz“ für ein Schutzbedürfnis zu behandeln und im Einzelfall nicht nur zu berücksichtigen, wie hoch das erzielte versteuerte Einkommen ist, sondern ob der Selbständige eine private Altersvorsorge betreibt und damit die Gefahr der Altersarmut bannt und nicht schutzbedürftig ist.
Für den Solo-Selbständigen geht die ganze Regelung rund um die arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit an der Lebenswirklichkeit vorbei; denn, „wenn die Schutzbedürftigkeit das Kernthema wäre, dann müsste man die anders feststellen. Erstens fühle ich mich nicht schutzbedürftig nach all den Jahren, und wieso endet die Schutzbedürftigkeit plötzlich, wenn ein zweiter – kleiner – Kunde dazukommt?“ (Zitat B.Oppolzer)
Branchenspezifische Unterscheidungen drängen sich auf
Das viel mehr branchenspezifische Besonderheiten Berücksichtigung finden müssten, hat u.a. das Sozialgericht Aachen in einem vergleichbaren Fall im März 2004 entschieden. Dort heißt es in dem lesenswerten Urteil:
„Die Tatsache, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum lediglich für einen Auftraggeber – die X GmbH – tätig wurde, resultiert daraus, dass diese Firma dem Kläger einen besonders großen und lukrativen Auftrag erteilt hat. Nach seinem Unternehmenskonzept strebt der Kläger dennoch die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern an. Dies verspricht nach den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten auch Erfolg, wie die Vielzahl der unterschiedlichen Auftraggeber zeigt. Schließlich ist auch die branchenspezifische Besonderheit zu berücksichtigen, dass der Kläger regelmäßig komplexe Aufträge annimmt, die seine gesamte Arbeitskraft binden. Sinn und Zweck der Einführung von § 2 Abs. 1 Nr. 9 – Einbeziehung weiterer schutzbedürftiger Personen in die gesetzlichen Rentenversicherung – würde auf den Kopf gestellt, wenn gerade dann, wenn der Betroffene einen besonders lukrativen und umfangreichen Auftrag erhält, er der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt, während er in Zeiten, in denen er mehrere kleine Aufträge, die sich nebeneinander erledigen lassen, bearbeitet, er dieser Versicherungspflicht nicht unterliegt.“ (Quelle: SG Aachen, Urteil vom 26.03.2004 – S 8 RA 87/03 https://openjur.de/u/103898.html )
Bei Herr Oppolzer lag der Fall ähnlich. Das Unternehmenskonzept ist grds. so angelegt, dass er mit mehreren Auftraggebern Aufträge anstrebt. Aufgrund der größeren lukrativen Aufträge der vergangenen Jahre, war jedoch seine ganze Kapazität an diese gebunden.
Diese Rechtsansicht – wie vom SG Aachen vertreten- hat sich aber bislang nicht als herrschend durchgesetzt. Vielmehr wird pauschal die 5/6-Regel angewendet (s.o.).
Weitere Klage wegen Erstattungszinsen zieht sich bis April 2023 hin
Zwar erkannte die DRV das erstinstanzliche Urteil an, allerdings erstattete die DRV nur die zu Unrecht erhaltenen Beträge zurück. Zinsen, für die zu Unrecht bereits im Jahr 2016 erhaltenen Beträge, zahlte die DRV hingegen nicht. Mit Schriftsätzen vom 15.12.2020 sowie 26.01.2021 forderte Herr Oppolzer die DRV unter konkreter Bezifferung der angefallenen Erstattungszinsen auf, diese an ihn auszuzahlen.
Mit Bescheid vom 09.04.2021 hat die DRV die Auszahlung der Erstattungszinsen abgelehnt. Hiergegen erhob Herr Oppolzer Widerspruch. Da die DRV hingegen nicht in einer angemessenen Frist über den Widerspruch von Herrn Oppolzer entschieden hatte, erhob er vor dem zuständigen Sozialgericht in Stuttgart am 22.03.2022 Untätigkeitsklage. Diese wurde dann im weiteren Verlauf für erledigt erklärt, weil die DRV zwischenzeitlich über den Widerspruch ablehnend entschied.
In der vom Klageantrag umgestellten Klage machte Herr Oppolzer über 7.000 Euro nebst weiterer Zinsen ab 01.01.2021 geltend. Für Herrn Oppolzer und seinen Rechtsbeistand war das Handeln der DRV bzgl. der Erstattungszinsen nicht nachvollziehbar, da aufgrund des ersten Urteils offensichtlich war, dass diese ebenfalls zurückerstattet werden mussten.
Das Verfahren hierzu endete im April 2023 mit einem für Herrn Oppolzer erfolgreichen Vergleich. Mit diesem einigten sich Herr Oppolzer und die DRV darüber, dass von der DRV die Zinsen in vollem Umfang sowie die außergerichtlichen Kosten von Herrn Oppolzer zu 96 % zu erstatten sind.
Nach sieben Jahren Rechtsstreit möchte Bernd Oppolzer mit seinem Fall anderen Selbstständigen Mut machen, sich zu wehren und gerichtliche Schritte zu gehen, wenn man der Überzeugung ist, im Recht zu sein.
Mit seinem Fall macht er sichtbar, dass auch erfahrene Unternehmer durch plötzliche Entscheidungen von Behörden und verselbständigten Bürokratien überrascht werden können. Ein differenzierter Blick auf das hinter der Beitragsbeitreibung tatsächlich stehende Schutzbedürfnis der Betroffenen würde zu einer nachvollziehbareren Praxis und auch zu mehr Rechtssicherheit bei den Betroffenen führen.
Stand der Falldarstellung: 11.11.2024