Wettbewerbsverzerrung aufgrund unklarer Rechtslage?
Verbraucherverband setzt gerichtlich Pfandpflicht für Vertrieb von alkoholfreiem Gin durch
Maximilian von Pückler stellt in seiner „The DUKE Destillerie“ hochwertige Spirituosen her, u.a. einen alkoholfreien Gin mit dem Namen „Entgeistert“. Diesen vertrieb das junge Unternehmen pfandfrei, da im Verpackungsgesetz eine Pfandpflicht für alkoholfreie Spirituosen nicht ausdrücklich geregelt ist. Überraschend wurde das Unternehmen jedoch von einem Wettbewerbsverband abgemahnt. Nach einem klaren Erfolg in erster Instanz wurde das Unternehmen von Herrn von Pückler jedoch in zweiter Instanz zur Erhebung von Pfand für ihren alkoholfreien Gin verurteilt. Diese Entscheidung belastete die Finanzen des noch jungen Unternehmens stark.
Ein Ergebnis mit Störgefühl bleibt und ein wohl klarer Nachbesserungsauftrag für Gesetzgeber und Verwaltung. Denn aus fehlender Rechtssicherheit erwachsen intransparente und mitunter schwer nachvollziehbare Entscheidungen sowie vermeidbare Beeinträchtigungen der Betroffenen, denen es entgegenzuwirken gilt.
Der Fall zeigt, dass junge UnternehmerInnen nicht nur mit überraschenden Hürden zu rechnen haben sondern auch, dass der Umgang mit diesen durch die Gerichte konträr ausfallen kann.
Destillerie mit Start in Münchener Hinterhof
„The DUKE Destillerie“ ist ein kleines Unternehmen, das Gin und andere Spirituosen kreiert und herstellt.
Für ihre Idee von einem deutschen hochwertigen Gin funktionierten die beiden Gründer Maximilian von Pückler und Daniel Schönecker bereits ihre Studentenwohnung in einem Münchner Hinterhof kurzerhand zur Destillerie um. Geboren war der THE DUKE Munich Dry Gin.
Zunächst wurde der Gin ausschließlich in der Gastronomie ausgeschenkt. Bald waren aber auch Händler und Endkonsumenten an dem Produkt interessiert.
Die ehemalige Kartoffelbrennerei in Aschheim, in der Herr Von Pückler heute seine Besucher empfängt, verfügt über eine sog. „Gläserne Destillerie“, die Besuchern Einblick in die Entstehung der Destillate gewährt und über einen hauseigenen Destillerie-Laden. Weiterhin werden Führungen sowie Verkostungen angeboten.
Das Unternehmen mit zurzeit 20 Mitarbeitern führt Herr von Pückler mittlerweile allein. Herr Schönecker arbeitet seit 2016 nicht mehr im Unternehmen, beide stehen aber weiterhin in gutem Austausch.
Herr von Pückler arbeitet weiter an neuen Kreationen. Neben der alkoholhaltigen Variante vertreibt er auch seit Juni 2021 einen alkoholfreien Gin mit dem Namen „Entgeistert“.
Wettbewerbsverband fordert von Jungunternehmen für alkoholfreie Spirituose Pfanderhebung
Wegen des Vertriebs dieses alkoholfreien Gins mahnte der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. (kurz: VSW) am 28.02.2024 die „The DUKE Destillerie“ und forderte das Unternehmen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Begründet wurde dies durch den VSW insbesondere damit, dass mangels gesetzlicher Befreiung gemäß § 31 VerpackG eine Pfandpflicht für den Vertrieb des alkoholfreien Gins bestünde.
Info: Der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. ist ein in die Liste der qualifizierten Verbraucherverbände des Bundesamtes für Justiz eingetragener Wettbewerbsverband. Der Verband gibt an, circa 350 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und 18 Wirtschaftsverbände als Mitglieder zu haben. Laut Website ist der Zweck des VSW, unlauteren Wettbewerb und Wirtschaftskriminalität im Interesse der Allgemeinheit, gewerblicher Unternehmen, freiberuflich Tätiger sowie der Mitglieder zu bekämpfen. Der Verein verfolgt Beschwerden über unlautere Wettbewerbshandlungen durch Mitglieder, anderweitige Marktteilnehmer aber auch öffentlich-rechtliche Körperschaften. Der VSW finanziert sich insbesondere durch Mitgliedsbeiträge und Spenden, sowie den Einnahmen aus Abmahnungen, Vertragsstrafen oder Vergleichszahlungen. Quelle: |
Die gesetzliche Regelung im Verpackungsgesetz sieht grundsätzlich eine Pfandpflicht vor, regelt aber für bestimmte Getränke Ausnahmen. Ausgenommen sind bspw. alkoholhaltige Spirituosen (§ 31 Abs.4 Nr.7d VerpackG) sowie Wein und Sekt und deren alkoholfreie Varianten (§ 31 Abs.4 Nr.7 a, 7b VerpackG).
Eine Erwähnung alkoholfreier Spirituosen fehlt in der Norm.
Da der Jungunternehmer die geforderte Unterlassungserklärung hinsichtlich der für das Produkt „Entgeistert“ geforderten Pfanderhebung nicht abgab, folgte durch den VSW der Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung bei der 4. Handelskammer des Landgerichts München I.
Gesetzgeberische Intention der Pfandpflicht
Seit 2003 gibt es die Pfandpflicht. Diese wurde seitdem stetig erweitert. Durch die Verpflichtung zur Pfanderhebung soll Verpackungsmüll reduziert und die Recyclingquote erhöht werden.
Sog. Massengetränke, also Getränke und Verpackungen, die massenhaft gekauft und verbraucht werden oder auch gerne unterwegs konsumiert werden, sind daher pfandpflichtig. Dadurch soll vermieden werden, dass Flaschen und Dosen achtlos liegen gelassen oder falsch entsorgt werden.[1]
Grundsätzlich sieht § 31 Abs. 1, 2 S. 3 VerpackG daher vor, dass Hersteller von Einwegverpackungen (Glas, Kunststoff u.a.), die mit Getränken befüllt sind, verpflichtet sind, von ihren Abnehmern ein Pfand zu erheben.
Ausnahme von der Pfandpflicht bei Genuss-Getränken oder individuellem Flaschendesign
Von der Pfandpflicht gibt es allerdings Ausnahmen. Das Gesetz führt in § 31 Abs. 4 VerpackG einen Katalog von bestimmten Getränkeverpackungen und/oder bestimmten Getränken auf, für die eine Befreiung von der Pfandpflicht bestimmt wird. Hierzu zählen u.a.
- Sekt, Sektmischgetränke mit einem Sektanteil von mindestens 50% und schäumende Getränke aus alkoholfreiem oder alkoholreduziertem Wein;
- Wein und Weinmischgetränke mit einem Weinanteil von mindestens 50% und alkoholfreier oder alkoholreduzierter Wein;
- (…)
Eine explizite Nennung alkoholfreier Spirituosen fehlt in der Vorschrift.
Für die Ausnahmen von der Pfandpflicht für gewisse alkoholische und alkoholfreie Getränke gibt es laut Gesetzesbegründung[2] zwei wesentliche Gründe:
Zum einen werden Spirituosen, Wein und Sekt in der Regel nicht „to go“, sondern eher zu Hause, in Restaurants oder Bars konsumiert. Auch trinkt man diese Getränke in der Regel aus Gläsern und nicht direkt aus der Verpackung. Das Risiko einer falschen oder achtlosen Entsorgung, der mit der Pfandpflicht entgegengewirkt werden soll, fällt bei diesen Produkten somit gering aus.
Zum anderen steht bei Wein, Sekt und Spirituosen der ökologische Nutzen einer Pfandpflicht in keinem angemessenen Verhältnis zum Aufwand der Umsetzung.[3] In diesem Bereich werden vielfach individuell gestaltete Form-Flaschen aus Glas gewählt und verwendet, welche sich nicht für den Mehrweg eignen und in gestalterischer Hinsicht auf markenspezifische Besonderheiten und Vielfalt ausgerichtet sind.[4] Das Rücknahmesystem von Glasflaschen funktioniert jedoch nur effektiv, wenn die Flaschen einheitlich sind, wie beispielsweise bei Wasser und Bier. Denn einheitliche Flaschen bei diesen Getränken müssen nicht unbedingt dem jeweiligen Abfüller zurückgegeben werden, sondern können von einer Vielzahl an Mineralwasser- oder Bierunternehmen wieder befüllt werden.[5]
Aus denselben Gründen, die für alkoholhaltigen Wein, Sekt und Spirituosen gelten, sind alkoholfreier Wein und alkoholfreier Sekt ebenfalls von der Pfandpflicht ausgenommen. Aufgrund dieser Argumentation liegt es nahe, dass die Voraussetzungen auch für alkoholfreie Spirituosen gelten müssten. Dass alkoholfreie Spirituosen nicht in der Norm genannt werden, ist dem Umstand geschuldet, dass es bei Schaffung des Gesetzes noch keine alkoholfreien Spirituosen gab bzw. diese noch kaum bekannt bzw. auf dem Markt erhältlich waren.[6]
Eine alkoholfreie Spirituose entspricht vom mit ihm verbundenen Konsum her eher einem alkoholischen Getränk als einem Erfrischungsgetränk. Es handelt sich dabei um Produkte, die als Ersatz für Spirituosen fungieren. Sie werden ebenso wie alkoholfreier Wein und Sekt nicht als to-go-Getränke, sondern als Aperitif- oder Cocktail-Alternative oder pur in geringer Menge wie die jeweiligen Spirituosen genossen.[7]
Hierbei steht nicht die Erfrischung bzw. das Durstlöschen im Vordergrund, sondern der gelegentliche anlassbezogene maßvolle Genuss.[8]
Das individuelle Flaschendesign spielt hier eine ebenso große Rolle wie bei alkoholischen Spirituosen, so dass eine Differenzierung eines klar vom Massengetränkemarkt abgrenzbaren kleinen Teilbereichs festzustellen ist.[9]
Zudem haben alkoholfreie Spirituosen einen geringen Marktanteil von nur 0,4% innerhalb der Kategorie der Spirituosen (2023).[10] Demnach steht der ökologische Nutzen der Pfandpflicht in keinem angemessenen Verhältnis zum Aufwand der Umsetzung.[11]
Landgericht bestätigt Pfandfreiheit aufgrund von Regelungslücke
Aufgrund des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung des VSW befasste sich zunächst das Landgericht München I mit dem Fall und sah in der fehlenden Regelung zu alkoholfreien Spirituosen eine Gesetzeslücke. Mit Endurteil vom 24.06.2024 (Az.: 4 HK O 3298/24) entschied das Gericht zugunsten des Unternehmens, dass keine Pfandpflicht bestehe.
Die zuständige Handelskammer verneinte für den alkoholfreien Gin zum einen die für den Unterlassungsanspruch nach §§ 8, 3a UWG erforderliche „spürbare Beeinträchtigung der Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern“.[12] Zum anderen sah sie in der fehlenden Nennung alkoholfreier Spirituosen im VerpackG eine Regelungslücke.
Zu letzterem führte das Gericht aus: „Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, weder zum Schutz der Interessen von Verbrauchern oder von sonstigen Marktteilnehmern, weshalb alkoholfreier Gin im Gegensatz zu alkoholhaltigem Gin, für den die Verpackungsverordnung eine Ausnahme vorsieht, in Pfandflaschen vertrieben werden sollte.“[13] Nach Auffassung des Gerichts sei die Regelungslücke dem Umstand geschuldet, dass der Gesetzgeber bei Erlass der Verordnung nicht davon ausgegangen sei, dass Gin in einer alkoholfreien Version vertrieben werden wird.[14]
Das Gericht sah im Gegensatz zum VSW auch keine spürbare Beeinträchtigung der Interessen von Mitbewerbern darin, dass ein sog. Vorsprung durch Rechtsbruch gegeben sei, da kein Fall bekannt sei, in dem alkoholfreier Gin in Pfandflaschen vertrieben werde.[15]
VSW geht in Berufung: Oberlandesgericht bestätigt Pfandpflicht
Der VSW legte gegen dieses Urteil jedoch Berufung ein. In zweiter Instanz entschied das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 27.12.2024 (Az.: 6 U 2305/24) allerdings konträr und bestätigte sowohl die Pfandpflicht für das Produkt als auch eine spürbare Beeinträchtigung für Mitbewerber.
Nach Auffassung des OLG begründe sich die Pfandpflicht aus § 31 Abs. 1 S. 1 VerpackG. Das Gericht führt dazu aus: „Eine Ausnahme von der Pfandpflicht nach § 31 Abs. 4 VerpackG greift nicht. Hierbei handelt es sich um einen abschließenden Katalog, der streitgegenständliche alkoholfreie Gin fällt unter keine der Regelungen.“[16]
An einer planwidrigen Regelungslücke fehle es, da der alkoholfreie Gin unter die grundsätzliche Pfandregelung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 VerpackG falle, da die dort genannten Voraussetzungen erfüllt seien – es handelt sich um eine Glasflasche, die mit einem Getränk befüllt ist.[17] „Soweit das Landgericht (…) ausgeführt hat, es gebe keinen Grund, weshalb alkoholfreier Gin im Gegensatz zu alkoholhaltigem Gin, für den die Verpackungsverordnung eine Ausnahme vorsehe, in Pfandflaschen vertrieben werden solle, es liege eine Gesetzeslücke vor, weil der Gesetzgeber bei Erlass der Verpackungsverordnung nicht davon ausgegangen sei, dass Gin auch (wie z.B. Bier) in einer alkoholfreien Version vertrieben werde, folgt aus diesen Ausführungen keine analoge Anwendbarkeit der Ausnahmetatbestände des § 31 Abs. 4 VerpackG. Die dafür geltenden Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt schon an einer planwidrigen Regelungslücke.“[18]
Das OLG war außerdem der Meinung, dass eine spürbare Beeinträchtigung vorliege. Ausreichend sei insoweit, dass die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerben oder sonstigen Marktteilnehmern zumindest spürbar beeinträchtigt sein könnten. Es müsse nicht tatsächlich eine derartige Beeinträchtigung vorliegen, die objektive Möglichkeit, dass die Handlung, also das Missachten der vermeintlich bestehenden Pfandpflicht, die Interessen von Marktteilnehmern beeinträchtigen könnte (d.h. abstrakt dazu geeignet sei), reiche aus. Dies sei bereits der Fall, wenn gegen eine Marktverhaltensregelung verstoßen wird.[19] Besondere Umstände des Einzelfalles, die etwas anderes begründen könnten, lägen nicht vor: „Auch die Frage, ob tatsächlich kein Wettbewerber der Mitglieder des Antragstellers alkoholfreien Gin in Pfandflaschen vertreibt, ist für die Spürbarkeit des begangenen Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregel nicht maßgeblich.“[20]
Finanzielle Einbußen für Jungunternehmer: Verkaufsstopp und Rückruf aus dem Handel
Infolge des Urteils des OLG musste Herr von Pückler den Verkauf sofort stoppen und die bereits an Supermärkte und Händler verkauften Waren zurückrufen. Neben dem organisatorischen Mehraufwand aufgrund des Rückrufs der Produkte aus dem Handel, Auslistungen, etc. führten die hohen Gerichtskosten bei gleichzeitig ausbleibendem Umsatz zu einem Schaden von ca. 68.000 €. Ein Betrag der das Unternehmen um seine Existenz bangen ließ.
Schutzzweck der Regelung verkannt?
Dass das Bestehen oder Nichtbestehen der Pfandpflicht unterschiedlich beurteilt werden kann, zeigen schon die beiden gerichtlichen Entscheidungen, die sich auf unterschiedliche Begründungen stützen. Klar ist, dass sich bei Betrachtung des Gesetzestextes Argumente für und gegen die Pfandpflicht finden lassen. Allerdings sprechen der Schutzzweck der Norm und die Gegebenheiten des Pfandsystems (einheitliche Flaschen für einheitliche Rücknahme) eher für eine Gleichsetzung mit alkoholischen Spirituosen, Wein und Sekt sowie der alkoholfreien Varianten von letzteren.
So bezog das Gericht der ersten Instanz bei seiner Prüfung und bei der Urteilsfindung den Schutzzweck der streitgegenständlichen Norm mit ein sowie ob es eine Begründung für eine Regelungslücke gibt. Das Landgericht berücksichtigte ebenfalls die Praktikabilität sowie die Auswirkungen, den Nutzen und die Konsequenzen einer Pfandpflicht ebenso wie die mögliche Beeinträchtigung anderer Marktteilnehmern.
Das Oberlandesgericht blieb im Gegensatz dazu in seiner Erläuterung und Begründung äußerst systematisch und schlussfolgerte aus der fehlenden Erwähnung von alkoholfreien Spirituosen, dass keine Ausnahme gelte und somit eine Pfandpflicht für diese Getränke bestehe. Eine Beeinträchtigung der anderen Marktteilnehmern sah es bereits darin, dass eine Norm verletzt wurde, die grundsätzlich wettbewerblichen Charakter hat.
Eine (naheliegende) historische Gesetzesauslegung, mit der ein Gesetz im Kontext seiner Entstehungsgeschichte und den Absichten des Gesetzgebers (Schutzzweck der Pfandpflicht und Hintergrund der Ausnahmen) interpretiert wird, erachtete das OLG bedauerlicherweise für nicht notwendig.
Doch wollte der Gesetzgeber durch die nicht vorhandene Regelung, dass alkoholfreie Spirituosen der Pfandpflicht unterliegen? Welche Kriterien sollten bei einer alkoholfreien Spirituose anders bewertet werden als bei einer alkoholhaltigen Spirituose oder alkoholfreiem Wein oder Sekt? Eine Auseinandersetzung mit diesen sich aufdrängenden Fragen erfolgte zwar erfreulicherweise von Seiten des Landgerichts München, unterblieb jedoch im Urteil des Oberlandesgerichts. Der Aufwand der Umsetzung, die Handhabung und Folgen für den Unternehmer wurden ebenso nicht berücksichtigt. So können die sog. Form-Flaschen nicht von jedem Hersteller verwendet werden, sodass eine Rücknahme auch nur in den Märkten erfolgt, die diese auch verkaufen. Auch für die Märkte entsteht dadurch ein höherer Aufwand, was die Produkte wiederum für den Verkauf weniger attraktiv macht.
Auch ist für den Verbraucher beim Kauf nicht ersichtlich, warum er die Flasche eines alkoholfreien Gins zurück in den Supermarkt bringen muss und die gleiche Glasflasche, allerdings befüllt mit alkoholhaltigem Gin, im Altglascontainer entsorgen darf.
Wettbewerbsverzerrung aufgrund unklarer Rechtslage
Als Herr von Pückler mit dem Verkauf seines „Entgeistert“ startete, ging er aus nachvollziehbaren Gründen nicht davon aus, dass eine Pfanderhebung notwendig sei. Warum alkoholfreie Spirituosen im Gegensatz zu alkoholhaltigen Getränken oder alkoholfreiem Wein/Sekt pfandpflichtig sein sollen und somit anders bewertet werden, erschließt sich ihm bis heute nicht.
Während der VSW mit seinem Antrag, bzw. mit seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil die „The DUKE Destillerie“ zur Pfanderhebung verpflichtete, verkaufen jedoch andere Hersteller und Vertriebe in der Branche, wie beispielsweise Gordon´s und Tanqueray ihre vergleichbaren Produkte weiterhin pfandfrei[21]. Allem Anschein nach, macht der VSW somit bei diesen umsatzstarken Marktführern eine „Ausnahme“ in seiner Abmahnpraxis und verschafft diesen dadurch im Ergebnis einen klaren Wettbewerbsvorteil. Denn Herr von Pückler musste selbst die Erfahrung machen, dass Supermärkte alkoholfreie Spirituosen mit Pfand nicht abnehmen, da sie dazu nicht verpflichtet sind. Sie setzen lieber auf Marken, die pfandfrei anbieten.[22]
Diese Gedanken äußerte Herr von Pückler nach der Urteilsverkündung auch dem Richter des Oberlandesgerichts gegenüber. Eine Gleichstellung sei laut Gericht aber nur zu erreichen, wenn auch gegen die anderen Destillerien auf dem Klageweg vorgegangen werde.[23] Ein Weg, der für den Unternehmer nach eigenen Angaben aber nicht in Betracht kommt.
An dieser Stelle mag wohl die kritische Frage erlaubt sein, ob es nicht eher die Aufgabe des Gesetzgebers ist, durch Schaffung klarer Normen einen gerechten Wettbewerb zu fördern und nicht die eines Unternehmers, hierfür Zeit und Geld zu investieren.
Vielfalt und Expertise in der Unternehmerlandschaft ermöglichen und erhalten
Eine Frage, die sich auch Herr von Pückler stellte und sich damit an die Öffentlichkeit wandte. Auch wenn er hiermit das sein Unternehmen betreffende Urteil nicht mehr abändern kann, zeigt er doch bestehenden Verbesserungsbedarf auf und warnt weitere potenziell Betroffene. In einem Video auf der Website und den Social-Media-Kanälen der Destillerie sowie in diversen Interviews mit Zeitungen, Fachmagazinen und auch in Fernsehbeiträgen erzählte er von seinem Fall. Sein Ziel ist es, darauf aufmerksam zu machen, wie leicht es für einen großen Verband ist, kleine mittelständische Unternehmen aus der Bahn zu werfen und wie gegensätzlich Gerichtsurteile ausfallen können. Er möchte die Politik zum Handeln bringen. Gesetze sollen klar sein und nicht widersprüchlich ausgelegt werden können: „Damit solche Ungerechtigkeiten nicht einfach passieren, damit auch kleine Unternehmen in diesem Land weiterhin Bestand haben.“
Mittlerweile befasst sich auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) mit dem Fall. Denn der Bundesverband der deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e.V. (kurz: BSI) hat am 12.12.2024 eine Stellungnahme beim BMUV und beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eingereicht. Darin fordert der BSI, dass alkoholfreie und alkoholreduzierte Alternativen zu Spirituosen von der Pfandpflicht befreit werden, und weist mit überzeugenden Argumenten auf eine Reihe von Umständen hin, die eine Pfandbefreiung rechtfertigen.
Herr von Pückler wünscht sich Gerechtigkeit und Fairness für kleine Unternehmen und erwartet dafür Unterstützung von der Politik und der Rechtsprechung, auch um die Vielfalt und Expertise in der Unternehmerlandschaft zu erhalten und zu fördern.

Einfallsreiche Gründer: Eine Steinflasche umgeht die Pfandpflicht, ersetzt aber nicht den Schaden
Herr von Pückler vertreibt das Produkt mittlerweile in Stein- anstatt in Glasflaschen. Für diese gilt aufgrund des Materials gemäß § 31 Abs. 2 VerpackG keine Pfandpflicht.
So konnte der Unternehmer die Problematik mit der Pfandpflicht und dem Vertrieb zwar für die Zukunft lösen, der bereits eingetretene Schaden von 68.000 € aber blieb.
Der Fall von Herrn von Pückler verdeutlicht beispielhaft, wie eine Regelungslücke junge Unternehmer vor überraschende Hürden stellen kann und welchen Risiken kleine Betriebe durch ungeahnte Inanspruchnahmen ausgesetzt sein können. Der Fall zeigt auch, dass eine unklare Rechtslage dafür sorgen kann, dass Bürokratie und Belastungen befördert werden und es im Verantwortungsbereich der Politik liegt, hier für Verbesserung zu sorgen.
(Stand der Falldarstellung: 17.11.2025)
[1] Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Drucksache 19/27634 vom 17.03.2021
[2] Deutscher Bundestag, 15. Wahlperiode, Verordnung der Bundesregierung, Drucksache 15/1179 vom 18.06.2003; Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Drucksache 19/27634 vom 17.03.2021
[3] Deutscher Bundestag, 15. Wahlperiode, Verordnung der Bundesregierung, Drucksache 15/1179 vom 18.06.2003
[4] Deutscher Bundestag, 15. Wahlperiode, Verordnung der Bundesregierung, Drs. 15/1179 vom 18.06.2003; Stellungnahme BSI an BUV und BMWK vom 12.12.2024
[5] https://www.myhomebook.de/service/flaschen-getraenke-kein-pfand
[6] LG München I, Urteil vom 24.06.2024, 4 HK O 3298/24; Stellungnahme des BSI an BUV und BMWK vom 12.12.2024
[7] Stellungnahme des BSI „Alkoholfreie und alkoholreduzierte Alternativen zu Spirituosen („NOLA“) – Befreiung von der Einweg-Pfandpflicht“ an BUV und BMWK vom 12.12.2024
[8-11] vgl.Fn.7
[12] LG München I, Urteil vom 24.06.2024, 4 HK O 3298/24
[13-15] vgl. Fn. 12
[16] OLG München, Urteil vom 28.11.2024, 6 U 2305/24
[17-20] vgl. Fn. 16
[21] Stand 11/25: bspw. Gordon’s alkoholfrei bei REWE
[22] https://theduke-gin.de/blogs/news/das-recht-als-lotterie-oder-gin-als-protest
[23]vgl. Fn. 22



