Die gesetzlichen Krankenkassen

Im Dschungel der verselbstständigten Bürokratien

In das Blickfeld der Werner Bonhoff Stiftung sind die gesetzlichen Krankenkassen (vertreten durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, kurz: GKV-SV) verstärkt aufgrund des Falls unserer Preisträgerin 2015, Frau Sabine Schmuck, geraten. Im Rahmen unseres Mitmach-Projektes „Bürokratie-Therapie“ wurde uns zuvor bereits von anderen unternehmerischen Menschen Kritik an den gesetzlichen Krankenkassen geschildert. Der Fall von Frau Schmuck, führte dazu, dass wir uns intensiv mit den gesetzlichen Krankenkassen und der Frage, wer diese wie kontrolliert, beschäftigten.
Erste Ergebnisse wollen wir hier vorstellen und verfolgen dabei die Ziele mit unserer dynamischen Darstellung im Rahmen der verselbstständigten Bürokratien, Verbesserungsimpulse von unten nach oben weiter zu geben und transparent zu machen, was schief läuft. Unsere hier begonnene gesammelte Kritik zeigt Schwachstellen auf und soll die Leser motivieren, sich konstruktiv zu beteiligen, wo sie eigene Erfahrungen beisteuern können.

Hier geht es zum Volltext des Falls von Sabine Schmuck in unserer Fallsammlung

„Geringe Vergütungssätze und stark steigende Versicherungsprämien zwingen freiberufliche Hebammen zur Aufgabe der Geburtshilfe.“

Im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (kurz: SGB V) sind – in über 300 Paragraphen, unterteilt in 13 Kapitel- neben Details zur Versicherungspflicht und den Leistungen der Krankenversicherung auch Verpflichtungen und Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen beim Abschluss von Kooperationsverträge mit Leistungserbringern bzw. mit deren Berufsverbänden geregelt. Hier ist auch die Versorgung mit Hebammenhilfe durch die gesetzlichen Krankenkassen in § 134a SGB V als gesetzliche Aufgabe erfasst. (Gemäß § 134a Abs.1 SGB V schließt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen Verträge mit den maßgeblichen Berufsverbänden der Hebammen, die Bindungswirkung für die Krankenkassen entfalten.) Freiberufliche Hebammen rechnen ihre Leistungen nach einem Leistungskatalog mit den Krankenkassen ab. Die Höhe der leistungsbezogenen Vergütungssätze werden von den Berufsverbänden der Hebammen mit den Krankenkassen ausgehandelt. Nach § 134a Abs.1 Satz 3 SGB V sind „bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der freiberuflich tätigen Hebammen nach Satz 2 insbesondere Kostensteigerungen zu beachten, die die Berufsausübung betreffen.“ Zur Ausübung ihres Berufes sind Hebammen gesetzlich verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Geregelt ist dies in den Berufsordnungen für Hebammen. Zahlten in der Geburtshilfe tätige freiberufliche Hebammen im Jahr 2004 noch 1.352,- Euro für ihre Versicherung, lag die Prämie 2014 bei dem fast vierfachen Wert und soll ab Juli 2015 auf 6.274,32 Euro (ohne Vorschäden!) steigen. Untersuchungen, wie auch die vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebene IGES-Studie vom 19.03.2012, bestätigen den andauernden Trend, dass immer mehr freiberufliche Hebammen die Geburtshilfe als Tätigkeitsbereich aufgeben. Der Deutsche Hebammenverband e.V. spricht allein für die Jahre 2012/2013 von einem Rückgang von 11 %, der bei ihren Mitgliedshebammen statistisch erfasst werden konnte. Obwohl es dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen obliegt, gerade in Fällen, in denen massive Kostensteigerungen zu einem derartigen Ungleichgewicht zwischen zu erwirtschaftenden Fixkosten und Vergütungssätzen führt, problemlösungsorientiert einzugreifen, kam es bislang zu keiner wesentlichen Erhöhung, die es den Hebammen wenigstens ansatzweise ermöglichen würde, die hohen Versicherungsprämien zu kompensieren. Anmerkung: Durch das Engagement von Frau Schmuck sind wir darauf aufmerksam geworden, dass bereits im Frühjahr 2010 von der Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes, Frau Martina Klenk, eine Online-Petition eingereicht wurde, die sich ebenfalls mit der von Frau Schmuck aufgeworfenen Problematik beschäftigte und über 100.000 Mitzeichner fand. Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 21.02.2013 abschließend beraten und beschlossen, „die Petition der Bundesregierung – dem BMG und dem BMF – als Material zu überweisen, soweit es um die Schaffung Wettbewerb ermöglichender versicherungsrechtlicher Rahmenbedingungen, insbesondere für freiberuflich in der Geburtshilfe tätige Hebammen geht, und den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben“(…) Ganz offensichtlich führte dies jedoch nicht zur Lösung des Problems. Die weiter steigenden Haftpflichtversicherungsprämien bei gleichbleibend geringen Vergütungssätzen führten weiterhin zum Rückzug vieler freiberuflicher Hebammen aus der Geburtshilfe.

Die Existenz einer gesetzlichen Krankenversicherung halten wir für unentbehrlich und die Entwicklung des Gesundheitssystems in den vergangenen über 100 Jahren ist beachtenswert und medizinisch fortgeschritten. Nichtsdestotrotz müssen sich derartig komplex arbeitende Verwaltungen wie eben auch die gesetzlichen Krankenkassen fortlaufend bemühen, Dinge die schief laufen zu beheben bzw. Fehler zu erkennen und fehlerhafte Arbeitsprozesse dann auch zu verbessern.
Der Fall von Frau Schmuck beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der mangelhaften Umsetzung der gesetzgeberischen Intention :§134a Abs.1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit den dazugehörigen eindeutigen Ausführungen in der Gesetzesbegründung „Trotz vorgeschriebener Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragsstabilität können dabei höhere Vergütungen vereinbart werden, wenn dies erforderlich ist, um den Hebammen eine angemessene Vergütung zu gewähren.“ (Quelle: Begründung zum Gesetzesentwurf des Deutschen Bundestages vom 27.07.2011, Seite 139).
Dies wurde von den gesetzlichen Krankenkassen nicht umgesetzt.
Die unterbliebene Umsetzung wirft die interessante Frage auf: Wer kontrolliert die Arbeit und Entscheidungen der Gesetzlichen Krankenkassen?

Kontrolle der gesetzlichen Krankenkassen

„Bundesregierung sieht Grundsätzen der Selbstverwaltung als Schranken für Kontrolle“

Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (=Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen) untersteht der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit. Bei Ausführung des § 217 f Abs. 3 SGB V (betr. grundsätzliche Fach- und Rechtsfragen und Entscheidungen zum Beitrags- und Meldeverfahren und zur einheitlichen Erhebung der Beiträge) der Aufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (217d SGB V).

Das Bundesversicherungsamt (BVA) führt die Aufsicht über die bundesunmittelbaren gesetzlichen Krankenkassen. Es ist auch zuständig für die Bearbeitung und Beantwortung von Beschwerden, die diese Krankenkassen betreffen (Quelle:www.bmg.bund.de).
Immer wieder werden kritische Stimmen hinsichtlich einer unzureichenden staatlichen Kontrolle des Spitzenverbandes laut.

Im Jahr 2012 wurden ca. 173,15 Mrd. EUR im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen ausgegeben, hierbei war der Bund mit einem Zuschuss von 14 Mrd. EUR beteiligt (Quelle: BT-Drs.18/724). Im Jahr 2013 lagen die Ausgaben bei rund 194 Mrd. EUR, davon 11 Mrd. EUR aus Steuermitteln (Quelle: BT-Drs. 18/1462). In Anbetracht dieser enormen Summen verlangten Bundestagsabgeordnete und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem entsprechenden Antrag vom 21.05.2015 mehr finanzielle Transparenz, schließlich werden diese Mittel durch die Beitragszahlungen der Versicherten sowie der Steuerzahler erbracht. Überdies erfüllen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften in der Selbstverwaltungder gesetzlichen Krankenversicherung eine zentrale Funktion: Sie entscheiden ganz maßgeblich über wsentliche finanzielle und rechtliche Rahmenbedigungen der Gesundheitsvorsorge in Deutschland.
Bezogen auf die entsprechende Frage antwortete die Bundesregierung im Frühjahr vergangenen Jahres zur Forderung nach mehr Transparenz und mehr Kontrolle beim GKV-SV: „Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass die Selbstverwaltungs-körperschaften in der gesetzlichen Krankenversicherung im Interesse ihrer Beiträge beziehungsweise Umlagen zahlenden Mitglieder wirtschaftlich und sparsam mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln umgehen müssen. Dies gilt insbesondere auch für die Verwaltungsausgaben dieser Körperschaften. Die für die Selbstverwaltungskörperschaften geltenden haushaltsrechtlichen Bestimmungen tragen diesem Anliegen Rechnung. Es ist vorrangig Aufgabe der Selbstverwaltungsorgane, die Einhaltung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sicherzustellen. Dabei steht ihnen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Die Aufsichtsbehörden können danach nur prüfen, ob die äußersten Grenzen dieses Einschätzungsspielraums überschritten sind, sie können ihre Einschätzung aber nicht an die Stelle derjenigen der Selbstverwaltungskörperschaften setzen.(…) Die Jahresrechnungen und Haushaltspläne des GKV-Spitzenverbands, (…) werden bislang nicht veröffentlicht. Es besteht keine gesetzliche Regelung, die zu einer derartigen Veröffentlichung verpflichtet oder sie ausdrücklich untersagt. Für eine Veröffentlichung der Jahresrechnungen und Haushaltspläne der genannten Einrichtungen sind gesetzliche Änderungen daher nicht erforderlich.“ (BT.Drs.18/724 S.2,3) Ein gesetzgeberisches Eingreifen sieht die Bundesregierung nicht für erforderlich und verweist auf die o.g. Grundsätze der Eigenverantwortung in der Selbstverwaltung.

 

„Verwaltungsrat als Vertretungsgremium mit hohen Entscheidungskompetenzen“

Wie die Bundesregierung ausführt (siehe Aufklapptext zur Externen Kontrolle), findet die externe Kontrolle der gesetzlichen Krankenkassen ihre Grenzen in den Grundprinzipien der Selbstverwaltung. Der Rechtsaufsicht durch das Bundesversicherungsamt bzw. durch das Bundesgesundheitsministerium vorgeschaltet sind die Kontrollen durch die internen Gremien: Eines der wichtigsten Gremien jeder Gesetzlichen Krankenkasse ist der Verwaltungsrat. Durch die Sozialwahl werden die Verwaltungsräte personell bestimmt. Aus diesen Verwaltungsräten werden jeweils ein Arbeitnehmer- und ein Arbeitgebervertreter in die Mitgliederversammlung des GKV-SV entsendet, der wiederum den Verwaltungsratdes GKV-SV für die Dauer von sechs Jahren wählt (§§ 217b Abs.3 SGB V). Der Verwaltungsrat des GKV-SV ist eines der wichtigsten Organe des Spitzenverbandes mit bedeutsamen Kompetenzen. Seine gesetzlichen Befugnisse sind in § 197 SGB V festgelegt:

(1) Der Verwaltungsrat hat insbesondere

          1. die Satzung und sonstiges autonomes Recht zu beschließen,
            1. den Vorstand zu überwachen,
            2. alle Entscheidungen zu treffen, die für die Krankenkasse von grundsätzlicher Bedeutung sind,
          2. den Haushaltsplan festzustellen,
          3. über die Entlastung des Vorstands wegen der Jahresrechnung zu beschließen,
          4. die Krankenkasse gegenüber dem Vorstand und dessen Mitgliedern zu vertreten,
          5. über den Erwerb, die Veräußerung oder die Belastung von Grundstücken sowie über die Errichtung von Gebäuden zu beschließen und
          6. über die Auflösung der Krankenkasse oder die freiwillige Vereinigung mit anderen Krankenkassen zu beschließen.

(2) Der Verwaltungsrat kann sämtliche Geschäfts- und Verwaltungsunterlagen einsehen und prüfen.

(3) (…)

Die weitreichenden Entscheidungskompetenzen des Verwaltungsrates zeigen die hohe Verantwortung und Möglichkeit der Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse mit hoher Tragweite. Umso wichtiger ist die demokratische Legitimation und Kontrolle der Besetzung des Verwaltungsrates. Dies geschieht durch die Sozialwahlen.

 

Kritik an der sog. Friedenswahl

Aufgrund der vielfach geäußerten Kritik und der Bedeutsamkeit der demokratischen Legitimation und Kontrolle der Besetzung des Verwaltungsrats als Vertretungs- und Kontrollgremiums, haben wir uns mit diesen Sozialwahlen befasst.
Die Idealvorstellung von Wahlen ist ja, dass nicht immer dieselben Leute die Vertreter und Entscheidungsträger sind. Jeder Unternehmer weiß, dass sich mit der Zeit die Beziehung zwischen den Kontrollierenden und den Kontrollierten recht „familiär“ entwickeln kann. Deshalb hatte der Gesetzgeber durch Wahlen einen Wettbewerb vorgesehen, um durch ständig mögliche personelle Wechsel einer „Verfilzung“ vorzubeugen.

Wahl ohne Wahlhandlung

Zwar sehen die §§ 45,46 SGB IV allgemeine Wahlen der Versicherten und Arbeitgeber auf Grund von Vorschlagslisten vor. Tatsächlich finden aber derartige Urwahlen nur in ganz geringem Umfang statt. An Stelle der gesetzlich vorgegebenen Wahlen handeln Gewerkschaften sowie sonstige Arbeitnehmervereinigungen oder deren Verbände und Vereinigungen von Arbeitgebern vorab Vorschlagslisten aus, in denen nicht mehr Bewerber benannt werden, als Mitglieder zu wählen sind. Gehen – was die Regel ist – daneben keine so genannten freien Listen (§ 48 Abs.1 Nr.4 SGB IV) ein, so gelten die Vorgeschlagenen als gewählt. Dieses Verfahren wird „Friedenswahl“ genannt. Im Ergebnis ist es somit eine „Wahl ohne Wahlhandlung“. (Quelle: NJW2004,S.3369 ff.)
Es ist unbestritten, dass die Friedenswahl legitim ist. Sie ist im Sozialgesetzbuch, in der Wahlordnung gesetzlich geregelt und das Bundessozialgericht hat sie bejaht (allerdings in einer Grundsatzentscheidung bereits aus dem Jahr 1973), sie wird aber weiterhin häufig als undemokratisch und verfassungswidrig kritisiert.

Neben der fragwürdigen Erfüllung der gesetzgeberischen Intention stellt sich die Frage, ob es auch im Interesse der Versicherten steht, dass es bei der Sozialwahl, bei denen Vertreter der gesetzlich Versicherten bestimmt werden, kaum möglich ist, sich selbst als Kandidat aufstellen zu lassen, sondern vielmehr die bereits vorhandenen Kandidaten als „gewählt“ gelten, wenn ihre Anzahl den der vorhandenen Mandate entspricht.
Auffällig ist die sehr geringe Wahlbeteiligung bei den Sozialwahlen, die berechtigte Zweifel daran aufkommen lassen, ob denn die „gewählten“ Vertreter auch tatsächlich demokratisch (=vom Volk gewählt) bestimmt wurden. (Quelle:NJW2004,S.3369 ff.).
Bei der Sozialwahl darf – abgesehen von einigen Detailregelungen- jeder wählen, der das 16. Lebensjahr vollendet hat und Beiträge zahlt. Im Grundsatz ist die Sozialwahl eine Briefwahl; die Versicherungsträger schicken den Wahlberechtigten die Wahlunterlagen zu. Bei der Sozialwahl 2011 lag die durchschnittliche Wahlbeteiligung bei 30,15%. 4.215 Mandate in den Verwaltungsräten und Vertreterversammlungen wurden bestimmt (d.h. per Friedenswahl) und 168 Mandate wurden durch Urwahlen vergeben (Quelle: Schlussbericht des Bundeswahlbeauftragten für die Sozialwahlen).
Eine Nachbefragung zur Sozialwahl (Ipsos Marketing 08.08.2011) ergab, dass bei den Sozialversicherungsträgern, von den 16-29 Jährigen nur zwölf Prozent gewählt haben, dagegen 38 Prozent der über 65-Jährigen und Älteren. 35 Prozent aller Befragten gaben an, sie wüssten nicht, worüber die Selbstverwaltung entscheidet. (Quelle: verdi)

Wer kandidiert mit welchen politischen Zielen für die Sozialwahl?

Problematisch für die wahlberechtigten Versicherten ist jedoch im Rahmen der Sozialwahl zu erfassen, wer sich aus welcher Motivation heraus zur Wahl aufstellt, welche Ziele hierbei verfolgt werden und was jeweils rückblickend geleistet wurde.
Über die jeweiligen Internetseiten der einzelnen Krankenversicherungen kann man zumindest in Erfahrung bringen, wer Mitglied im Verwaltungsrat ist und bei einigen Kassen, diese Vertreter auch direkt per E-mail kontaktieren. Dies ist zum Beispiel der Fall bei der BARMER GEK und der Techniker Krankenkasse. Diese Veröffentlichung und damit eröffnete Möglichkeit der Kontaktaufnahme durch Mitglieder mit den Vertretern finden wir begrüßenswert.

Wer sich jedoch selbst als Kandidat für den Verwaltungsrat seiner gesetzlichen Krankenkasse aufstellen will, stößt hier auf einige Hürden, aufgrund derer man sich dem Eindruck nicht erwehren kann, dass derartig engagiertes Verhalten eines Einzelnen unerwünscht ist.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales formuliert es so: „Versicherte und Arbeitgeber können „freie Listen“ gründen und antreten. Wenn sich die Träger der „freien Listen“ auf keine Kompromisse einlassen, finden die Wahlen bei dem betreffenden Versicherungsträger statt. Dagegen können die etablierten Kräfte nichts tun. Was muss man beachten, wenn man eine „freie Liste“ gründen will? Das sollte man nicht alleine machen. Zum einen ist es sinnvoll, dass die eigene Liste nicht nur aus der eigenen Person besteht. Zum anderen benötigt man für die formalen Vorbereitungen und den „Wahlkampf“ Unterstützung. Rein theoretisch könnte man auch als „Einzelkämpfer“ antreten. Bevor man auf dem Wahlzettel erscheint, muss man eine Reihe von Hürden nehmen. Eine große Hürde ist das Beibringen von Unterstützerunterschriften. Bei großen Versicherungsträgern sind dies 2.000 Unterschriften. Die Erfahrung zeigt, dass so mancher Versuch an dieser Hürde gescheitert ist. Daneben muss man ein freundschaftliches Verhältnis zum Formalismus haben. Denn auch an den Formalitäten sind schon viele Initiativen gescheitert.“

(Quelle: http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Sozialversicherungswahlen/Fragen-und-Antworten-zu-den-Sozialwahlen/sozialversicherungswahlen-faq.html)

 

Wichtige gesetzliche Aufgabe zur Disposition gestellt? – Bestehende Strukturen zum 01.01.2016 zerschlagen

Eine wesentliche Kontroll- und Feedbackfunktion im Hinblick auf das Bestehen von Problemen und vorhandenen Beratungsbedarf der Versicherten hat die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (kurz:UPD). Dass Probleme und Interessenkonflikte zwischen den Versicherten und den gesetzlichen Krankenkassen existieren, zeigt der im Mai 2015 veröffentlichte Jahresbericht der UPD: Knapp 35 % aller Kontakte der UPD von 80.000 Beratungen und damit der am häufigsten nachgefragte Themenbereich betraf mögliche Ansprüche gegenüber Kostenträgern des Gesundheitssystems („Monitor der UPD“ Berichtszeitraum 04/13-03/14, Seite 37).

Gesetzliche Grundlage

In § 65b SGB V (Sozialgesetzbuch Band 5) ist gesetzlich geregelt, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Einrichtungen, die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Patientinnen und Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen qualitätsgesichert und kostenfrei informieren und beraten, mit dem Ziel, die Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu stärken und Problemlagen im Gesundheitssystem aufzuzeigen, fördert. Die Fördermittel werden aktuell für eine Laufzeit von sieben Jahren vergeben; derzeit beträgt die Fördersumme 5,2 Millionen EUR p.a. und wird jährlich an die allgemeine Einkommensentwicklung angepasst. (eine Erhöhung der Summe auf 9 Millionen p.a. ist noch im Gespräch). Finanziert wird die Förderung durch den GKV-SV. In Satz 2 des § 65b Abs.1 SGB V ist weiterhin festgehalten, dass „der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf den Inhalt oder den Umfang der Beratungstätigkeit keinen Einfluss nehmen darf“, somit ist eine Einflussnahme auf Inhalt oder Umfang der Beratungstätigkeit gesetzlich untersagt.

Seit dem Jahr 2006 war die Unabhängige Patientenberatung Deutschland mit der gesetzlichen Patientenberatung beauftragt. Die UPD ist ein Verbund gemeinnütziger Einrichtungen mit 21 Beratungsstellen bundesweit. Deren Träger sind Mitglieder oder Landesverbände der drei UPD-Gesellschafter. Diese sind: Sozialverband VdK Deutschland, Verbraucherzentrale Bundesverband und Verbund unabhängige Patientenberatung. Auf ihrer Webseite erklärt die UPD: “Die UPD versteht sich daher als Lotse, Wegweiser und Berater: Die Ratsuchenden erhalten Informationen, Beratung und Unterstützung – frei von Interessen der Krankenkassen, Ärzte, pharmazeutischen Industrie und anderen Akteuren.“ Einmal jährlich berichtet die UPD über die Erkenntnisse ihrer Beratungsarbeit an den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten (Monitor Patientenberatung). Der Jahresbericht ist online für jeden Interessierten einsehbar oder herunterzuladen. Sieben Jahre lang wurde die Unabhängige Patientenberatung Deutschland aufgebaut und etabliert. Nun wurde die Vergabe neu ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt die Sanvartis GmbH, ein Unternehmen, das bisher schwerpunktmäßig im Auftrag von Pharmaunternehmen und Krankenkassen tätig war.

Kritik an der Vergabeentscheidung

Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats der UPD Prof. Marie-Luise Dierks, Prof. Rolf Rosenbrock, Prof.Dr. Ullrich Bauer und Prof.Dr.Raimund Geene erklärten zu der erfolgten Vergabeentscheidung: “Wir sind als Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats entsetzt über die uns völlig unverständliche Entscheidung, die erfolgreiche Arbeit der UPD zu beenden. Die Vergabe an die Sanvartis GmbH entspricht in keiner Weise den Vergabekriterien für eine Unabhängigkeit und Neutralität in der Patientenberatung. Substanzielle Kritikpunkte, die im Beirat vorgetragen wurden und zwingend den Ausschluss dieses Bewerbers zur Folge hätten haben müssen, wurden offenbar ignoriert. Wir äußern unser Verständnis für die Kritik des Ärztekammerpräsidenten Montgomery, nach dem die Kassen versuchen, „sich die Beratungsstelle unter den Nagel zu reißen“. Schon seit Jahren kritisieren wir im Beirat Versuche der Vereinnahmung der Patientenberatung durch die GKV. Weil auch der Bundestag diese Problematik gesehen hat, wurde per Gesetzesänderung entschieden, dass der Vorsitz des Beirats mit erweiterten Befugnissen nunmehr auf den Patientenbeauftragten der Bundesregierung übergehe, mit dem die Vergabe der Patientenberatung abzustimmen sei. Unsere besondere Enttäuschung gilt nun dem Patientenbeauftragten, Staatssekretär Karl-Josef Laumann. Statt als Vorsitzender des Beirats die Erfolge im Aufbau der unabhängigen und neutralen Patientenberatung zu sichern, polemisiert er seit einigen Monaten gegen die UPD mit dem nunmehr offensichtlich gewordenen Ziel der Umwandlung der unabhängigen und neutralen Patientenberatung in ein kassennahes Call-Center.“ Die Gesellschafter der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland hatten im Juli 2015 bei der Vergabekammer des Bundes einen Nachprüfungsantrag eingereicht, um prüfen zu lassen, ob der GKV-Spitzenverband als Auftraggeber die Vergabevorschriften ordnungsgemäß angewendet hat. Am 04.09.2015 teilte die Verbraucherzentrale Bundesverband per Onlinemeldung mit, dass die Vergabekammer in ihrer am 03.09.2015 veröffentlichten Entscheidung keine vergaberechtlichen Hindernisse in der Entscheidung des GKV-Spitzenverbandes sieht. „(…)21 Beratungsstellen stehen vor dem Aus. Über 70 erfahrene Beraterinnen und Berater verlieren ihren Job. Neues Personal muss vom neuen UPD-Betreiber erst aufgebaut werden. Die bisherige Patientenberatung hat sich in den vergangenen Jahren mit ihrer unabhängigen und kompetenten Beratung etabliert und sich als wichtige Anlaufstelle für Ratsuchende bewährt. Wir bedauern, dass funktionierende Strukturen, hohe Qualitätsstandards und langjährige Erfahrung nun verloren gehen. (…).“

Das Vergabeverfahren ist somit tatsächlich abgeschlossen. Die Sanvartis GmbH gewinnt den Zuschlag, die UPD wird abgewickelt, die Beratungsstelle geschlossen und die Mitarbeiter entlassen.

 

Verschiedene Entscheidungen über die Investition von Versichertenbeiträgen bzw. Verwendung der Gelder wurden im Zusammenhang mit unzureichender Transparenz und Kontrollmöglichkeit öffentlich kritisiert. Die gesetzlichen Krankenkassen haben durch gesetzliche Regelungen klare Vorgaben, die sie bei ihren Arbeitsprozessen und Entscheidungen zu berücksichtigen haben. Die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit werden immer wieder erwähnt. Das Jahresvolumen der Gelder, die den Krankenkassen zur Verfügung stehen, ist beachtlich (2013 knapp 200 Milliarden EUR!) und aufgrund der Möglichkeit der Aufstockung durch Steuermitteln nahezu unbegrenzt. Wir haben uns hier – vorerst – mit zwei Problemfeldern beschäftigt.

1) Luxusimmobilie – finanziert durch Mitgliedsbeiträge. 70 Millionen Euro für Büroräume des GKV-Spitzenverbandes – unzureichende Kontrolle über Zweckmäßigkeit der Mittelverwendung? 

Gemäß § 197 Abs.1 Nr.5 SGB V entscheidet der Verwaltungsrat des Spitzenverbandes auch über den Erwerb von Gebäuden. Zum 01.08.2013 hat der GKV-SV sein neues Verwaltungsgebäude in Berlin-Mitte bezogen. Wie die Ärztezeitung-online am 13.08.2013 berichtete, lag der Kaufpreis zwischen 70,7 und 80 Millionen Euro. Von dieser Summe trägt jedoch der Spitzenverband lediglich 8 Millionen Euro, den erheblichen Restbetrag sollen die 134 Mitgliedskassen, also die Versicherten zahlen. Nicht nur bei den Versicherten, sondern auch bei einigen Bundestagsabgeordneten kamen Zweifel auf, ob diese Anschaffung tatsächlich notwendig war. Und ob bei dem Erwerb die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit & Sparsamkeit eingehalten wurden.
Am 26.08.2013 stellten sieben Bundestagsabgeordneten und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Anfrage an die Bundesregierung zum Thema „Miete bzw. Erwerb und Finanzierung des Gebäudes des GKV-Spitzenverbandes“ (BT-Drucksache 17/14639).

In der entsprechenden Antwort der Bundesregierung vom 12.09.2013 (BT-Drs. 17/14740) wird mitgeteilt, dass es sich bei der neuen Immobilie des Spitzenverbandes um eine Immobilie mit einer Nutzfläche von 15.900qm handele, bei der sich 375 eingerichtete Arbeitsplätze für zum Umzugszeitpunkt 353 beschäftigte Mitarbeiter befinden. (Anm.: Auch unter Berücksichtigung von Verkehrsflächen und Konferenzräumen etc. ist die Nutzfläche bei der Anzahl von Mitarbeitern doch beachtlich großzügig. Wir fragen uns hier nach der Notwendigkeit einer derart großen Nutzfläche.)

Der Mietpreis pro Quadratmeter liegt bei 17,50 EUR, was eine Jahresmiete von 2,85 Millionen EUR ergibt.
Zu den aufgeworfenen Frage zum Kaufpreis, zum Kauf der Immobilie und zur Genehmigung dieses Schrittes teilt die Bundesregierung am 12.09.2013 weiterhin mit: „Der GKV-SV ist Mieter der Immobilie (Mietvertrag vom 25. Mai 2010). Auf Basis eines Verwaltungsratsbeschlusses beinhaltet der Mietvertrag eine Kaufoption für den GKV-SV. Diese Kaufoption kann eingesetzt werden, wenn der Erwerb der Immobilie wirtschaftlicher ist als die Miete. Da dies gutachterlich dargelegt wurde, hat der GKV-SV diese Kaufoption nach Genehmigung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) am 29. August 2013 genutzt.(…) Der Kaufpreis steht derzeit noch nicht fest. Allerdings ist das Wertermittlungsverfahren im Vertrag geregelt und dem BMG wurden Gutachten vorgelegt, welche die Größenordnung und Wirtschaftlichkeit des Erwerbs gegenüber der Miete belegen.(…) Für das neue Verwaltungsgebäude des GKV-SV wurde bereits im Ursprungsmietvertrag vom 25. Mai 2010 eine dinglich gesicherte Kaufoption vereinbart.(…) Nach geltendem Recht zur Zeit des Abschlusses des Ursprungsmietvertrags des GKV-SV im Jahr 2010 war der Mietvertrag nicht dem BMG als zuständiger Rechtsaufsicht vorzulegen oder von ihm zu genehmigen. Eine Genehmigung war erst für den Erwerb der Immobilie erforderlich (§ 85 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – SGB IV). Dem BMG wurden der Mietvertrag und die Kaufoption vorgelegt. Eine Genehmigungspflicht bestand nicht.(…) Der GKV-SV hat am 23. Mai 2013 unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 217d SGB V i. V. m. § 69 SGB IV) gemäß § 85 SGB IV die Genehmigung des Erwerbs der Immobilie Reinhardtstraße 30 in 10117 Berlin zur Nutzung als Verwaltungsgebäude beim BMG beantragt. Das BMG hat am 26. Juli 2013 den Erwerb der Immobilie genehmigt.(…)“
Beachtenswert ist hier, dass hier somit von der Rechtsaufsicht der Kauf der Immobilie im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit genehmigt wurde, obwohl der konkrete Kaufpreis noch nicht feststand.

Wir fragen uns bezüglich der Einsetzung von Geldern der Versicherten, warum eine derart kostenintensive Investition als notwendig und als von den Versicherten zu tragen erachtet wird und keinerlei Einwände des die Rechtsaufsicht führenden Bundesgesundheitsministeriums vorlagen, das scheinbar den Kauf allein im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit im Vergleich zur weiteren Anmietung der Räumlichkeiten geprüft zu haben scheint. Eine Kontrolle bezüglich der Zweckmäßigkeit der Mittelverwendung gab es hier nicht – denn das fällt aufgrund der Grundsätze der Selbstverwaltung in den Verantwortungsbereich des Spitzenverbandes.
Wir stellen die Frage, warum der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (als Interessenvertretung von öffentlich-rechtlichen Körperschaften!) als Sitz ein Gebäude mit über 15.000 qm in der repräsentativsten und damit teuersten Lage der Hauptstadt benötigt. Hier handelt es sich nicht um ein privates Unternehmen, dass sich am Markt in bestimmter Weise präsentiert und über Publikumsverkehr verfügt, sondern um einen Verband, der kollektivvertragliche Regelungen aushandelt und insgesamt mit „fremden“ Geldern, nämlich den Beiträgen der gesetzlich Versicherten, agiert. Wir bezweifeln, dass eine derartig hohe Investition zur Erfüllung der gesetzlich definierten Aufgabe der durch den GKV-SV vertretenen gesetzlichen Krankenkassen – „Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern.“ (§ 1 Satz 1 SGB V )- erforderlich ist.

BT-Drs. 17/14639 und 17/14740

2) Vorstandsgehälter bei den gesetzlichen Krankenkassen . „Bundesrechnungshof: „Unzureichende Transparenz und fehlende Maßstäbe“

Seit dem 1.3.2004 sind Krankenkassen zur Offenlegung der Gehälter ihrer Vorstände verpflichtet. Die Krankenkassen-Vorstandsgehälter werden jährlich im Bundesanzeiger veröffentlicht (§ 35a SGB IV).

§ 35a Abs.6 SGB IV: (…)Die Höhe der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen sind in einer Übersicht jährlich zum 1. März, erstmalig zum 1. März 2004 im Bundesanzeiger und gleichzeitig, begrenzt auf die jeweilige Krankenkasse und ihre Verbände, in der Mitgliederzeitschrift der betreffenden Krankenkasse zu veröffentlichen. Die Art und die Höhe finanzieller Zuwendungen, die den Vorstandsmitgliedern in Zusammenhang mit ihrer Vorstandstätigkeit von Dritten gewährt werden, sind dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates mitzuteilen.

Die Vorstandsvergütungen werden in Verträgen zwischen Krankenkassen und Vorständen ausgehandelt. Seitdem aufgrund des Gesundheitsstrukturgesetzes zum 1.1.1996 die Regelungen über die Höhe der Vorstandsvergütungen weggefallen sind, haben sich diese deutlich erhöht. Bekannt ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen aufgrund der Höhe der an ihre Vorstände gezahlten Gehälter vermehrt in die Kritik geraten sind. Auch der Bundesrechnungshof beschäftigte sich im Jahr 2009 mit diesem Thema. In seinen Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (Quelle: BT-Drs.17/77 Seite 163-168) stellt er „fehlende Maßstäbe und unzureichende Transparenz bei der Vergütung von Vorstandsmitgliedern gesetzlicher Krankenkassen“ fest. Zentraler Kritikpunkt des Bundesrechnungshofes ist, dass “die Aufsichtsbehörden kein hinreichend wirksames Instrument haben, vor dem Abschluss oder der Änderung eines Vertrages auf die Vertragsgestaltung Einfluss zu nehmen.(…)“. Weiterhin teilt der Bundesrechnungshof mit, „dass die Sozialpartner (der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) den Krankenkassen empfahlen, ihren Vorstandsvorsitzenden je nach Mitgliederzahl höchstens eine Vergütung vergleichbar der Besoldungsgruppe B 8 der Bundesbesoldungsordnung (130 000 Euro) zu zahlen.(…) Bei Krankenkassen mit mehr als 600 000 Versicherten erhielten 90 % der Vorstandsvorsitzenden eine Gesamtvergütung von mehr als 130 000 Euro, dem von den Sozialpartnern empfohlenen Höchstbetrag. Bei 16 Krankenkassen erhielten die Vorstandsvorsitzenden unter Einrechnung des Zuschlags für Sozialabgaben mehr als in der Besoldungsgruppe B 11 (166 000 Euro) gezahlt wird, der Besoldung einer Staatssekretärin oder eines Staatssekretärs. Die höchste Gesamtvergütung eines Vorstandsvorsitzenden lag im Jahre 2006 bei 242 000 Euro und stieg bis zum Jahre 2008 auf fast 300 000 Euro an.“

Die Kritik an der fehlenden Kontrollmöglichkeit führte begrüßenswerter Weise dazu, dass der Deutsche Bundestag eine Gesetzesänderung veranlasste und den Abs. 6a in § 35 SGB IV einführte. Diese Regelung trat am 13.8.2013 in Kraft.

§ 35a Abs.6a SGB IV: Der Abschluss, die Verlängerung oder die Änderung eines Vorstandsdienstvertrags bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Die Vergütung der Mitglieder des Vorstandes hat in angemessenem Verhältnis zum Aufgabenbereich, zur Größe und zur Bedeutung der Körperschaft zu stehen. Dabei ist insbesondere die Zahl der Mitglieder der Körperschaft zu berücksichtigen.

Die veröffentlichten Krankenkassen-Vorstandsgehälter aus dem Jahr 2013 zeigen bisher noch immer Spitzengehälter von bis zu 288.848 € (Vorstandsvorsitzender Techniker Krankenkasse). Es bleibt abzuwarten, ob die neu eingeführte gesetzliche Regelung der Änderungen bewirken wird. Bereits vorhandene Verträge werden nicht mehr geändert werde können. Allenfalls beim Abschluss von neuen Verträgen (z.B. nach neuer Vorstandswahl) könnte eine Anwendung der Grundprinzipien Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit und damit auch das verantwortungsvolle Einsetzen von Mitgliedsbeiträgen – wie vom Bundesrechnungshof gefordert – spürbar werden. Wir sind gespannt.

 

Geänderte Hausnummer beendet Vertrag mit Krankenkasse

Frau Dr. Elisabeth.Lerche und Frau Dr. Claudia Stahl betreiben seit knapp 30 Jahren ihre Hausarztpraxis in der Metzstraße im oberpfälzischen Bad Kötztingen. Mit ihrer Praxis nehmen sie am sogenannten Hausarztmodell teil. Bei diesem Verfahren erhalten Patienten von ihrer Krankenkasse Vergünstigungen, wenn sie bei Beschwerden zunächst einen bestimmten (Haus-)Arzt aufsuchen, der einen entsprechenden Vertrag mit der Krankenkasse abgeschlossen hat. Im Jahr 2012 wurde von der Stadt Bad Kötztingen die Hausnummer der Praxis in der Metzstraße geändert. Ein Jahr später erklärte daraufhin die AOK Bayern das Hausarztmodell für beendet, da – wie ihr der Verband der Hausärzte mitteilte – eine Adressänderung vorliegt, die Praxis somit umgezogen sei. Dass ein Umzug gar nicht stattgefunden hatte, sondern lediglich die Hausnummer geändert wurde, erachtete die AOK Bayern für irrelevant. Von der Beendigung des Hausarztmodells waren neben Frau Dr. Lerche und Frau Dr. Stahl über 400 Versicherte betroffen. Mehrfache Versuche der Ärztinnen, die absurde Situation zu beenden, scheiterten. Auch Vermittlungsversuche von Stadt und Bürgermeister führten nicht zum Einlenken der Krankenkasse, die sich mit der Kündigung des Vertrages im Recht sah: Der Fehler liege bei der Managementgesellschaft für Hausärzte, der HÄVG in Köln, die die Daten übertragen haben. Zum zweiten Quartal 2013 nahm die AOK Bayern die Praxis wieder in das Hausarztmodell auf, beharrte aber darauf, dass eine rückwirkende Abrechnung des ersten Quartals 2013 nicht möglich sei. Die beiden Ärztinnen klagten vor Gericht gegen die Kündigung – und obsiegten. Anfang April 2013 verpflichtete das Sozialgericht München die AOK Bayern die Abrechnung der Praxis auch für das erste Quartal zuzulassen.

(Quelle: www.mittelbayrische.de 13.07.2015)

 

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