Dr. Marcus Weiss, Weiss AG, Kaiserslautern vs. KfW

Willkür im Förderdickicht ? Wie ein preisgekröntes Innovationskonzept an der überraschenden Förderabsage der größten nationalen Förderbank der Welt zu scheitern drohte

Alles beginnt mit einer Idee

Der Vorstand der Weiss AG, Herr Dr. Marcus Weiss, Dipl.-Ing. Maschinenbau und Verfahrenstechnik, hat im August 2007 mit seinem Geschäftskonzept „3D-Fahrzeugdokumentation“ beim vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ausgeschriebenen „Gründerwettbewerb Multimedia“ von 157 eingereichten Konzepten den 1. Platz erreicht und damit 25.000 Euro zur Umsetzung seiner Geschäftsidee erhalten. Sie besteht darin, den Verkauf von Autos mit der Erstellung von hochwertigen 3D-Aufnahmen mit Innen- und Außenansichten zu unterstützen. Diese werden in Automaten erstellt, in die das Fahrzeug hineinfährt. Die Automaten sollen flächendeckend in Deutschland aufgestellt werden. Durch die Aufnahmen können die Fahrzeuge ohne Zeitverlust ins Internet gestellt und von potentiellen Käufern betrachtet werden.

Um die Finanzierung dieses Konzeptes sicherzustellen, begann Herr Dr. Weiss zahlreiche Gespräche zu führen. Als Ergebnis dieser Gespräche wurde ein Finanzierungsmodell für das Geschäftskonzept „3D-Fahrzeugdokumentation“ unter Federführung der staatlichen Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) und mit Beteiligung der Landesbeteiligung „Venture-Capital Westpfalz“ (VcW), der Landesbeteiligung „Wagnisfinanzierungsgesellschaft für Technologieförderung in Rheinland-Pfalz mbH“ (WFT), der KfW (ehemals Kreditanstalt für Wiederaufbau, jetzt nur noch KfW) und der Volksbank Lauterecken entwickelt.

Zwischenzeitlich hatte die 2008 gegründete Weiss AG mit diesem Konzept zudem einen Hauptpreis beim Wettbewerb „Pioniergeist 2009“ gewonnen. Der „Pioniergeist“-Wettbewerb ist eine gemeinsame Initiative der ISB, des Genossenschaftsverbands und des SWR Fernsehens.

Die Finanzierung steht

Sowohl WFT als auch VcW bewilligten aufgrund der erfolgten Gespräche erwartungsgemäß die Anträge. Zudem gab die Volksbank Lauterecken ihre Zusage. Anlässlich eines Treffens bei der KfW am 11.08.2009 in Bonn, bei welchem das Konzept nochmals vorgestellt wurde, gab die zuständige Sachbearbeiterin im Beisein der ISB-Verantwortlichen für Firmenbeteiligungen/Venture Capital zu erkennen, dass auch sie den Antrag befürwortet. Mit der Aussage der Sachbearbeiterin, „spätestens im April ist das Geld auf dem Konto, schauen Sie, dass ihr Projekt pünktlich startet“ wähnte sich Dr. Marcus Weiss auf der sicheren Seite. 
Die WFT sicherte der Weiss AG mit Schreiben vom 15.04.2010 zu, sich an der Finanzierung des Vorhabens zu beteiligen, eine Voraussetzung hierfür war die Beteiligung der KfW. Insgesamt war ein Gesamtvolumen von 900 TE vorgesehen, wovon 200 TE von der WFT, 150 TE von der VcW, 100 TE von der Volksbank Lauterecken, 350 TE von der KfW und 100 TE von der Weiss AG finanziert werden sollten.

Plötzliche Kehrtwende der KfW

Zur völligen Überraschung aller Beteiligten erhielt die Weiss AG jedoch am 23.04.2010 ein Schreiben von der KfW, in welchem diese mitteilt, dass eine Zusage nicht erfolgen könne. Als Begründung wurde in dem Schreiben lediglich mitgeteilt:

„Die KfW finanziert mit den Mitteln des ERP-Startfonds innovative Technologieunternehmen, die neue Produkte (Verfahren/Dienstleistungen) entwickeln und diese in den Markt einführen. Während diese neuen Produkte dabei auf festgestellte Bedarfsstrukturen ausgerichtet sein müssen, wird außerdem ein Geschäftsmodell benötigt, das die Interessen der Marktpartner berücksichtigt und letztlich zu einem monetären Mehrwert für die Beteiligten führen kann. Diese Voraussetzungen und Anforderungen für eine Finanzierung im Rahmen des ERP-Startfonds werden bei dem Beteiligungskonzept der Weiss AG nicht erfüllt.“
Die KfW machte sich nicht die Mühe, ihre Überzeugung konkret zu begründen und dies in Anbetracht dessen, dass allein der Businessplan, der von der Weiss AG vorgelegt wurde, 69 Seiten umfasste und auf über 13 Seiten die Marktchancen analysiert wurden.
Da sich die Weiss AG mit der Begründung nicht zufrieden geben wollte, rief Herr Dr. Weiss bei der KfW an. Dabei stellte sich heraus, dass die betreffende Sachbearbeiterin verhindert war, das Gesuch zu bearbeiten, wodurch es an einen anderen Sachbearbeiter weitergeleitet wurde. Im Gespräch wurde Dr. Weiss schnell klar, dass der verantwortliche Sachbearbeiter sich nicht ernsthaft mit dem Konzept beschäftigt und es womöglich daher nicht verstanden hat. Dennoch hat er das Projekt ohne eine einzige Rückfrage mit einem negativen Votum im Bewilligungsausschuss vorgestellt. Bei allen anderen beteiligten Fördereinrichtungen stieß diese Ablehnung der KfW auf größtes Unverständnis und konnte weder von der Weiss AG noch von deren Partnern nachvollzogen werden.
Deshalb bat Dr. Weiss um die Möglichkeit, die bestehenden Missverständnisse durch eine erneute Vorstellung des Konzeptes auszuräumen.

Zweiter Anlauf

Dieses Ansinnen wurde von der ISB mit Schreiben vom 07.05.2010 an die KfW unterstützt. Zudem entkräftete die Weiss AG die Behauptung, dass kein gewinnbringender Markt für das beabsichtigte Projekt bestünde, indem sie der KfW zwei „Letter of Intent“ (darunter der größte Re-Importeur von PKWs in Deutschland) sowie eine positive Stellungnahme des TÜV Rheinland  vom 05.05.2010 der KfW beilegte. Darin bestätigt der TÜV ausführlich die Marktfähigkeit des Konzeptes von Dr. Marcus Weiss. „Um den Bedarf am Markt abschätzen zu können“, so heißt es dort, „wurden verschiedene Recherchen und Untersuchungen durchgeführt (…) und das Konzept im Rahmen einer TÜV-Veranstaltung vor 50 größeren Autohändlern (…) vorgestellt“. Und weiter „aufgrund der positiven Rückmeldungen und des festgestellten Bedarfs seitens der Autohaus-Kunden (…) wurde Dr. Weiss eingeladen, das Konzept im Rahmen eines jährlichen Mobilitäts-Strategietreffen vor 130 TÜV-Verantwortlichen zu präsentieren.“ Die Stellungnahme schließt mit der Feststellung, dass das Konzept „ideal auf die Bedürfnisse der professionellen Autohändler abgestimmt“ sei, daher schreibt der TÜV „dem Konzept hohe Erfolgschancen zu, (…)  was auch die bisherigen Rückmeldungen von verschiedenen Kunden (…) bestätigen.“

KfW nicht interessiert

Dennoch sah die KfW auch danach nicht die Notwendigkeit, der Weiss AG die Möglichkeit einzuräumen, das Geschäftskonzept nochmals zu erläutern und offensichtliche Missverständnisse ausräumen zu können. Auch sah die KfW offensichtlich keine Veranlassung Ihre Gründe für die Ablehnung des Antrages näher darzulegen.

Die Ablehnung des Konzeptes hatte die Konsequenz, dass aufgrund der plötzlich fehlenden Finanzierung die Existenz der Weiss AG massiv bedroht war. Deshalb wurde die Hilfe des von der Bundesregierung neu installierten Kreditmediators, Herrn Hans Joachim Metternich, in Anspruch genommen. Auf dessen Initiative hin wurde seitens der KfW der Weiss AG dann doch noch die Möglichkeit eingeräumt, das Konzept erneut zu präsentieren.
Aber auch nach erneuter Präsentation des Konzeptes wurde die Finanzierung des Projektes mit Schreiben vom  09.12.2010 abgelehnt, wiederum ohne eine schlüssige Begründung, die die aufgezeigten Marktchancen berücksichtigen. Man stellte lediglich fest, dass sich das Konzept nicht geändert hätte und daher abzulehnen sei.
Daraufhin erhielt die Weiss AG von dem Kreditmediator ein Schreiben vom 06.01.2011, in welchem dieser deutlich macht, dass er die Auffassung der KfW angesichts der erreichten Technologierreife sowie der bereits erzielten Vermarktungserfolge nicht teilt. Aber aufgrund der Tatsache, dass Finanzierungsentscheidungen im „Venture Capital-Bereich“ auch subjektive Kriterien beinhalten, kommt er zur Überzeugung, dass seines Erachtens eine weitere Diskussionsrunde nicht mehr zielführend sei. Damit endete der Versuch der Weiss AG, für ihr Konzept öffentliche Wirtschaftsförderung zu bekommen. Interessant ist am Rande, dass hier die KfW, eine Staatsbank, die staatliche Gelder zur Wirtschaftsförderung verwaltet, dem Venture-Capital-Bereich zugerechnet wird.

Wirtschaftsförderung nach Gutsherrenart

Die ausgesprochen ressourcen- und kostenintensive Antragsphase hätte die Weiss AG als technologieorientiertem Start-up mit damals sechs Mitarbeitern fast ruiniert. Nachdem am Ende der langen und kostspieligen Antragsphase die Ressourcen fast aufgebraucht waren, hat Dr. Weiss schnell Großkunden aus Norwegen und China gefunden, die zur Vorkasse bereit waren. Das Projekt wird nun aus eigener Kraft realisiert, wenn auch in bislang abgewandelter Form, da der Weiss AG die nötigen Mittel für die Umsetzung des Gesamtkonzeptes noch fehlen.
Dennoch  bleiben viele Fragen offen.
Widersprüchlich erscheint, dass die „3D-Fahrzeugdokumentation“ zunächst vom BMWi ausgezeichnet wurde, die KfW das Potential des Konzepts jedoch offenbar nicht erkennen konnte.

Förderdschungel

Bei den beteiligten Investoren handelt es sich mit Ausnahme der Volksbank Lauterecken um öffentlich-rechtliche Institutionen, die die Aufgabe haben, Investitionsvorhaben in der Region zu unterstützen. Warum deren Experten das Vorhaben „3D-Fahrzeugdokumentation“ als förderwürdig erkannt haben, die KfW jedoch nicht, bleibt rätselhaft. Der Aufwand, den die steuerfinanzierten Experten bei ISB, WFT und VcW betrieben haben, um das Konzept von Dr. Marcus Weiss zu prüfen und zu bewilligen, ist mit der Absage durch die KfW verpufft.

Die vielen beteiligten Stellen zeigen das Dickicht des staatlichen Wirtschaftsförderdschungels. Es stellt sich die Frage, ob diese Struktur gut ist und ob es innerhalb dieser Struktur gut organisiert ist – insbesondere bei der Fülle der weitverzweigten Akteure – wenn  letztlich der Aufwand verpufft und Kontrollsysteme offenbar nicht greifen. So bleibt auch unklar, warum selbst die Fürsprache des vom Bundeswirtschaftsministerium eigens für derartige Probleme geschaffenen Kreditmediators bei einer staatlichen Bank wie der KfW kein Gehör findet.

Marktkenntnis der KfW ?

Die erneute Ablehnung der KfW-Mitarbeiter erscheint fragwürdig, da sie dabei das nachweislich große Interesse des Marktes gänzlich außer Acht lässt. Die in der ersten Ablehnung vorgebrachten Bedenken nach den fehlenden Marktchancen mögen zunächst durchaus plausible Einwände gewesen sein. Auf diese Bedenken hat Dr. Weiss bei der zweiten Eingabe dezidiert reagiert und auf das Gutachten des TÜV Rheinland verwiesen, welches auch Markttests beinhaltet. Die Stellungnahme des TÜV ist auf den Aspekt Innovation zugeschnitten, sie fand jedoch keine Berücksichtigung bei der KfW. Vom TÜV ist eine realistische Einschätzung des Kfz-Markts anzunehmen. Darin wurden neben möglicher Marktbereiche für den potentiellen Einsatz der „3D-Fahrzeugdokumentation“ auch dezidiert potentielle Marktteilnehmer/Zielgruppen identifiziert: Großkunden wie Leasinggesellschaften, Mietwagenunternehmen, Versicherungen, professionelle Autohändler im Gebrauchtwarenhandel sowie private Autoverkäufer. 

Das vorgelegte Konzept hat alle Akteure überzeugt, nur die KfW nicht. Warum sich die marktferne KfW anmaßt, die Marktreife für den Fahrzeugmarkt besser beurteilen zu können als der TÜV  bleibt offen. Die Stellungnahme dabei nicht zu berücksichtigen, ist überraschend unprofessionell. So drängt sich der Eindruck von Willkür auf, wurde der Ablehnungsgrund doch dezidiert widerlegt.
Es mutet daher seltsam an, dass in Deutschland die Finanzierung eines nachweislich innovativen Konzeptes dennoch nicht gelingen und letztlich an der Markteinschätzung von offensichtlich marktfremden Sachbearbeitern scheitern kann. Und dies, obwohl man sich gerade bei der KfW rühmt, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln neue innovative Ideen zu unterstützen.

Ihre Marktfähigkeit beweist die Weiss AG nun über ihre erwirtschafteten Umsätze, auch wenn sie dabei freilich in ihrer Entwicklung erheblich langsamer voran kommt als ursprünglich geplant und gewünscht. Dr. Marcus Weiss gebührt großes Lob für die gute Vorarbeit sowie seine Hartnäckigkeit, sich trotz aller Schwierigkeiten am Markt zu behaupten.

Stand der Falldarstellung: 03/2013

Herr Dr. Marcus Weiss wurde mit dem hier dargestellten Fall für den „Werner-Bonhoff-Preis-wider-den-§§-Dschungel“ 2013 nominiert.

Im Zusammenhang mit dem bestehenden Förderdickicht empfehlen wir den Fall von Franz Dullinger, XperRegio in unserer Fallsammlung.

Beantworten Sie bitte drei Fragen zu Ihrem Bürokratie-Erlebnis und bewerben Sie sich damit automatisch für den Werner Bonhoff Preis

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