SOKA-BAU

Im Dschungel der verselbstständigten Bürokratien

Ein Dankeschön vorweg: Wir danken den zahlreichen Menschen, die uns sachdienliche Hinweise gegeben und Fälle zur Auswertung zur Verfügung gestellt haben und all jenen, die uns in Zukunft noch an ihren Erfahrungen teilhaben lassen. Erst diese konkreten Beiträge ermöglichen diese kritische Zusammenstellung und das Wirken unseres Projektes.

Kontaktieren Sie uns!

Welche Erfahrungen haben Sie mit SOKA BAU gemacht?

Wir freuen uns über jede Meldung!

Viele haben an der Praxis der sog. SOKA-BAU Kritik geübt. Grundsätzlich beschäftigt sich die Werner Bonhoff Stiftung nicht mit frei ausgehandelten Verträgen bzw. Tarifverträgen oder privaten Einrichtungen.

In das Blickfeld der Werner Bonhoff Stiftung ist die SOKA-BAU jedoch geraten, weil durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) seit vielen Jahren auf entsprechenden Antrag der Tarifvertragsparteien die Tarifverträge für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) und der Bundesrahmentarifvertrag im Baugewerbe (BRTV) für allgemeinverbindlich erklärt werden. Diese Erklärung führt dazu, dass Unbeteiligte den Regelungen der Tarifverträge und damit auch der Praxis und den Beitragsforderungen der SOKA-BAU unterworfen werden. Da eine der zwei Voraussetzungen für die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit nach § 5 Abs.1 Nr. 2 Tarifvertragsgesetz (TVG) ein bestehendes öffentliches Interesse an der Erklärung und damit der starken Ausweitung der tarifvertraglichen Regelungen ist, übernimmt die Bundesregierung, vertreten durch das BMAS, Mitverantwortung für die Konsequenzen. Auch die SOKA-BAU kann sich daher trotz ihrer privaten Rechtsform nicht ihrer Verantwortung entziehen, den üblichen Qualitätsmaßstäben von Verwaltungshandeln gerecht zu werden.

SOKA-BAU ist der nach außen benutzte gemeinsame Name für die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft e.V. (ULAK) und die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG (ZVK). Die ULAK und die ZVK sind Einrichtungen der Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft, in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (ZVK) und eines eingetragenen Vereins (ULAK).

Kernleistungen der SOKA-BAU sind die Sicherung von Urlaubsansprüchen, Rentenbeihilfe als überbetriebliche Altersvorsorge sowie Finanzierungsunterstützung bei der Berufsausbildung. Bauunternehmer müssen im Tarifgebiet West derzeit 20,4%, im Tarifgebiet Ost 17,2% des Bruttolohns eines jeden Beschäftigten an die SOKA-BAU abführen, zusätzlich zu den üblichen Lohnnebenkosten (Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung). Die Beiträge zur SOKA-BAU setzen sich zusammen aus Anteilen zur ULAK zur Urlaubssicherung (15,1%), zur Zusatzrente (3,2%) und zur Berufsbildung (2,1%). Im Tarifgebiet Ost entfällt der Anteil zur Zusatzversorgung.
Die ULAK verwaltet die vom Arbeitgeber gezahlten Beiträge zur Sicherung des Arbeitnehmeranspruches auf Urlaub, sowie Lohnfortzahlung in Urlaubzeiten treuhänderisch. Gewährt der Arbeitgeber seinen Beschäftigten jedoch Urlaub unter Lohnfortzahlung, verbleiben die eingezahlten Beiträge zur ULAK als unverzinstes Guthaben auf dem Beitragskonto des Arbeitgebers bei der SOKA-BAU und können dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen rückerstattet werden.

Kritikpunkte aus der Praxis

Sowohl der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) als auch der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) werden seit vielen Jahren vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Grundlage des § 5 Tarifvertragsgesetz für allgemeinverbindlich erklärt. Dies hat zur Folge, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrages auch für die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten.

Seit längerer Zeit existieren kritische Stimmen in der Praxis und Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlicherklärung überhaupt erfüllt sind. Hierzu müssen nämlich nach § 5 Abs.1 Nr.1 Tarifvertragsgesetz mindestens 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer von tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt werden. Der Stiftung ist bereits eine erfolgreiche Klage bekannt, durch die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Offenlegung der Voraussetzungen verurteilt wurde. Weitere Verfahren, die sich gezielt gegen ein rechtmäßiges Zustandekommen einzelner vom BMAS ausgesprochener Allgemeinverbindlicherklärungen richten, sind noch gerichtlich anhängig.

Update 09/2014:

Mit dem am 16. August 2014 in Kraft getretenen Tarifautonomiestärkungsgesetz wurden die Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung durch die Große Koalition geändert und die 50% – Regelung abgeschafft. Nach dem neuen § 5 Abs. 1 kann das BMAS nun einen Tarifvertrag auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, allein „wenn (dies) im öffentlichen Interesse geboten erscheint“. Das soll in der Regel der Fall sein, wenn

„1. der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder

2. die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt.“

Der neu eingefügte § 5 Abs. 1a Nr. 1 ermöglicht eine Allgemeinverbindlicherklärung insbesondere  wenn der Tarifvertrag die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch eine gemeinsame Einrichtung die den Erholungsurlaub, ein Urlaubsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld regelt.

Nach dem neu eingefügten § 5 Abs. 4 Satz 2 ist ein nach Absatz 1a für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag vom Arbeitgeber sogar auch dann einzuhalten, wenn er an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist.

Nicht selten kommt es vor, dass Unternehmer von ihrer Beitragspflicht zu SOKA-BAU überrascht werden. Beitragspflichtig sind Betriebe des Baugewerbes. Wann ein Betrieb als Betrieb des Baugewerbes angesehen wird, regelt § 1 Abs. 2 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV).

Neben allgemeinen Definitionen zu Baubetrieben enthält diese Bestimmung eine Auflistung von 42 Tätigkeiten, die als baulich einzustufen seien. Diese Auflistung ist jedoch nicht abschließend. Ob ein Betrieb als Ganzes vom Geltungsbereich des Tarifvertrages erfasst wird, richtet sich danach, ob in dem Betrieb die Tätigkeiten im Sinne des Tarifvertrages überwiegend erbracht werden (vgl. § 1 Abs.2 Abschnitt VI). Eine starke Ausweitung des Geltungsbereiches erfährt der Tarifvertrag durch seine Allgemeinverbindlichkeit, die durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales  auf entsprechenden Antrag der Tarifvertragsparteien erklärt wird. (siehe dazu A).

Da die SOKA BAU ihre Beiträge für vier Jahre rückwirkend geltend machen kann (§ 24 VTV), und sich daher die Forderungssummen schnell im fünf- bis sechsstelligen Bereich bewegen, folgt dem Überraschungsmoment der betroffenen Arbeitgeber häufig ein Kampf um die wirtschaftliche Existenz.

In § 18 Abs. 5 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) – gültig bis zum 30.06.2013 – war geregelt,  dass Erstattungsforderungen des Arbeitgebers erst entsprochen werden konnten, wenn er seiner Meldepflicht vollständig nachgekommen ist und sein Beitragskonto keine Rückstände aufweist.

Eine oftmals gravierende Auswirkung hatte dieses Aufrechnungsverbot in Fällen, in denen Arbeitgeber durch ihre geleisteten Beiträge zur Urlaubs- und Lohnausgleichskasse (ULAK) ein Guthaben erworben haben, das ihnen zu erstatten ist, wenn die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer abgegolten waren. Denn diese Erstattung fand nur statt, wenn der Arbeitgeber mit seinen Beitragszahlungen nicht im Rückstand war. Wies  sein Beitragskonto auch nur einen geringen SOLL-Betrag auf, fand keine Guthabenerstattung statt und eine Saldierung wegen des Aufrechnungsverbotes ebenfalls nicht. In Fällen, in denen die SOKA-BAU rückwirkend hohe Beitragssummen vom Arbeitgeber forderte, dieser die Forderung jedoch nicht bedienen konnte und auch nicht mit seinem Guthaben aufrechnen durfte, führte dies mitunter zur Existenzvernichtung des Unternehmers.

Zwar hatte die SOKA-BAU mitgeteilt, dass es in Härtefällen Ausnahmen gäbe. Uns sind jedoch keine Fälle bekannt geworden, in denen ein derartiger Härtefall rechtzeitig anerkannt und die Aufrechnung gestattet wurde.

Update: Die zum 01.07.2013 in Kraft tretende Tarifänderung sieht vor, nun eine Saldierung zu gestatten. Somit soll eine Verrechnung zwischen Guthaben und offenen Beitragsforderungen unter bestimmten Voraussetzungenmöglich sein.

In wie weit diese neue Regelung die Praxis der SOKA-BAU verbessern wird, bleibt abzuwarten.

Die Beiträge zur Urlaubs- und Lohnausgleichskasse (ULAK), die über 70%  des gesamten SOKA-Beitrages ausmachen, zieht die Kasse ein, um die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer zu sichern, die von ihrem Arbeitgeber ihren Urlaub nicht gewährt oder ausgezahlt bekommen. In der Praxis existieren jedoch Fälle, in denen der Arbeitgeber, der an die SOKA-BAU rückwirkend Beiträge zur Urlaubsabsicherung zahlen soll, seinen Arbeitnehmern nachweislich den Urlaub bereits gewährt bzw. ausgezahlt hat. So stellt sich die Frage, ob sich das Verfahren für solche Fälle nicht anpassen läßt. Dann könnte die starke und insoweit unnötige Beanspruchung von Liquidität der Unternehmen vermieden werden.

Die Ansprüche der Arbeitnehmer sind demnach abgegolten. Ungeachtet der in diesen Fällen fehlenden Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer fordert die SOKA-BAU jedoch trotzdem die Zahlung der kompletten Beiträge – um im Anschluss dem Arbeitgeber den Anteil zur ULAK wieder zu erstatten, sofern er die Voraussetzungen für die Erstattung erfüllt. Diese Praxis zeigt nicht nur ein schablonenhaftes, hoch problematisches Handeln der SOKA-BAU, sondern auch, dass hierdurch der ursprüngliche Zweck der Beitragszahlung zur ULAK mittlerweile verfehlt wird.

Waren bisher nur Bertriebe, die gewerbliche Arbeitnehmer und/oder Auszubildende (Azubis) beschäftigten, von der Beitragspflicht betroffen, haben die Tarifparteien des VTV im April 2015 beschlossen, nun auch Einzelunternehmer/Solo-Selbstständige mit einem betriebsbezogenen Jahresbeitrag von 900 EUR zur Kasse zu bitten.

Von Seiten der betroffenen Solo-Selbstständigen formierte sich schnell Widerstand gegen die„Azubi-Umlage“. Uns erreichte Kritik an dem Fehlen einer Ausnahme für Härtefälle (Solounternehmer, die sich die 900 EUR im Jahr einfach nicht leisten können, siehe Fall Berg), aber vor allem an der Berechnungsgrundlage der Umlage. Das Unverständnis über „den willkürlich festgelegten Betrag, ohne jegliche Berechnungsgrundlage“ führte im September 2015 sogar zur Gründung des „Interessenverbands der Einzelunternehmer im Baugewerbe“ (IVEB).

Kritiker weisen darauf hin, dass die Wahlen der IHK mit dem Demokratieprinzip schwer vereinbar seien. Die gesetzlich vorgesehene Gruppenwahl (§ 5 Abs. 3 IHKG) wird als demokratiewidrig empfunden, denn nicht jede Stimme hat die gleiche Bedeutung.

Vielmehr wird die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gewerbegruppen berücksichtigt. Auch deswegen seien die kleinen Unternehmen in den Gremien der IHK unterrepräsentiert und daher im Ergebnis weniger einflussreich.

Kritisiert wird auch, dass sich einige IHK lange Zeit weigerten und zum Teil noch bis heute weigern, die Wahlergebnisse zur sog. Vollversammlung, die das Vertretungsgremium der Kammerzugehörigen darstellt, offenzulegen.

In Berlin berief sich die IHK bei ihrer Weigerung darauf, dass sie personenbezogene Daten, der zur Wahl gestandenen Mitglieder schützen müsse und auf die Befürchtungen von Mitgliedern, die bei der Wahl ein schlechtes Ergebnis erzielten, dass sich dies negativ auf ihren Geschäftsbetrieb auswirken könnte. Wie die „Wirtschaftswoche“ in ihrem Artikel vom 25.03.2013 berichtete, war eine daraufhin von einem Mitglied der Berliner Vollversammlung vor dem Berliner Verwaltungsgericht erhobene Klage jedoch erfolgreich, sodass die IHK Berlin zur Offenlegung verpflichtet wurde. Eine Verbesserung der intransparenten Praxis der IHK scheint nun voranzuschreiten, da nach Aussage des bffk auch die IHK Kassel-Marburg ihre Wahlergebnisse seit einiger Zeit veröffentlicht und seit März 2013 auch die IHK Bochum.

Wir freuen uns über jede Meldung!
Schreiben Sie uns eine E-Mail

Welche Erfahrungen mit Kammern, Gesetzlichen Krankenkassen, Bundesagenturen etc. haben Sie gemacht?

Neueste Fälle

Beantworten Sie bitte drei Fragen zu Ihrem Bürokratie-Erlebnis und bewerben Sie sich damit automatisch für den Werner Bonhoff Preis