Die gesetzlichen Krankenkassen
Im Dschungel der verselbstständigten Bürokratien
Ein Dankeschön vorweg: Wir danken den zahlreichen Menschen, die uns sachdienliche Hinweise gegeben und Fälle zur Auswertung zur Verfügung gestellt haben und all jenen, die uns in Zukunft noch an ihren Erfahrungen teilhaben lassen. Erst diese konkreten Beiträge ermöglichen diese kritische Zusammenstellung und das Wirken unseres Projektes.
Die IHK ist als sogenannte verselbstständigte Bürokratie Teil des großen verborgenen öffentlich-rechtlichen Sektors in Deutschland. Durch das Bundesgesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) werden Gewerbetreibende und Unternehmer zu sogenannten Kammerzugehörigen und damit der Pflichtmitgliedschaft und der Beitragspflicht bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer unterworfen. (Ausnahmen: reine Handwerksunternehmen, Landwirte und Freiberufler, die nicht im Handelsregister eingetragen sind.)
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Allgemeine Informationen zur IHK und zum Kammerzwang
Die Industrie- und Handelskammern (IHK) sind berufsständische Körperschaften des öffentlichen Rechts und bestehen aus Unternehmen einer Region. Alle Gewerbetreibenden und Unternehmen mit Ausnahme reiner Handwerksunternehmen, Landwirtschaften und Freiberufler (die nicht ins Handelsregister eingetragen sind) gehören ihnen per Gesetz an. Geregelt ist die Pflichtmitgliedschaft im Bundesgesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG).
In Deutschland gibt es 80 Industrie- und Handelskammern, die für unterschiedlich große Regionen zuständig sind. Spitzenreiter sind hier die Bundesländer Nordrhein-Westfalen mit 16 bezirksbezogenen Kammern, Baden-Württemberg mit 12 und Hessen mit 10 Kammern.
Die IHK übernehmen Aufgaben der Selbstverwaltung der regionalen Wirtschaft. Die Kosten der Kammern werden im Wesentlichen durch Beiträge der Kammerzugehörigen aufgebracht; dabei unterscheidet das Gesetz die nach wirtschaftlichem Erfolg gestaffelten Grundbeträge und Umlagen auf der Grundlage der Gewerbesteuermessbeträge (§ 3 Abs.2 ff. IHKG).
Gremien der IHK sind die Vollversammlung, die von den Kammerzugehörigen gewählt werden (§ 5 IHKG), der von der Vollversammlung gewählte Präsident, sowie die Präsidiumsmitglieder (§ 6 IHKG) und der von der Vollversammlung bestellte Hauptgeschäftsführer (§ 7 IHKG).
Die IHK haben das Recht der Selbstverwaltung. Sie wählen ihre Organe selbst, können eine Satzung, Wahl- und Beitragsordnung erlassen. Sie unterliegen der Rechtsaufsicht des Staates (§§ 4,7,11 IHKG).Gemäß § 11 Absatz 1 IHKG üben die jeweiligen Länder die Rechtsaufsicht über die Industrie- und Handelskammern aus und haben dies in entsprechenden Ausführungsgesetzen geregelt. So ist in zum Beispiel in Berlin die zuständige Aufsichtsbehörde die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung, in Hessen der Landeswirtschaftsminister.
Voraussetzung für die Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Verbandes mit Zwangsmitgliedschaft ist, dass der Verband legitime öffentliche Aufgaben erfüllt. Damit sind Aufgaben gemeint, an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber weder allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinn staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat durch seine Behörden wahrnehmen muss (BVerfGE 38,281,299). Bei der Einschätzung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt dem Staat ein weites Ermessen zu (1 BvR 1806/98, RdNr.37).
In § 1 Absatz 1 IHKG ist festgelegt, dass die IHKs die Aufgabe haben „das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen“.
Der Kammerzwang wird von verschiedener Seite als unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen empfunden, zum Beispiel in die negative Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Grundgesetz bzw. in die Allgemeine Handlungsfreiheit von Unternehmern bei der Ausübung Ihres Gewerbebetriebes nach Art. 2 Grundgesetz.
Der Bundesverband für freie Kammern e.V. (kurz: bffk), der nicht für die Abschaffung der Kammern, sondern für die Abschaffung des Kammerzwanges eintritt, hat Ende 2010 die Einreichung einer Beschwerde gegen den Kammerzwang bei der Europäischen Kommission in Brüssel initiiert. Beschwerdeführer sind fünf deutsche und ein österreichisches Unternehmen, die alle Pflichtmitglieder bei einer IHK sind. Inhaltlich rügen die Beschwerdeführer Verstöße gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 Abs. I AEU), gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 57 AEU), gegen die Dienstleistungsrichtlinie (Art. 14 Ziff. 2 der Richtlinie 2006/123/EG) sowie gegen das Demokratieprinzip (Art. 2 Satz 1, Art. 10 EU sowie Art. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2, Art. 12, Art. 49 Abs. 1 EU). Ein Ergebnis wurde noch nicht veröffentlicht.
Häufig wurden von Pflichtmitgliedern Beitragsbescheide auf Grundlage verfassungsrechtlicher Bedenken bezüglich des durch das IHKG geschaffenen Kammerzwangs angefochten. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch bisher dieser Kritik in ständiger Rechtsprechung eine klare Absage erteilt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu dieser Frage mehrfach und eindeutig positioniert, insbesondere bereits in einer sehr frühen Entscheidung vom 19.12.1962, (BVerfGE 15,235) auf dessen Begründung auch heute die Gerichte regelmäßig verweisen.
In dieser Entscheidung stellt das Bundesverfassungsgericht unter anderem fest, dass
- eine Verletzung der negativen Vereinigungsfreiheit nach Art.9 GG…
durch die gesetzlich geregelte Pflichtmitgliedschaft nicht vorliege. Denn Art. 9 GG schütze den Einzelnen vor einer gesetzlich angeordneten Eingliederung in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Anstalt nicht. - die gesetzlich geregelten Aufgaben der IHK…
„Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber dem Staat“ und „Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet“ unzweifelhaft legitime öffentliche Aufgaben seien. - der Gesetzgeber bei der Übertragung der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, die nicht zu den staatlichen Aufgaben im engen Sinn gehört, aber im Interesse der Gemeinschaft steht…
grundsätzlich frei wählen könne, diese unmittelbar durch staatliche Behörden oder mittelbar durch Körperschaften des öffentlichen Rechts erfüllen zu lassen, also staatliche Aufgaben an Selbstverwaltungskörper – wie die IHK – zu delegieren. - wenn der Beitritt zur Industrie- und Handelskammer freiwillig wäre…
und die Zusammensetzung der Mitgliedschaft vom Zufall abhinge, wären die Kammern auf die Werbung von Mitgliedern angewiesen. Weiterhin würde die Gefahr bestehen, dass finanzstarke Mitglieder versuchen könnten, ihre Sonderinteressen durch Austrittsdrohungen zu erzwingen. Da durch die Freiwilligkeit die Möglichkeit bestünde, dass ganze Gruppen von bestimmten Gewerbe- oder Handeltreibenden nicht beitreten oder austreten, könne hierdurch das Sachverständnis der Kammern in diesen Gewerbebereichen erschwert oder entzogen werden. In gleichem Maße könne die Vertrauenswürdigkeit der IHK, ihre umfassende Sachkunde und Objektivität nicht mehr institutionell gesichert sein. - die durch den Kammerzwang vorhandene Freiheitsbeschränkung der Mitglieder…
gegenüber der im öffentlichen Interesse liegenden sachlichen Notwendigkeit des Organisationszwangs unbedeutend sei.
- eine Verletzung der negativen Vereinigungsfreiheit nach Art.9 GG…
In einer weiteren wichtigen Entscheidung vom 07.12.2001 (Az.: 1 BvR 1806/98) hat das Bundesverfassungsgericht erneut klargestellt, dass der Prüfungsmaßstab gegen die Inanspruchnahme als Mitglied in einer Zwangskorporation Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz ist. Auch unter Anwendung des hier zugrunde liegenden Prüfungsmaßstabes kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Beeinträchtigung des einzelnen Gewerbetreibenden durch die Pflichtmitgliedschaft keine erhebliche Einschränkung der unternehmerischen Handlungsfreiheit bedeute. Die Anordnung der Pflichtmitgliedschaft sei für den angestrebten legitimen Zweck auch verhältnismäßig und damit zumutbar.
Kritikpunkte aus der Praxis
Kritiker weisen darauf hin, dass die IHK – trotz eines Grundsatzurteils des Bundesverwaltungsgerichts – wiederholt allgemeinpolitische, öffentliche Erklärungen abgegeben haben, ohne dies mit ihren Mitgliedern abzustimmen. Diese Fehlentwicklung sei seit einiger Zeit zu beobachten und berge Wiederholungsgefahr in sich.
a. öffentliche Äußerungen nur bei Bezug zum Gesamtinteresse der Kammermitglieder
Durch öffentliche Äußerungen zu sozialpolitischen, bildungspolitischen, energiepolitischen, überregionalen und internationalen Themen ohne vorherige Meinungsbildung unter den Kammermitgliedern hat die IHK ihren gesetzlichen Rahmen bereits in mehreren uns bekannten Fällen verletzt. Im Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.2010 (AZ: BVerwG 8 C 20.09, vgl. Fall Boeddinghaus) legte das Gericht klare Grenzen des Aufgabenbereichs der IHK (Kassel) fest und führte unter anderem aus:
„diese Grenze ist nicht erst dann überschritten, wenn Erklärungen ohne jeden wirtschaftlichen Bezug zum Gesamtinteresse der Kammermitglieder abgegeben werden. Es reicht zur Begründung der Kompetenz nicht aus, dass die Auswirkungen einer politischen Entscheidung in irgendeiner weiteren Konsequenz auch die Wirtschaft berühren können. Vielmehr werden nur dann Belange der gewerblichen Wirtschaft wahrgenommen, wenn die Äußerung der Industrie- und Handelskammer sich auf einen Sachverhalt bezieht, der nachvollziehbar Auswirkungen auf die Wirtschaft im Bezirk der Industrie- und Handelskammer hat. (…) Link Fall Boeddinghaus.
b. keine Äußerung ohne vorherige Abstimmung der IHK-Mitglieder
Beispiel für Fehlentwicklung/Wiederholungsgefahr:
Im Jahr 2010 brachte sowohl die IHK Ulm als auch die IHK Stuttgart an ihren Standorten Plakate an, die Parolen zur Befürwortung des Bahnprojektes „Stuttgart 21“ beinhalteten. Problematisch war in diesem Fall nicht der fehlende wirtschaftliche Bezug des Themas, sondern dass die IHK diese Aktion startete, ohne sie zuvor mit den Kammermitgliedern abzustimmen. Aufgrund dieser Demokratiedefizite klagten Mitglieder auf Unterlassung derartiger Aktionen. Im Fall der IHK Ulm gab das Verwaltungsgericht Sigmaringen den Klägern in seinem Urteil vom 12.10.2011 (Az.: 1 K 3870/10) recht und auch das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 07.04.2011 (Az.: 4 K 5039/10) folgte dem Klageantrag. In der Begründung heißt es unter Bezugnahme auf das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.2010 (siehe Fall Kai Boeddinghaus), dass die Plakate in Anbetracht der der IHK als öffentlich- rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft obliegenden höchstmöglichen Wahrung an Objektivität bei Vertretung des Gesamtinteresses der Wirtschaft aufgrund der eindeutigen Meinungsäußerung weder objektiv seien, noch Minderheitspositionen dargestellt würden. Weiterhin sei die Aktion auch nicht im gebotenen Umfang von der Kammervollversammlung beschlossen worden.
Viele Zwangsmitglieder fragen sich, mit welcher Begründung sie mit ihren zwangsmäßig zu zahlenden Beiträgen den eigenen Wettbewerber, nämlich die Konkurrenz durch die IHK, zu finanzieren haben.
Manche Kritiker in der Praxis stellen sich die Frage, wie die IHK die Interessen der Mitgliedsunternehmen effektiv vertreten kann, wenn sie diesen am Markt Konkurrenz macht. Und viele Zwangsmitglieder fragen sich auch, mit welcher Begründung sie mit ihren zwangsmäßig zu zahlenden Beiträgen den eigenen Wettbewerber zu finanzieren haben. Die folgenden Beispiele zeigen, dass die Zwangsmitglieder Konkurrenz durch die IHK immer wieder zu befürchten haben.
Beispiel 1:
Viele Industrie- und Handelskammern bieten Dienstleistungen wie zum Beispiel Existenzgründerseminare, Weiterbildungen oder Vorbereitungslehrgänge für eine von der IHK als Prüfungsstelle abzunehmende Prüfung an. Auch wenn § 1 Absatz 2 IHKG eine gesetzliche Ermächtigung zur Schaffung von kaufmännischen Bildungsangeboten für die IHK darstellt, damit verdienen einige IHK-Mitgliedsunternehmen ihr Geld.
Im April 2009 hat der Bundesgerichtshof (AZ.: I ZR 176/06) eine IHK in Nordrhein-Westfalen verurteilt, es zu unterlassen bei Anfragen hinsichtlich Weiterbildungsangeboten, die auf eine Prüfung vorbereiten, die die IHK abnimmt (im dortigen Fall im Bereich Bilanzbuchhaltung) nur auf ihre eigenen Lehrgänge und nicht auch auf die externer Bildungsanbieter hinzuweisen. Das Gericht stellte in diesem Fall fest, dass die IHK durch das Verschweigen bzw. Leugnen von anderen Bildungsangeboten als die eigenen „gegen die sich aus ihrer Doppelstellung als Prüfungsbehörde und erwerbswirtschaftlicher Anbieterin von Prüfungsvorbereitungskursen ergebende Verpflichtung verstoßen hat, ihre amtliche Stellung nicht zur Förderung ihrer wirtschaftlichen Interessen zu missbrauchen.“
Beispiel 2:
Auch bei der „IHK FOSA“ – ein Zusammenschluss von 77 IHK, die im staatlichen Auftrag über die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen in Deutschland entscheiden – besteht nach Ansicht von Kritikern die Möglichkeit, dass unter dem Gesichtspunkt der eigenen Erwerbstätigkeit, eine Weiterleitung zu Weiterbildungsangeboten der IHK stattfindet und damit gegen Grundsätze des fairen Wettbewerbs unter Ausnutzung der eigenen öffentlich-rechtlichen Monopolstellung als Prüfungsbehörde verstoßen wird (siehe hierzu Spiegel Online Wirtschaft vom 23.12.2012).
Kritisiert wird, dass die Mittelverwendung weder dem gesetzlichen Aufgabenkreis, noch dem „Gesamtinteresse“ der Kammerzugehörigen entspricht und die Kammerzugehörigen bei der Entscheidung über eine entsprechende Investition nicht demokratisch beteiligt wurden.
Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben genießen die IHK Satzungs- und Finanzhoheit und legen so die regionalen IHK-Vollversammlungen in ihrer jährlichen, auf ein Geschäftsjahr bezogenen Wirtschaftssatzung die Höhe der nach Umsatz des Unternehmens gestaffelten Beiträge, sowie die Höhe der Umlage fest.
Gemäß § 3 Abs.1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der IHK durch die Beiträge der Kammerzugehörigen aufgebracht. § 3 Abs.3 IHKG regelt, dass die IHK als Beiträge Grundbeiträge und Umlagen erhebt. Wesentliche Faktoren bei der Berechnung sind die Gesellschaftsform des Unternehmens und der Gewerbeertrag. Denn die Höhe des zu zahlenden Beitrages richtet sich danach, ob und in welcher Form das Unternehmen im Handelsregister eingetragen ist und wie hoch der jährliche Gewinn aus dem Gewerbebetrieb ist.
Da es die gesetzliche Aufgabe der IHK ist, „das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen“, stoßen Aktivitäten der IHK, die ganz offensichtlich mit hohen Ausgaben verbunden sind, auf viel Kritik bei den Kammerzugehörigen.
Beispiele für unangemessenes Finanzgebaren, welches immer wieder kritisiert wird, sind:
- Forderung von zu hohen Zwangsbeiträgen
- Zahlung von überhöhten Gehältern an die eigenen Funktionäre
- Ausgaben für politische Aktivitäten sowie
- Ausgaben der IHK für repräsentative Immobilien zur Eigennutzung – wie dies bei den gesetzlichen Krankenversicherungen zu beobachten ist.
Beispiel „zu hohe Zwangsbeiträge“
Viele Kritiker weisen darauf hin, dass die von den IHK festgesetzten Beiträge zu hoch seien, die nicht den Mitgliedern, sondern den Funktionären und dem Horten von Überschüssen zu Gute kämen. So würden zu hohe Gehälter gezahlt, hohe Pensionsrückstellungen gebildet und unverhältnismäßige Immobilien zur Eigennutzung finanziert. Nach Aussage des bffk zeigt die Kritik an der Mittelverwendung Wirkung, da mittlerweile mehrere IHK (z.B. IHKn Darmstadt, Kassel und Koblenz) ihre Beiträge gesenkt haben.
Beispiel „überhöhte Gehälter“
In seinem Jahresbericht 2011 kritisiert der Bayrische Oberste Rechnungshof am Beispiel der IHK Schwaben (Augsburg), dass sich die Gehälter der IHK-Mitarbeiter und insbesondere der Führungskräfte nicht – wie bei einer mit ausschließlich öffentlichen Aufgaben befassten Kammer vorgesehen- an denen im öffentlichen Dienst orientieren, sondern diese oft deutlich übersteigen, sowie die im Vergleich zum öffentlichen Dienst deutlich höhere Pensionsansprüche (siehe hierzu Artikel in der Augsburger Allgemeinen vom 06.12.2011). Auch eine leichtfertige Vergabe von Fördergeldern von Seiten der IHK Schwaben trotz fehlender oder unzureichender Finanzierungspläne kritisierte der Bayrische Oberste Rechnungshof.
Beispiel „teure Immobilien“:
Ein Beispiel für ein höchst umstrittenes bzw. von vielen IHK-Unternehmen kritisiertes Immobilienprojekt ist der im Jahr 1998 eröffnete Sitz der Berliner IHK, das Ludwig-Erhard-Haus, auch „das Gürteltier“ genannt. Statt der damals geschätzten üppigen 255 Mio. Mark hatte der Bau etwa 325 Mio. Mark verschlungen. Zur Realisierung des Bauvorhabens wurde über einen Immobilienfonds ein langfristiger Darlehensvertrag mit einem Kreditinstitut geschlossen, das mit der IHK einen Leasingvertrag schloss: Dieser Vertrag läuft noch bis zum Jahr 2027 (siehe hierzu Artikel Berliner Zeitung vom 01.08.2006).
Derartige kostspielige Bauten sollen der besseren Vertretung der Interessen der Berliner Wirtschaft dienen. Für Berliner Unternehmen, die um ihre Existenz ringen, ist dies nicht nachvollziehbar. Es ist irreführend, stets mit imposanten Bauwerken auf Kosten der Mitglieder DIE starke Wirtschaft zu beschwören, wo bereits seit Jahren hohe Insolvenzzahlen und viele Krisen das Bild bestimmen.
Beispiel IHK Schwerin:
„Teures Haus am See“ auf taz.de vom 11.01.2009
Zwar ist in § 11 Abs.1 IHKG geregelt, dass die IHK bei der Ausübung ihrer Tätigkeit der Rechtsaufsicht des jeweiligen Landes, also den jeweiligen Wirtschaftsministerien unterliegen. Unklar und wenig transparent ist jedoch, ob und wie diese Kontrolle in der Praxis überhaupt ausgeübt wird.
Beispiel – Fehlentwicklung / Wiederholungsgefahr
Tatsache ist, dass die Rechtsaufsichtsbehörde „nicht in den Gestaltungsspielraum und das Ermessen der Kammerorgane eingreifen kann, weder durch vorherige Anweisung noch durch nachträgliche Beanstandung“ (Kommentar zu IHKG Frenzel/Jäkel/Junge, 7.Aufl., Seite 440, Rd.4) – denn dies würde den Bereich der Fachaufsicht betreffen. Eine Fachaufsichtsbehörde existiert jedoch nicht.
Prüfungen der IHK und damit die Ausübung einer Form der Aufsicht durch die Landesrechnungshöfe finden bislang nur vereinzelt statt. In seinem Jahresbericht 2011 kritisiert der Bayrische Oberste Rechnungshof am Beispiel der IHK Schwaben, dass sich die Gehälter der IHK-Mitarbeiter und insbesondere der Führungskräfte nicht – wie bei einer mit ausschließlich öffentlichen Aufgaben befassten Kammer vorgesehen – an denen im öffentlichen Dienst orientieren, sondern diese oft deutlich übersteigen, sowie die im Vergleich zum öffentlichen Dienst deutlich höheren Pensionsansprüche (siehe hierzu Artikel in der Augsburger Allgemeinen vom 06.12.2011). Auch eine leichtfertige Vergabe von Fördergeldern von Seiten der IHK Schwaben trotz fehlender oder unzureichender Finanzierungspläne kritisierte der Bayrische Oberste Rechnungshof.
Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung im Juli 2013 berichtete, hat nun auch der Niedersächsische Landesrechnungshof dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium eine vernichtende Kritik hinsichtlich der Ausübung der Rechtsaufsicht über berufsständische Kammern ausgestellt. So fand der Rechnungshof, der sich die Tätigkeit des Ministeriums in den Jahren 2009 bis 2012 vorgenommen hat, nicht einmal Dokumente oder Protokolle darüber, ob und wie die Aufsicht überhaupt ausgeübt wurde.
Link Jahresbericht 2011 des Bayrischen Obersten Rechnungshofes
Wie hoch der tatsächliche Nutzen der IHK für ihre beitragspflichtigen Mitglieder tatsächlich ist, ließe sich vermutlich an den Mitgliedszahlen ablesen, wenn ein Austritt möglich wäre.
Viele unserer Teilnehmer werden kraft Gesetzes zur beitragspflichtigen Mitgliedschaft und somit zu Kammerzugehörigen verpflichtet. Häufig wird die Kritik geäußert, dass der Zahlung der Beiträge kein Nutzen gegenüberstünde. Wie hoch der tatsächliche Nutzen der IHK für ihre beitragspflichtigen Mitglieder tatsächlich ist, ließe sich vermutlich an den Mitgliedszahlen ablesen, wenn ein Austritt möglich wäre.
- Meldung 2306
- Meldung 0907
- Beschwerde EU-Kommission auf Initiative des bffk
Kritiker weisen darauf hin, dass die Wahlen der IHK mit dem Demokratieprinzip schwer vereinbar seien. Die gesetzlich vorgesehene Gruppenwahl (§ 5 Abs. 3 IHKG) wird als demokratiewidrig empfunden, denn nicht jede Stimme hat die gleiche Bedeutung.
Vielmehr wird die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gewerbegruppen berücksichtigt. Auch deswegen seien die kleinen Unternehmen in den Gremien der IHK unterrepräsentiert und daher im Ergebnis weniger einflussreich.
Kritisiert wird auch, dass sich einige IHK lange Zeit weigerten und zum Teil noch bis heute weigern, die Wahlergebnisse zur sog. Vollversammlung, die das Vertretungsgremium der Kammerzugehörigen darstellt, offenzulegen.
In Berlin berief sich die IHK bei ihrer Weigerung darauf, dass sie personenbezogene Daten, der zur Wahl gestandenen Mitglieder schützen müsse und auf die Befürchtungen von Mitgliedern, die bei der Wahl ein schlechtes Ergebnis erzielten, dass sich dies negativ auf ihren Geschäftsbetrieb auswirken könnte. Wie die „Wirtschaftswoche“ in ihrem Artikel vom 25.03.2013 berichtete, war eine daraufhin von einem Mitglied der Berliner Vollversammlung vor dem Berliner Verwaltungsgericht erhobene Klage jedoch erfolgreich, sodass die IHK Berlin zur Offenlegung verpflichtet wurde. Eine Verbesserung der intransparenten Praxis der IHK scheint nun voranzuschreiten, da nach Aussage des bffk auch die IHK Kassel-Marburg ihre Wahlergebnisse seit einiger Zeit veröffentlicht und seit März 2013 auch die IHK Bochum.
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