Thorsten Bachler, Berlin

Und immer wieder die Künstlersozialkasse

Herr Bachler betreibt in Berlin eine Werbeagentur. Im Jahre 2006 erhielt sein wichtigster Kunde ein Schreiben der Künstlersozialkasse, in dem ein Sachbearbeiter den betreffenden Unternehmer überraschend mit der Feststellung konfrontierte, es sei aus Presse, Rundfunk, Fernsehen und sonstigen Medien (z.B. Internetauftritt, Zeitungsanzeigen, Broschüren, Prospekten, Messeständen und Katalogen) bekannt, dass er für sein eigenes Unternehmen Werbung betreibe. Die Künstlersozialkasse gehe davon aus, dass er dafür Entgelte an selbständige Künstler und Publizisten gezahlt habe bzw. zahle. Diese Aufträge führten zu einer Abgabepflicht an die Künstlersozialkasse. Es folgten dann Ausführungen über die Rechtsgrundlagen und die Tatbestandsmerkmale der Abgabepflicht. Dem Schreiben waren Erläuterungen zur Künstlersozialabgabe beigefügt.

Der Adressat wurde gebeten, die in den letzten fünf Jahren geleisteten Zahlungen in dem ebenfalls beigefügten Meldebogen anzugeben. Vorsorglich wies der Sachbearbeiter darauf hin, dass bei Nichteinhaltung der Pflicht zur Absendung des ausgefüllten und unterzeichneten Meldebogens bis zum Ende der gesetzten Frist Säumniszuschläge erhoben werden könnten. Außerdem würden die Entgelte dann nach dem Durchschnittswert der Branche, € 86.000,00 im ersten Jahr mit prozentualer Steigerung in den Folgejahren, geschätzt. Die Entgelte seien für Zwecke der Betriebsprüfung gesondert aufzuzeichnen.

Regelungen der Künstlersozialkasse sind den betroffenen Unternehmern und ihren Steuerberatern oft unbekannt

Weder Herrn Bachler, noch seinen Kunden oder der ihn betreuenden großen Steuerberatungsgesellschaft war damals bekannt, dass Kunden einer Werbeagentur, die als Einzelunternehmen geführt wird, Abgaben an die Künstlersozialkasse zu leisten haben. Im Falle von Herrn Bachler müssen fast alle Leistungen, z.B. auch Konzepte, Beratungen, die Produktionsüberwachung und die Web-Programmierung, in die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe einbezogen werden.  

Für seine Kunden erhöhten sich dadurch die Rechnungsbeträge de facto im Nachhinein um 5,5%. Die Auftraggeber waren darüber natürlich wenig erbaut und drohten mit einer Kürzung der künftigen Rechnungsbeträge um 5,5% und mit einer Unterbrechung der Geschäftsbeziehung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Herr Bachler seine Agentur in die Rechtsform einer GmbH führen würde, weil Entgelte, die an eine Kapitalgesellschaft geleistet werden, keine Abgabepflicht auslösen.

Diesem Druck hat Herr Bachler nachgegeben und seine Werbeagentur in eine von ihm gegründete GmbH eingebracht. Jetzt muss allerdings seine GmbH, deren Anteile ihm allein gehören, also im Effekt er selbst, das an ihn gezahlte Geschäftsführergehalt als abgabepflichtiges Entgelt für die „künstlerische Leistung“, die er der GmbH erbringt, behandeln.
Außerdem ist er nun mit den rechtformbedingten Aufwendungen, z.B. für die nunmehr erforderlichen Jahresabschlüsse durch Vermögensvergleich und deren Veröffentlichung, belastet.

Herrn Bachler will es nicht in den Kopf, dass eine künstlerische oder publizistische Leistung mehrfach von der Künstlersozialabgabe getroffen wird: Einmal muss der Künstler selbst einen Beitrag leisten, wenn er der Künstlersozialkasse angehört, zum anderen muss die Werbeagentur das an den Künstler gezahlte Entgelt der Abgabe unterwerfen, und schließlich muss der Kunde der Agentur (bei einer GbR) für die empfangene Leistung, in die das Werk des Künstlers ja eingegangen ist, noch einmal eine Abgabe an die Künstlersozialkasse zahlen.

Unternehmer ärgert sich vor allem über die schlechte Öffentlichkeitsarbeit der Künstlersozialkasse

Ursächlich für die Aggressionen des betroffenen Unternehmers gegenüber der Künstlersozialabgabe ist u.a. die katastrophale Öffentlichkeitsarbeit der Künstlersozialkasse und die Bildungslücke der ihn betreuenden Steuerberater und Anwälte sowie fehlende Hinweise der IHK. Die Abgabepflicht war und ist auch heute noch weitgehend unbekannt. Die Übertragung der Prüfungen auf die Deutsche Rentenversicherung Bund hat zu einer Vervielfachung der Betriebsprüfungen mit zum Teil erheblichen Nachzahlungen für einen Zeitraum von fünf Jahren geführt, von denen die Unternehmen völlig überrascht wurden.

Die Künstlersozialkasse hat es auch versäumt, den Betroffenen klarzumachen, dass die Abgaben im Prinzip der Gesetzlichen Rentenversicherung nachgebildet sind: Der Beitrag des Künstlers selbst entspricht dabei dem Arbeitnehmeranteil, die Abgabe der Leistungsempfänger dem Arbeitgeberanteil. Das erklärt jedoch nicht, warum im Falle einer Werbeagentur, wie von Herrn Bachler moniert,  die Abgabe, gegebenenfalls neben dem Beitrag des Künstlers, zweimal für dieselbe Leistung erhoben wird, einmal von der Agentur und dann noch einmal von dem Kunden der Agentur, der mit seinem Entgelt auch für die in der Leistung der Werbeagentur enthaltenen Vorleistung des Künstlers zahlt.

Herr Bachler wendet sich auch dagegen, dass die Abgabe von den Leistungsempfängern auch für Künstler erhoben wird, die überhaupt nicht versichert sind, z.B. für Ausländer mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland, für Webprogrammierer, die nicht in die KSK aufgenommen werden und für Künstler, die der Künstlersozialkasse nicht beitreten wollen.

Das ganze Problem wird noch ungeahnte Dimensionen annehmen. Die KSK hat einen ganz guten Überblick über die klassischen Verwerter wie Verlage, Filmproduzenten und andere bei ihr gemeldete Unternehmen dieser Branche. Abgabepflichtig sind aber auch die sogenannten Eigenwerber, also Unternehmen, die ihre Werbung selbst in die Hand nehmen und dabei regelmäßig die Dienste von Graphikern, Layoutern, Übersetzern, Fotografen und anderen kreativ tätigen Personen in Anspruch nehmen. Der Fragebogen der KSK zur Prüfung der Abgabepflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz enthält unter Punkt 4.1 eine Liste von ca. 60 Berufen;  diese Auflistung wird in dem Formular ausdrücklich als unvollständig bezeichnet. Im Grunde gibt es nur wenige Unternehmen, die nicht auf Graphiker und Texter oder verwandte Berufsträger für die Erstellung von Werbe- und anderen Informationsmedien zurückgreifen. Insofern sind hunderttausende von Gewerbetreibenden und Freiberuflern betroffen, die im Laufe der nächsten Jahre von der Künstlersozialkasse erfasst werden. 

Stand der Falldarstellung: 2009

 

Das könnte Sie auch interessieren:

Ähnlich gelagerte Fälle um unangenehme Überraschungen aus dem Steuerrecht, einen Musikclub im Würgegriff von Genehmigungs- und Abgabepflichten sowie die Kritik eines Unternehmers an dem Gesetz über die Sozialversicherung der selbstständigen Künstler und Publizisten. 

Beantworten Sie bitte drei Fragen zu Ihrem Bürokratie-Erlebnis und bewerben Sie sich damit automatisch für den Werner Bonhoff Preis

Neueste Fälle

Ähnliche Fälle