Jörn C. Schneider, Erlebnisbahn GmbH & Co. KG, Am Mellensee

Ein für die Behörden (un)gewöhnliches Draisinenprojekt

Herr Schneider hat zusammen mit Herrn Jähnke die Firma ERLEBNISBAHN GmbH & Co. KG ins Leben gerufen. Gegenstand des Unternehmens ist die Vermietung von Draisinen auf einer stillgelegten Eisenbahnstrecke. Nach drei Jahre dauernden Verhandlungen kaufte das Unternehmen die stillgelegte Bahnstrecke mit einer Länge von 42 km von Zossen nach Jüterbog für ca. eine Million Euro von der Deutschen Bahn AG. Die Finanzierung konnte dank der Fördermittel, die dafür von der Bürgschaftsbank Brandenburg zur Verfügung gestellt wurden, aufgebracht werden. Für den touristischen Draisinenbetrieb auf dieser Strecke musste eine Genehmigung eingeholt werden. Alle vor Aufnahme des Betriebs durchgeführten Recherchen hatten jedoch ergeben, dass es für dieses Projekt keine zuständige Aufsichtsbehörde gibt.

Nach Aufnahme des Betriebes im Jahre 2003 forderte ein Mitarbeiter des Brandenburgischen Ministeriums für Stadtent­wicklung, Wohnen und Verkehr (MSWV), der zuständigen Eisenbahn­aufsichts­­behörde gemäß § 5 Abs. 1b AEG, in einem Schreiben vom 6.2.2004 das Unternehmen auf, eine Entwidmung der Bahnstrecke vorzunehmen, anderenfalls müsse der Draisinen­betrieb untersagt werden. Die Erlebnisbahn hatte gegenüber dem MSWV den Wunsch geäußert, die Strecke als Eisenbahninfrastruktur nutzen zu können. Das Land hatte jedoch klargestellt, dass es sich beim Draisinenverkehr nicht um einen Eisenbahnverkehr im Sinne des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) handele und daher aus Sicht des MSWV eine Entwidmung erforderlich sei. Auslöser für diese Forderung des MSWV war ein Schreiben der Deutsche Bahn Netz AG vom 8.5.2003, in dem die DB das Unternehmen und die Behörde darauf hinwies, dass Draisinenfahrten kein Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen darstelle und daher stets einer besonderen Genehmigung (z. B. nach Gewerberecht oder als Bahn besonderer Bauart) bedürften.
Ohne die Entwidmung der Strecke wäre es nach Meinung  von Herrn Schneider nicht ausgeschlossen gewesen, dass ein Eisenbahnunternehmen die Strecke für den Zugverkehr nutzt und zur Konkurrenz für die DB wird. Andererseits hätte die Entwidmung nach seiner Ansicht ein kostspieliges Planfeststellungsverfahren nach sich gezogen, dessen Konsequenzen für den Draisinenbetrieb nicht abzusehen gewesen wären. Ein Scheitern des Projekts zu diesem Zeitpunkt hätte die finanzielle Förderung des Landes Brandenburg für das Vorhaben ad absurdum geführt und die Existenz der beiden Firmengründer vernichtet. Auf Grund dessen beantragte das Unternehmen am 6.8.2006 an Stelle eines Entwidmungsverfahrens beim Eisenbahn-Bundesamt die Zulassung als Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) gemäß § 3 Abs. 1 Ziffer 2 AEG beim Landesamt für Bauen und Verkehr.

Entgegen der zuvor vom MSVW vertretenen Rechtsauffassung erteilte das Landesamt für Bauen und Verkehr der Erlebnisbahn GmbH & Co. KG im Sommer 2007 eine bis zum 31.12.2056 gültige Genehmigung nach § 6 Abs. 3 Ziffer 3 AEG als EIU. In der Konsequenz unterliegt der Betrieb einer Draisine als einer Eisenbahninfrastruktur den für Eisenbahnen geltenden Gesetzen, Rechtsverordnungen und sonstigen Vorschriften. Daraus folgt unter anderem, dass in den nächsten fünfzig Jahren keine Entwidmung gegen den Willen des Eigentümers vorgenommen werden kann. Das Vorhaben konnte somit auch ohne Entwidmung zum Erfolg geführt werden und erfreut sich einer großen Beliebtheit mit einer jährlichen Besucherzahl von rund 30.000 Personen.

Herr Schneider führt das Gelingen seines Projekts darauf zurück, dass jedes Verlangen einer Behörde grundsätzlich hinterfragt und auf seine Berechtigung überprüft wurde. Im Sinne einer konstruktiven Auseinandersetzung wurde immer der Versuch unternommen, den Nachweis einer alternativen Entscheidungsmöglichkeit zu erbringen. 

Stand der Falldarstellung: 05/2009

Beantworten Sie bitte drei Fragen zu Ihrem Bürokratie-Erlebnis und bewerben Sie sich damit automatisch für den Werner Bonhoff Preis

Neueste Fälle

Ähnliche Fälle