Gerhard Heß, SpreeCab GmbH, Berlin

Versagung der Genehmigung eines Wassertaxi-Betriebs in Berlin

Der passionierte Segler Gerhard Heß kaufte sich im Jahre 2003 ein Wassertaxi – einen Nachbau New Yorker Wassertaxis der 20er Jahre – und begann mit der 2004 gemeinsam mit einem holländischen Schiffssammler gegründeten SpreeCab GmbH, den Betrieb eines ersten Wassertaxis in Berlin zu planen. Das Wassertaxi-Konzept sah den Einsatz von Motorbooten bis zu einer Länge von 9 Metern und mit Platz für bis zu 11 Passagieren auf der Spree und dem Landwehrkanal im Zentrum Berlins vor.

Im Frühjahr 2004 stellte die SpreeCab GmbH einen ersten Sammelantrag auf die Genehmigung mehrerer Anlegestellen, zwischen Oktober 2004 und Februar 2005 folgten dann die ersten detaillierten Anträge. Eingereicht wurden diese beim Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin als der zuständigen Bundesbehörde und der Wasserbehörde beim Senator für Stadtentwicklung (heute Senator für Gesundheit) als der zuständigen Landesbehörde. Zunächst musste jedoch das Bundesverkehrsministerium eine rechtliche Einordnung des Bootes vornehmen. Das Ministerium stufte das Wassertaxi wegen der Personenbeförderung gegen Entgelt als „Fahrgastschiff“ ein. Dafür ist eine Besatzung von zwei Personen vorgeschrieben. Außerdem muss der Schiffsführer ein entsprechendes Patent vorweisen. Fahrgastschiffe unterliegen zudem einer besonderen Untersuchung nach der BinSchUO (Schiffsattest).

Schließlich ist auch eine Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft Fahrzeug erforderlich. Allein der Aufwand für eine Besatzung von zwei Personen hätte den Betrieb des Wassertaxis unrentabel gemacht. Die Bemühungen von Herrn Heß um die Genehmigung seines Taxi-Betriebs flossen jedoch in § 62 der Neunundzwanzigsten Verordnung zur vorübergehenden Abweichung von der Binnenschiffs-Untersuchungsordnung (§ 62 Abs. 2 der 29. BinSchUOAbweichV) ein, die am 1. Juli 2005 in Kraft trat und mit Ablauf des 30. Juni 2008 außer Kraft treten wird. Der neue Absatz 2 des besagten Paragraphen sieht nun Ausnahmeregelungen für kleine Fahrgastschiffe vor, „soweit dadurch die Sicherheit der Fahrgäste und der Schifffahrt nicht beeinträchtigt wird“. Das Nähere sollen Richtlinien regeln.

Die Richtlinie Nr. 3 „Anforderungen an Taxiboote“ des Bundesverkehrsministeriums, die seit dem 01.04.2007 in Kraft ist, schreibt i. V. mit § 13 Abs. 1 S. 2 und § 62 Abs. 2 S. 1 und 2 der BinnenschiffsUntersuchungsordnung Anforderungen an die Ausstattung des Bootes und die Qualifikation des Schiffsführers genauestens vor. Das Boot muss u. a. über einen Innenbordmotor, einen Hauptanker mit einem Gewicht von 25 kg, einen Zweitanker mit einem Gewicht von 20 kg, eine Sitztiefe von 0,75 m und über eine Aufschrift „Taxi“ von mindestens 30 cm Höhe verfügen. Eine Ein-Mann-Besatzung ist nur zulässig, wenn sieben Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind.

Darunter finden sich die Forderungen, dass „das Taxiboot nur bei Tag und gutsichtigem Wetter fährt“ und das Schiff anlegen kann, ohne dass der Steuermann sein Ruder verlässt, beispielsweise mit Hilfe von Magneten an Boot und Steg. Des Weiteren wird vom Schiffsführer ein „modifiziertes“ C2-Schifferpatent verlangt. Worin die Modifizierung besteht, soll in einem Erlass geregelt werden. Normalerweise erlaubt ein Kapitänspatent der Klasse C2, Schiffe bis 35 Meter Länge zu führen.

Bekannt wurde bislang lediglich, dass als Zulassungsvoraussetzung zur C2-Prüfung die Absolvierung eines auf 90 Tage reduzierten Praktikums auf einem Fahrgastschiff verlangt wird. Herr Heß verfügt bereits über ein für ein solches Praktikum erforderliches Schifferdienstbuch, das eine Tauglichkeitsüberprüfung durch einen Amtsarzt der Berufsgenossenschaft vorsieht. Wie schwer sich der Richtliniengeber mit der Genehmigung von Wassertaxis tut, erschließt sich erst nach einem Blick auf die Richtlinie Nr. 3 an die Zentralstelle Schiffsuntersuchungs­kommission/Schiffseichamt nach § 13 Abs. 1 Satz 2 und § 62 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Binnenschiffs-Untersuchungsordnung, insbesondere auf Punkt 16 (Besatzung).

Die Anträge auf Genehmigung der erwähnten Anlegestellen wurden nach einer langen Phase der Untätigkeit der Behörden und des Abwartens der Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums im Mai 2007 unbearbeitet „zur Überarbeitung/Präzisierung entsprechend der geltenden Richtlinie Nr. 3 für Taxiboote“ zurückgesandt. Dazu wird die Vorstellung eines der Richtlinie entsprechenden und von der Schiffsuntersuchungskommission abgenommenen Taxibootes mit der vorgesehenen Festmachvorrichtung für den Ein-Mann-Betrieb gefordert. Mittlerweile haben sich bereits Werften und Bootsbauer auf das Nischenprodukt Taxiboot eingestellt und wollen mittels neuer Technologien auch für den Antrieb (Hybrid und Solar) ab Januar 2008 um neue Kunden werben. 

Stand der Falldarstellung: 2006

 

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